Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.
Detlef:
Hallo zusammen, herzlich willkommen zu unserer mittlerweile 52. Mahnwache seit Beginn des Krieges in der Ukraine.
Der 9. Mai ist ein historischer Gedenktag. Zum 78. Mal jährte sich der Tag der Befreiung von der Nazidiktatur. Einen großen Beitrag hierzu leistete die damalige Sowjetunion, in der damals 27 Millionen Menschen im Kampf gegen den Hitlerfaschismus starben. Nein, es geht nicht darum, den damaligen Stalinismus zu rechtfertigen. Aber: Die Bevölkerung der Sowjetunion leistete damals einen riesigen Beitrag dazu, dass der Hitlerfaschismus besiegt werden konnte.
Es war bis vor einem Jahr selbstverständlich, dass auch in Deutschland Feierlichkeiten zum Gedenken an diesem Tag stattfanden. Es war selbstverständlich, dass Menschen aus Russland auch in Deutschland an diesen Feierlichkeiten teilnehmen konnten, mit russischen Flaggen oder auch Flaggen der damaligen Sowjetunion. Das alles ist jetzt mit der Begründung des Ukraine-Krieges vorbei: Deutsche Gerichte haben entschieden, dass bei Veranstaltungen zum Gedenken am Tag der Befreiung weder russische noch Fahnen der damaligen Sowjetunion gezeigt werden dürfen, wohl aber Fahnen der Ukraine, nachzulesen in der Berliner Zeitung. Wen kümmert es da noch, dass die ukrainische Regierung und deren Armee nachweislich von Nazis durchsetzt sind? Sevim Dagdelen hat diese Haltung der Bundesregierung in einem kurzen Beitrag der jungen Welt treffend kritisiert.
Offener Brief an Scholz und Macron
Das „Manifest für Frieden“ wurde vor gut drei Monaten von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht veröffentlicht, zwei durchaus sehr unterschiedliche Menschen. Nun gibt es eine neue Initiative von auch zwei sehr unterschiedlichen Menschen, von Oskar Lafontaine und Jürgen Todenhöfer, der bis 1990 Bundestagsabgeordneter der CDU war. 2020 trat er aus dieser Partei aus.
Die beiden haben vor kurzem einen offenen Brief an den Bundeskanzler Scholz und den französischen Präsidenten Macron geschrieben. Es folgt Auszüge dieses Briefes im Wortlaut, nachzulesen in der Frankfurter Rundschau vom 04.05.2023:
Wir fordern Bundeskanzler Scholz und Staatspräsident Macron auf, gemeinsam nach Moskau und Washington zu reisen, um konkrete Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Ukrainekonflikts einzuleiten. Wir sprechen im Namen der schweigenden Mehrheit der Menschen Deutschlands und Frankreichs, die Verhandlungen und Frieden will.
In Deutschland widerspricht die diplomatische Untätigkeit der Ampel der Präambel unseres Grundgesetzes, die von allen Politikern fordert, „dem Frieden der Welt zu dienen“ und nicht dem Krieg. Die Ukrainepolitik der Ampel steht in klarem Widerspruch zum Friedensgebot und zum Geist unseres Grundgesetzes.
Ziel der Initiative von Scholz und Macron muss es sein, eine Friedenslösung zu finden, die sowohl die Sicherheitsinteressen der Ukraine als auch die Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigt.
Frankreich und Deutschland haben als europäische Führungsmächte eine besondere Verantwortung für den Frieden in Europa. Das gilt selbst dann, wenn die USA im Ukrainekonflikt möglicherweise auch andere Ziele verfolgen als die Europäer. Deutschland und Frankreich müssen ihre eigenen nationalen und europäischen Interessen vertreten und nicht in erster Linie die Interessen USA.
Niemand behauptet, dass Frieden mit Russland leicht ist. Aber er ist möglich.
So wie nach dem 2. Weltkrieg die fast undenkbare Aussöhnung zwischen den jahrhundertelangen Todfeinden Frankreich und Deutschland möglich war. Weil es mutige und weitsichtige Politiker gab wie Adenauer und de Gaulle.
Dasselbe galt für die Aussöhnung Deutschlands mit der Sowjetunion. Unser Land hat im 2. Weltkrieg 27 Millionen Sowjetbürger – darunter Millionen Russen und Ukrainer – getötet. Trotzdem haben verantwortungsbewusste Politiker wie Brandt in den siebziger Jahren durch intensive Verhandlungen erreicht, dass die Sowjetunion Deutschland die Hand zu Versöhnung reichte.
Was damals möglich war, ist auch heute möglich. Und nötig. Zu viele Ukrainer und Russen sind in diesem Krieg bereits gefallen. Täglich werden Menschen Opfer der Bombenangriffe, die Ukraine wird in immer größerem Umfang zerstört. Wir müssen dieses Blutvergießen so schnell wie möglich stoppen.
Ihre Aufgabe, Herr Bundeskanzler und auch Ihre, Herr Staatspräsident, heißt Frieden und nicht Krieg. Frieden jetzt, nicht irgendwann! Ohne Russland und ohne eine Politik der Vereinigten Staaten, die auch den Sicherheitsinteressen Russlands Rechnung trägt, wird es in Europa keinen dauerhaften Frieden geben.
Soweit der offene Brief im Wortlaut. Die weiteren Gedanken stammen dann wieder von mir.
