Mahnwache vom 11.10.2024

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen:

Detlef:

Guten Abend zusammen zu unserer mittlerweile 108. Mahnwache seit Beginn des Ukraine-Krieges.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die Friedensdemonstration vom 03.10.2024 in Berlin zurückkommen. Wir von der Friedensinitiative Schorndorf sind dorthin mit dem Zug mit insgesamt 6 Menschen hingefahren. Wir sind dann zur Auftaktkundgebung gegangen, die am nächsten am Bahnhof war. Hier waren wir zunächst auch etwas enttäuscht: Dort waren vielleicht 2.000 bis 3.000 Menschen, da hatten wir doch auf wesentlich mehr gehofft. Dann kam der ziemlich lange Demonstrationszug zur Abschlusskundgebung. Dort trafen dann doch immer mehr Menschen ein, die Veranstalter sprachen von 40.000 bis 50.000 Menschen, die Polizei gab dagegen nur 10.000 Menschen an. Über solche Zahlen kann man nun immer streiten. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es hunderttausende oder Millionen von Menschen gewesen wären, aber so weit sind wir mit der Entwicklung der Friedensbewegung heute leider noch nicht.

Dennoch gab es für mich bei dieser Demonstration auch viel Positives zu berichten. Von den Organisationen, die laut ihrer Transparente dabei waren, waren das eigentlich nur Organisationen, die man dem linken Spektrum zuordnen kann. Von irgendwelchen Nazis war dort überhaupt nichts zu sehen. Darüber hinaus war ich sehr darüber erfreut, dass an dieser Demonstration nicht nur Menschen im höheren Alter teilnahmen, wie man das etwa von den Ostermärschen her so kennt. Der Anteil von jüngeren Menschen an dieser Demonstration war deutlich höher, was ich sehr erfreulich fand. Viele Menschen nahmen an dieser Demo teil, die sich keiner Organisation zugehörig fühlten. Sie kamen mit eigenen selbstgebastelten Transparenten daher, wo sie ihre eigenen Forderungen zum Frieden zum Ausdruck brachten (z.B. die Forderung nach Verhandlungen mit Russland oder die Solidarität mit Julian Assange). Mein Eindruck dabei war für mich: Da entwickelt sich etwas in der Friedensbewegung, sozusagen eine ganz neue Friedensbewegung.

Ein ganz dickes Lob muss ich den Veranstaltern dieser Demonstration von Nie wieder Krieg aussprechen. Auf der Abschlusskundgebung ließen sie sehr viele sehr verschieden Menschen zu Wort kommen. Wir haben davon aber nur den Beginn mitbekommen, weil wir wieder zum Bahnhof mussten. Was wir allerdings noch mitbekommen haben, war der Anfang der Rede von Dr. Ralf Stegner von der SPD. Zunächst verurteilte er den völkerrechtswidrigen Kriegsbeginn von Russland gegen die Ukraine, was wir als Friedensinitiative Schorndorf auch tun. Allerdings erwähnte er dabei mit keinem Wort die lange Vorgeschichte diese Krieges, in der auch die NATO und die USA keine gute Rolle spielten. Das Ergebnis war ein großes Pfeifkonzert von Seiten des Publikums, dass sich noch verstärkte, als er auch die Lieferung von Flugabwehrwaffen an die Ukraine befürwortete. Vielleicht hätten die Pfeifenden aus dem Publikum die Rede aber doch einmal bis zum Ende anhören sollen, denn sie ist m.E. nicht nur negativ zu bewerten.

Nun, auf der Webseite https://nie-wieder-krieg.org/videos-bilder-reden/ kann man sich alle Reden dieser Abschlusskundgebung noch einmal in Ruhe anschauen, darunter auch die Rede von Dr. Ralf Stegner. Er hat durchaus auch Positives gesagt. Er setzte sich letztlich dafür ein, dass alle Kriege (ob in der Ukraine oder im Nahen Osten) durch Diplomatie beendet werden müssen und lehnte die geplante Stationierung von neuen Mittelstreckenwaffen in Deutschland ab. Insofern verstehe ich es auch, dass die Veranstalter dieser Demonstration Dr. Ralf Stegner als Redner eingeladen haben. Auch Sahra Wagenknecht hat dies in ihrem m.E. guten Redebeitrag ebenfalls positiv bewertet.

