Mahnwache vom 08.07.2022

Posted by

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 19. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank an alle, die gekommen sind. Wir haben heute eingeladen nicht nur zur Mahnwache gegen den Krieg in der Ukraine und gegen alle anderen Kriege in der Welt, sondern auch zum Flaggentag der „Mayors for Peace“. Was hat das zu bedeuten?

Normalerweise wird diese grün-weiße Flagge mit der Friedenstaube und der Aufschrift „Mayors for Peace“ in englisch und japanisch einmal jährlich am 8. Juli gehisst. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hängt sie jedoch permanent hier vor dem Rathaus. Bei unserer 4. Mahnwache am 18.03. hat unser Oerbürgermeister Bernd Hornikel erklärt, warum sie dort hängt. Viele von Ihnen wissen also Bescheid. Viele andere haben die Fahne zwar wahrgenommen und sich daran gewöhnt, können aber nichts damit anfangen. Vielen weiteren ist sie vermutlich gar nicht aufgefallen.

Wer sind die „Mayors for Peace“, die „Bürgermeister für den Frieden?“ 1982, also vor genau 40 Jahren, hat der damalige Bürgermeister von Hiroshima dieses Bündnis gegründet. Inzwischen gibt es über 8000 Mitgliedsstädte in 165 Ländern. Allein in Deutschland gibt es ca. 700 Mitglieder, so z.B. auch Stuttgart, Esslingen, Schwäbisch Gmünd usw. Vor einigen Jahren ist auch der damalige Schorndorfer OB Klopfer dem Bündnis beigetreten.

Was haben Bürgermeister mit friedenspolitischen Themen zu tun? Ist das nicht außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs? Nein, denn Bürgermeister sind verantwortlich für Sicherheit und Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die größte Bedrohung für die Sicherheit sind nach wie vor Atomwaffen. Daher haben die „Mayors for Peace“ zugesagt, sich für die Abschaffung der Atomwaffen und für ein friedliches Miteinander der Völker einzusetzen. Sie forden z.B. auch den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag.

Was hat es mit dem Datum 8. Juli auf sich? Am 8. Juli 1996, vor genau 26 Jahren, hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein Rechtsgutachten herausgegeben. Darin heißt es, dass sowohl der Einsatz als auch die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen rechtswidrig sind. Zudem stellte der Gerichtshof fest, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führen.“ Um an dieses Gutachten zu erinnern und seine Umsetzung zu fordern, wird jährlich am 8. Juli der Flaggentag begangen. Die Bürgermeister wollen damit „Flagge zeigen“ für eine atomwaffenfreie Welt. Daher gibt es heute wieder in ca. 500 Städten Aktionen zum Flaggentag.

Es ist unfassbar, dass nach wie vor sämtliche Atommächte gegen dieses Gutachten des welthöchsten Gerichts verstoßen, ihre Atomwaffen modernisieren und ihre Zahl erhöhen. Unter dem Eindruck des Ukrainekriegs betonen auch in Deutschland alle Parteien die Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung – auch die, die vor der Wahl versprochen haben, sich für die Abschaffung der Atomwaffen einzusetzen. Ein neues nukleares Wettrüsten ist voll im Gang.

Gibt es überhaupt noch Verhandlunge  und Verträge zur nuklearen Abrüstung, wie es der Internationale Gerichtshof gefordert hat?

Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen, wie sie z.B. in Mutlangen stationiert waren, wurde von US-Präsident Trump gekündigt, woraufhin auch Russland sich nicht mehr daran gebunden sah.

Der START-Vertrag über nukleare Langstreckenwaffen ist im Februar 2021 ausgelaufen, wurde damals immerhin von den Präsidenten Biden und Putin provisorisch verlängert, jedoch nicht mehr weiter verhandelt.

Es existiert noch der Nichtverbreitungsvertrag, auch Atomwaffensperrvertrag genannt. Er verbietet nicht nur die Weiterverbreitung von Atomwaffen an zusätzliche Staaten, sondern verpflichtet die Atommächte auch zu „redlichen Verhandlungen“ über nukleare Abrüstung. Vom 1. -26. August wird in New York die wegen Corona mehrfach verschobene nächste Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag stattfinden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Verhandlungen „redlich“ geführt werden.

Seit Januar 2021 ist der vor genau 5 Jahren verabschiedete Atomwaffenverbotsvertrag rechtsgültig. Obwohl alle Nuklearmächte nicht beigetreten sind, setzt der Vertrag ein klares Signal an die Atommächte. Er zeigt, dass die allermeisten Staaten der Welt, nämlich 122 Staaten,  nicht mehr bereit sind, die Bedohung durch Atomwaffen hinzunehmen. Vom 21. – 23. Juni fand in Wien die erste Vertragsstaatenkonferenz statt, leider fast unbemerkt von der Öffentlichkeit. Über konkrete Ergebnisse werden wir demnächst informieren.

Wir hören jetzt Detlef Beune.

Detlef:
Die atomare Teilhabe Deutschlands

Am 26. März 2010 beschloss der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend einen Antrag, in dem es heißt: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich … mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen“.

Was ist seitdem geschehen? Nichts. Im Gegenteil: Die in Büchel stationierten Atomwaffen der USA werden modernisiert. Und: Deutschland beabsichtigt, 35 extrem teure F-35-Tarnkappenjetzs des Herstellers Lockheed Martin im rheinland-pfälzischen Büchel zu stationieren, die dann im Falle eines Falles die dort stationierten Atomwaffen zum Einsatz bringen können.

