Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.
Uwe:
Guten Abend, ich begrüße Sie, ich begrüße euch, im Namen der Friedensinitiative Schorndorf, zu unserer 102. Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden.
In der vergangenen Woche waren es zwei Nachrichten oder Berichte in den Medien, welche ich mit Bestürzung und Sorge aufgenommen habe. Zum Beginn der Woche wurde berichtet, dass ein Kinderkrankenhaus in der Ukraine von einer Rakete getroffen und zum Teil zerstört wurde.
Von westlicher Seite wurde unmittelbar nach diesem katastrophalen Ereignis behauptet, dass dieser aggressive Akt von der russischen Seite ausging. Nach Verlautbarungen aus Moskau sollen es fehlgeleitete ukrainische Flugkörper-Abwehrraketen gewesen sein, welche für die Zerstörung des Krankenhauses verantwortlich seien. Der US-amerikanische Politiker und Gouverneur Hiram Warren Johnson formulierte Mitte des 19. Jahrhunderts: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“. Bezüglich des soeben angeführten Ereignisses werden wir wahrscheinlich niemals erfahren, wer für diesen verbrecherischen Akt letztlich verantwortlich ist. Eine genauere Untersuchung wird auch deshalb schwierig sein, weil die ukrainische Seite, laut der Internetplattform „Global Bridge“, Untersuchungen unparteiischer Ermittler kategorisch ablehnen würde.
Aber ganz gleich, welcher Seite die Schuld gegeben werden kann, oder welche Seite schuldig ist, wird wieder einmal deutlich, dass Krieg alle Normen menschlichen Zusammenlebens überschreitet, und dass unbedingt anstatt Säbelrasseln Diplomatie erforderlich ist, mit deren Hilfe das sinnlose gegenseitige Morden beendet werden muss.
Am Montag, 8.Juli war in den Schorndorfer Nachrichten ein Interview mit dem 3-Sterne Luftwaffengeneral Steven Basham der US-Armee zu lesen. Die Überschrift zu diesem Talk lautete: „Wir stehen so nah vor einem Krieg wie lange nicht“. Diese Ansicht vertritt, laut Global Bridge, auch der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, welcher meint, dass die Weltkriegsgefahr gegenwärtig sehr viel höher wäre als sie es bei der Cuba Krise im Jahr 1962 war.
Allerdings ziehen beide Generäle höchst unterschiedliche Schlüsse aus der Erkenntnis dieser augenblicklich höchst gefährlichen Situation.
Während US-General Basham mehr oder weniger fordert, dass die Ukraine unbedingt den Krieg gewinnen müsse, Zitat: „Wir sind in der Lage, Russland (in der Ukraine) abzuschrecken, und uns zu verteidigen, und sollte es sich nicht abschrecken lassen, nötigenfalls zu besiegen.. ( ….. ) Wir sollten deshalb jede Minute, jede Stunde und jeden Tag nutzen, die Fähigkeiten und Kapazitäten des Bündnisses zu erhöhen“. Die Kernaussage des Generals ist, dass die NATO-Staaten weiterhin aufrüsten müssten, weil: Zitat: “Die Mobilisierung und der Aufbau der Rüstungsindustrie verraten, dass Russland nicht nur die Ukraine gewinnen will (…)“. Nach dieser Ansicht wird Russland Nachbarstaaten zu erobern versuchen, wenn der Krieg in der Ukraine siegreich beendet werden kann.
Zu den Kosten der Aufrüstung von Russland und der NATO-Staaten lohnt es sich zu recherchieren, wer da die Nase vorn hat. Laut der Internet-Plattform Statista beliefen sich 2023 die Rüstungsausgaben Russlands auf 109 Milliarden Dollar, die der NATO-Staaten zusammen auf 1.024 Milliarden Dollar. Das heißt, dass die Ausgaben der NATO-Staaten für Kriegsgüter 10 mal so hoch sind, wie die Russlands.
Bei diesem großen Unterschied zu Gunsten der NATO, geht es nach meiner Ansicht nicht mehr darum, unbedingt noch mehr Geld für Rüstungsgüter zu fordern, als vielmehr darum, die Zivilgesellschaft für die Militarisierung der Öffentlichkeit zu gewinnen.
Wie bekannt, haben die USA und in deren Gefolge auch Deutschland bezüglich der Lieferungen von Kriegsgerät an die Ukraine während der letzten Wochen ihre Strategie gewechselt. Durften gelieferte Flugwaffen bislang nur innerhalb der Ukraine gegen die russischen Angreifer eingesetzt werden, dürfen sie nun auch mit Zielrichtung Russland aktiviert werden. Hierzu wurde vorgestern in den SWR-Kultur Nachrichten berichtet, dass der Chef der Sicherheitskonferenz Heusgen gefordert hat, dass die NATO-Staaten ihre Zurückhaltung aufgeben müssten und der ukrainischen Armee erlauben, mit den gelieferten Waffen auch Ziele in Russland anzugreifen.
General a.D.Kujat meinte, dass diese gefährlichen Entwicklung fatale Folgen haben könnte. Zitat: „Während die USA in kleinen kontrollierten Schritten versuchen, das Risiko des Gegners zu vergrößern, um das eigene Risiko zu minimieren, ist Russlands Toleranzschwelle hoch. Aber es ist nicht klar, wann eine Eskalation diese überschreitet. Dann erfolgt jedoch eine schnelle und sehr harte Gegenreaktion. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass Russland in nicht allzu ferner Zukunft scheinbar unprovoziert und aus heiterem Himmel mit einem Eskalationsschlag auf erheblich höherem Niveau reagieren könnte“.