Besteht überhaupt noch Hoffnung für den Frieden?
Es gibt durchaus Entwicklungen, die ein wenig Hoffnung machen können.
- So haben der chinesische Staatspräsiden Xi Jinping und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski ein längeres Telefonat geführt. Immerhin äußerte sich Selenski über dieses Gespräch nicht nur negativ. China und Brasilien planen anscheinend gemeinsam eine Initiative zur diplomatischen Beilegung des Krieges in der Ukraine. Anscheinend werden auch noch im Laufe diesen Jahres hochrangige Gespräche zwischen China und der Ukraine angepeilt. Was daraus wird, können wir natürlich derzeit nicht einschätzen.
- Laut schwankenden Umfragen scheint es aber dennoch so zu sein, dass ein großer Anteil der Bevölkerung in Deutschland sich eine möglichst schnelle Beendigung des Krieges in der Ukraine wünscht. Die insbesondere von den Grünen gewünschte Kriegsbegeisterung der Deutschen ist Gott sei Dank doch eher gering. Um aus dieser Stimmungslage auch politischen Druck zu erzeugen, ist es wichtig, dass all diese Menschen auch bereit sind, dafür auf die Straße zu gehen. Die Auftritte der traditionellen Friedensbewegung, etwa bei den letzten Ostermärschen, waren doch eher klein. Die größte Kundgebung für den Frieden haben in Berlin Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht mit ihrem Manifest für Frieden Die Forderungen haben mittlerweile mehr als 790.000 Menschen unterzeichnet. Aber natürlich, das ist noch lange nicht ausreichend, um tatsächlich Druck auf unsere Regierung auszuüben. Um zu tatsächlichen Großdemonstrationen zu kommen, bedarf es auch klarer Forderungen der gesamten Friedensbewegung, z.B.:
- Ein sofortiger Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine, insbesondere von schweren Waffen.
- Die Bundesregierung muss mit aller Macht für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine eintreten und anschließende ernsthaften Friedensverhandlungen.
- Die immer weitere Ausweitung von Sanktionen gegen Russland muss beendet werden. Sie haben nachweislich keinen Frieden geschaffen, dafür aber die Wirtschaft von Deutschland immens geschädigt (laut Prognosen scheinen die Wirtschaftsaussichten für Russland mittlerweile besser als die für Deutschland zu sein, laut n-tv.de).
- Die Bundesregierung muss sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Sprengungen der Pipelines Nord Stream 1 und 2 endlich aufgeklärt werden.
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, z.B. im Sudan. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Ich lese ein Gedicht von Erhard Blanck
Krieg,
du grauenvollste Tat
des Menschen, du Untat.
Auf beiden Seiten, raubst
dem Vater seinen Sohn, glaubst,
das Vaterland zu verteidigen.
Du tötest den Müttern die Söhne,
ermordest den Frauen den Gatten,
entreißt den Kindern die Väter.
Trennst für immer die Liebenden,
die sich erst gefunden hatten.
Nimmst Freunden ihre Freunde,
zertrampelst in Minuten, was
Jahrhunderte geschaffen
und aufgebaut, das
Generationen hüteten.
Zerteilst das Glück der Einzelnen, um
ihren Körper zu zerstückeln. Lässt
Veteranen überleben, und
Verstümmelte zurück an Leib und Seele,
auf dass sie dich verfluchen.
Hinterlässt Trümmer nur und Haufen,
Krüppel, die in bitterer Armut vegetieren, und
entstehst doch immer wieder neu,
als gäbst du ein Versprechen.
Dabei bist du – das schlimmste der Verbrechen.
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- vom 19. – 21. Mai wird in Hiroshima der G7 Gipfel stattfinden. Das ist ein historisches Ereignis, denn zum ersten Mal werden sich Staatsoberhäupter aus Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien und den USA sowie hochrangige Vertreter der Europäischen Union gemeinsam in Hiroshima treffen. Die Friedensorganisation ICAN will darauf hinwirken, dass bei diesem Treffen das Thema atomare Abrüstung zur Sprache kommen wird. Sie hat daher am 5. Mai einen Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz geschrieben. Wir wollen diesen bei der nächsten Mahnwache vorlesen.
- Die Friedensorganisation ICAN lädt außerdem alle dazu ein, aktiv mitzuwirken. Es wurde ein Anschreiben entworfen, das man an alle Abgeordneten schicken kann, welche die ICAN-Abgeordnetenerklärung für den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet haben. Im Rems-Murr-Kreis sind das Petra Häffner, Swantje Sperling und Ralf Nentwich (die Grünen) sowie Gernot Gruber (SPD). In dem Anschreiben werden die Abgeordneten gebeten, ein Statement für atomare Abrüstung abzugeben. Wenn Sie sich beteiligen möchten, können Sie gerne Ihre Mailadresse bei mir hinterlassen. Ich schicke Ihnen dann das Anschreiben und die Mailadressen der Abgeordneten.
- Am Freitag, den 2. Juni wollen wir uns nach der Mahnwache in der Manufaktur treffen, um uns über die Zukunft der Mahnwache abzusprechen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
- Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, den 19.05. um 18.00 Uhr wieder hier auf dem Mittleren Marktplatz.
- Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander. Wir wünschen Ihnen dann einen guten Nachhauseweg.