Nur am Rande: Firma Lockheed, da war doch was, die älteren von Ihnen werden sich noch erinnern. Von dieser Firma hatte Deutschland damals vorangetrieben von Franz Joseph Strauß schon einmal überteuerte Flugzeuge bestellt, die sogenannten Starfighter. Diese waren so sicher, dass diese bei Übungsflügen immer wieder abstürzten und sich die Piloten nur mit dem Schleudersitz retten konnten, wenn überhaupt. Auch heute stehen diese Tarnkappenjets wieder in der Kritik, wegen der überhöhten Preise, an ihrer Qualität wird gezweifelt.

Das alles läuft unter dem Schlagwort der atomaren Teilhabe. Teilhabe, das klingt erst einmal positiv, was aber bedeutet das eigentlich?

Die in Deutschland gelagerten Atomwaffen gehören den USA. Die Länder, die an der atomaren Teilnahme mitmachen, verpflichten sich allerdings, geeignete Flugzeuge oder Trägerraketen bereitzuhalten. Die gelagerten Nuklearwaffen bleiben aber unter US-Hoheit, über die nötigen Codes verfügt alleine die US-Führung. Wenn die US-Regierung dann etwa Deutschland den Auftrag erteilt, diese zum Einsatz zu bringen, spricht man von einem faktischen Vetorecht. Das heißt: Deutschland könnte dann immer noch sagen, nein, wir feuern die Atomwaffen nicht ab. Die Frage wäre allerdings, wie realistisch das überhaupt ist. Bei den verhängten Sanktionen gegenüber Russland und den Waffenlieferungen hat die Bundesregierung bislang eher eine Nibelungentreue zu den Wünschen der USA gezeigt, auch wenn dadurch eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen seit dem zweiten Weltkrieg riskiert wird.

Hinzukommt eine seit dem Beginn des Ukraine-Krieges äußerst angespannte und gefährliche Situation. Russland hat seine Atomwaffen schon einmal in Alarmbereitschaft versetzt.

Momentan sieht es so aus, als würde Russland zunächst einmal den gesamten Donbass erobern. Allerdings hat der ukrainische Präsident schon angekündigt, dass er mit immer neuen Waffen zurückkehren will. Das Ziel, Russland aus dem Donbass zu vertreiben und auch die Krim zurückzuerobern hat er anscheinend noch nicht aufgegeben.

Nun, ich bin kein Militärexperte, ich möchte das auch gar nicht werden. Nehmen wir aber einmal an,Selenskyi würde dieses Ziel erreichen? Was würde Russland dann tun? Würde Putin klein beigeben, oder vielleicht seine reichlich vorhandenen Atomwaffen zum Einsatz bringen? Ich weiß das nicht, ich glaube, niemand kann das wissen.

Russland hat bereits demonstriert, dass es über Hyperschallraketen verfügt, die z.B. auch die Vorwarnzeit für Deutschland dramatisch verkürzen würde, wenn auf die in Deutschland stationierten Atomwaffen gezielt würde. Möglicherweise kämen Militärstrategen in den USA zu der Ansicht, dass es dann besser wäre, die hier stationierten Atomwaffen abzufeuern, bevor sie von Russland vernichtet würden? Auch das ist reine Spekulation, wissen kann das niemand.

Was einen in jedem Fall bewusst sein sollte: In der Regierung Biden sitzen dieselben Neokonservativen, die sich für die Kriege der USA in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) starkgemacht und die den Einmarsch Russlands in die Ukraine erst provoziert haben. Manche davon haben auch schon darüber spekuliert, ob nicht ein „begrenzter“ Atomkrieg in Europa denkbar wäre.

Das alles zeigt meines Erachtens: Der Glaube daran, dass die in Deutschland stationierten Atomwaffen mehr Sicherheit bringen, ist gerade in der jetzigen Situation definitiv falsch. Deshalb muss sich Deutschland endlich an den Bundestagsbeschluss von 2010 halten. Die hier stationierten Atomwaffen müssen verschwinden und Deutschland muss sich dem Atomwaffenverbotsvertrag anschließen.

Uwe:

Einführung in das Schweigen

Zitate

„Ich bin mir nicht sicher, mit welchen Waffen der 3. Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“

(Albert Einstein)

„Ich glaube nicht an die Klugheit von Bombenabwürfen“.

(Jürgen Todenhöfer)

„Menschen sind nicht in der Lage, den Tod abzuschaffen, aber sie sind gewiss in der Lage,
das gegenseitige Töten abzuschaffen.“

(Norbert Elias)

„Den ungerechtesten Frieden finde  ich immer noch besser, als den gerechten Krieg.“

(Marcus Tulilius Cicero)

„Aufhören können, das ist nicht eine Schwäche, sondern eine Stärke.“

(Ingeborg Bachmann)

Ansagen:

Ich möchte folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • In der Mitte liegen nochmals Postkarten und Infoblätter aus (?)
  • Am Montag, 18.07. ist um 19.00 Uhr ökumenisches Friedensgebet in der Stadtkirche.
  • Am kommenden Freitag findet hier auf dem Marktplatz bereits die SchoWo statt. Also muss aus Platzgründen unsere Mahnwache ausfallen. Die nächste Mahnwache ist dann am Freitag in zwei Wochen, am 22.07. um 18.00 Uhr.
  • Wir bitten darum, dass alle, die möchten, nachher noch kurz da bleiben. Uns interessiert Ihre Meinung zu der Frage: Soll die Mahnwache fortgesetzt werden? Wenn ja: wann und in welcher Form?

 

Leave a Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.