Der Knaller bei diesen Reden der Abschlusskundgebung war aber die von Peter Gauweiler. Er war von 2002 bis 2015 Abgeordneter der CSU im Bundestag, von 2013 bis 2015 sogar stellvertretender CSU-Vorsitzender. Ein alter Haudegen der CSU, kann der überhaupt für den Frieden sein? Doch, er kann, hier einige Zitate aus seiner Rede:

Wir sind seit einiger Zeit dabei, ein Versprechen zu brechen, was man als das             Gründungsversprechen der Bundeswehr bezeichnen kann: Streitkräfte nur zur Landesverteidigung aufzustellen. „Wenn die Bundeswehr den ersten Schuss abgibt, hat sie ihren Auftrag verfehlt.“ (so der Ministerpräsident Strauß zur Bundeswehr an  seinem 70. Geburtstag).

Noch die Regierung Kohl hatte sich geweigert, auch nur einen Bundeswehrsoldaten, selbst unter den Blauhelmen der Vereinten Nationen, nach Jugoslawien zu schicken, obwohl dort eine fürchterliche Auseinandersetzung zwischen den total verfeindeten  ehemaligen Teilrepubliken vorlag.

Seit den 90er Jahren führt Deutschland außerhalb jeder Landesverteidigung die sog. Kriege „für unsere Werte“. Diese begannen am 24. März 1999 mit der Bombardierung der Städte Belgrad, Novi Sad und Podgorica und war im August 2021 mit der chaotischen Evakuierungsaktion und dem Abzug aus Afghanistan noch nicht zu Ende. Die Bundeswehr bewies dabei zwar Tapferkeit im Scheitern. Aber die völlige Nutzlosigkeit der Einsätze stand in einem reziproken Verhältnis zur Opferbilanz. Sie wird bei den Kriegen des Westens für ‚unsere Werte‘ seit 1999 insgesamt mit über 1 Mio. Menschen angegeben. Jetzt also die Krim und das Gebiet am Unterlauf der Don.

Und weiter:

Um es kurz zu machen: Ich bin nicht dafür, dass sich Deutschland militärisch immer mehr in den russischen-ukrainischen Krieg hineinziehen lässt. Ich halte es für hellen Wahnsinn, jetzt deutsche Raketen nach Russland schießen zu lassen. Allein dass dies von verantwortlichen Leuten als Option bezeichnet wird, ist ein weiterer Bruch des Gründungsversprechens der Bundeswehr, von dem gerade die Rede war.

Wenn es wirklich um „unsere Werte“ geht, sollte sich nicht nur Deutschland, sondern auch ganz Europa, das sich immer noch gerne als „das Abendland“ versteht, nicht so einfach über die Worte des Papstes hinwegsetzen wollen. Der oberste Bischof der Christenheit sagt unmissverständlich:
„Versucht zu verhandeln, sucht den Frieden!“

Die Veranstalter von heute haben ihrer Einladung den Aufruf vorangestellt: „Die Waffen nieder!“. Das sind die Worte der Bertha von Suttner, einer österreichisch-tschechischen Aristokratin und besten Freundin von Alfred Nobel. Sie starb 10 Tage vor dem Attentat von Sarajewo, das den Weltkrieg einleitete und in Europa die Lichter ausgehen ließ. Deutschland sollte jetzt, in der zwölften Stunde, die Europäische Union dazu bewegen, nicht weiter den Krieg und das Waffenmanagement zu ihrer Sache zu machen, sondern das wechselseitige, vollständige und bedingungslose Niederlegen der Waffen. Danach lasst uns alle streben und das ist die zeithistorische Aufgabe des wiedervereinigten Deutschlands und seiner Politik.

Nach dieser Rede von Gauweiler sollte man sich auch mit Forderungen an die Friedensbewegung, sie dürfe nicht nach rechts offen sein, kritisch auseinandersetzen. Auch mit rechts-konservativen Menschen wie Gauweiler kann und sollte die Friedensbewegung zusammenarbeiten. Klar sollte dabei natürlich sein: Mit Nazis, Rassisten oder Antisemiten darf die Friedensbewegung keine gemeinsame Sache machen. Aber es muss natürlich erlaubt sein, die aktuelle Politik von Israel zu verurteilen, damit ist man noch lange kein Antisemit.

Zum Schluss:

Ich habe vor einigen Tagen auf unserer Web-Seite einen Artikel zum auf der Friedenskundgebung in Berlin gestarteten „Berliner Appell“ veröffentlich. Die zentrale Forderung dort ist es, dass in Deutschland nicht wie von Bundeskanzler Scholz ohne jede Debatte einfach bekannt gegeben wurde, neue Hyperschallraketen im Jahre 2026 stationiert werden sollen, die auch atomar bestückt werden können. Die Reaktion von Russland dürfte klar sein. Sie werden mit ihren Hyperschallraketen dann auf Deutschland zielen. Ein kleiner Funken kann dann genügen, und wir haben einen Krieg direkt zwischen Deutschland und Russland mit vielen, vielen Todesopfern. Deshalb ist es so wichtig, dass möglichst viele Menschen diesen Appell auch unterschreiben, sprecht bitte mit all Euren Bekannten darüber, dass sie auch diesen Appell unterschreiben. Das kann man online tun unter https://nie-wieder-krieg.org/berliner-appell/. Aber das geht auch ganz traditionell per Unterschrift auf einer Liste, von der eine kleinere Anzahl vorne ausliegt, die auch gerne mitgenommen werden können. Auf obigem Link kann man diese Liste auch als PDF-Datei herunterladen und diese ausdrucken. Nicht vergessen: Diese Unterschriften müssen dann per Post die Adresse verschickt werden, die unten auf der zweiten Seite dieser Liste steht.

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Ich lese drei Zitate von Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!

Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.

Es wird die Zeit kommen, wo man pathoslos und sachlich einsehen wird, dass es klüger und ökonomischer ist, keine Kriege zu führen.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • morgen werden wieder wie jeden Samstag Mitglieder der Ökumenischen Friedensgruppe der Stadtkirchengemeinde Schorndorf von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr mit 2 Friedensbannern auf dem Wochenmarkt präsent sein. Wer sich in nächster Zeit daran beteiligen möchte, kann sich gerne in diese Liste eintragen. Oder bei Doris und Uli Kommerell anrufen (Tel.: 65700, steht im Telefonbuch)
  • ebenfalls morgen lädt die Friedensbewegung Göppingen um 16.00 Uhr zu einer Friedensveranstaltung auf dem Göppinger Marktplatz ein.
  • Jetzt noch 2 Veranstaltungen, die auch morgen stattfinden, aber weiter entfernt sind. Auch wenn wahrscheinlich niemand aus Schorndorf dabei sein wird, ist es doch wichtig, daran zu denken. Die Gewerkschaften Ver.di, GEW und DGB rufen zu einer Demonstration gegen Sozialabbau und Hochrüstung in München auf. Es fahren 2 Busse aus Stuttgart. Beginn ist um 14.00 Uhr.
  • In Nörvenich in Nordrhein-Westfalen, dem Stationierungsort der deutschen Tornado-Kampfjets, wird jedes Jahr im Oktober das Nato-Atomkriegsmanöver „Steadfast Noon“ durchgeführt. Das Netzwerk Friedenskooperative und andere Gruppen rufen morgen um 12.00 Uhr zu einer Demonstration dagegen auf.
  • Am Mittwoch, den 16.10. findet um 19.00 Uhr im Martin-Luther-Haus als Vor- bereitung zum Weltgebetstag 2025 ein Informationsabend zu den Cookinseln statt.
  • Unsere nächste Mahnwache ist heute in einer Woche, am Freitag den 18.10. um 18.00 Uhr, wieder hier auf dem Marktplatz. Es wäre schön, wenn sich einige aus unserem Kreis bereit finden würden, bei künftigen Mahnwachen einen kleinen Beitrag zu bringen. Niemand muss eine eigene Rede schreiben. Es gibt ja viele gute Texte, die vorgetragen werden können. Vielen Dank.

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