Zudem wurde heute in verschieden Medien berichtet, einmal dass in dem US-Stützpunkt Rammstein in der Pfalz zukünftig die militärische Ukraine-Hilfe der NATO unter der Führung Deutschlands koordiniert werden soll. Und eine weitere Meldung des Tages war, dass die USA ab 2026 in der Nähe von Wiesbaden weitreichende Hyperschall-Raketen und die Marschflugkörper Tomahawk stationieren würden. Mit diesen Waffen können viele Städte und Gebiete in Russland erreicht werden. Dies wurde umgehend von russischer Seite „als existenzielle Gefährdung russischer Sicherheitsinteressen“ bezeichnet. Und „Russland würde auf eine solche Stationierung militärisch“ reagieren!
Sollte die von allen Akteuren gegenwärtig verfolgte Eskalationsstrategie sich bruchlos fortsetzen und im letzten Moment nicht doch noch die Diplomatie die Oberhand gewinnen, dann ist die Gefahr, dass der Krieg zumindest auf andere europäische Staaten übergreifen oder gar zu einer direkten Konfrontation zwischen den beiden atomaren Supermächten führen wird, extrem groß.
Deshalb meint General a.D. Kujat, wie zuvor angeführt, dass die gegenwärtige Situation der Konfrontation hochgradig gefährlich wäre.
Die gesamte westliche Aufrüstungs- und Kriegsertüchtigungs-Rabulistik basiert auf der Behauptung, dass Russland „in unglaublicher Weise aufgerüstet hätte“, wie unser Bundeskanzler nicht müde wird, immer wieder zu betonen, dass, wenn die Ukraine besiegt wäre, das nächste Nachbarland angegriffen werde würde. Handfeste Beweise für diese Argumentation gibt es allerdings nicht. Und bezüglich der massiven Aufrüstung Russlands habe ich am Anfang meines Redebeitrags ausgeführt, wer bei dem Aufrüsten die Nase vorne hat.
In einem Kommentar des US-Ökonomen Jeffrey Sachs, der vor einiger Zeit in der „Berliner Zeitung“ (online Ausgabe) erschienen ist, geht dieser auf dieses Narrativ ein. Sachs schreibt: „Der Krieg in der Ukraine ist der Höhepunkt eines 30-jährigen Projekts der amerikanischen neokonservativen Bewegung (Neocons). (…) Die Hauptbotschaft der Neocons lautet, dass die USA in jeder Region der Welt die militärische Vormachtstellung innehaben und den aufstrebenden regionalen Mächten entgegentreten müsse, die eine Tages die globale oder regionale Vorherrschaft der USA herausfordern könnten, vor allem Russland und China. ( … )
Ein namhafter Vertreter diese Ansatzes ist Paul Wolfowitz. Dieser Paul Wolfowitz plädiert für amerikanische Kriege nach Gutdünken und verteidigt das Recht der USA, bei Krisen, die für die USA von Belang sind, unabhängig und sogar allein zu handeln. Die Ansichten der Neocons beruhen auf der falschen Annahme, dass die USA aufgrund ihrer militärischen, finanziellen und technologischen und wirtschaftlichen Überlegenheit in der Lage sind, die Bedingungen in allen Regionen der Welt zu diktieren.
Diese Position ist sowohl von bemerkenswerter Hybris (= Selbstüberhebung, Vermessenheit), als auch von bemerkenswerter Geringschätzung von Beweisen geprägt. Seit den 1950 -er Jahren wurden die USA in fast jedem regionalen Konflikt, an dem sie beteiligt waren, in die Schranken gewiesen oder sogar besiegt. Doch in der „Schlacht um die Ukraine“ waren die Neocons bereit, eine militärische Konfrontation mit Russland zu provozieren, indem sie die NATO gegen die vehementen Einwände Russlands erweitern, weil sie der festen Überzeugung sind, dass Russland durch die finanziellen Sanktionen und die Waffen der NATO besiegt werden wird.
Die Erfolgsbilanz der Neocons ist ein einziges Desaster, und doch hat Biden sein Team mit ihnen besetzt. Infolgedessen steuert Biden die Ukraine, die USA und die Europäische Union in ein weiteres geopolitisches Debakel.
Angesichts dieser äußerst bedrohlichen Situation hoffe ich sehr, dass viele Menschen sich dieser bewusst werden und endlich, ähnlich wie 1983, auf die Straße gehen, um massenhaft eine andere Politik als die gegenwärtige zu fordern.
Wie auch anders auf militärische Bedrohung reagiert werden kann, hat der Friedenspädagoge Theodor Ziegler uns am 4. diese Monats mit dem Konzept: „Sicherheit neu denken“ aufgezeigt.
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, in Israel und im Gazastreifen, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Ich lese aus den Meditationen zu den zehn Geboten von Dorothee Sölle:
Das fünfte Gebot sagt mir:
Du sollst dich nicht am Töten beteiligen.
Du sollst deine Kinder nicht zum Töten erziehen.
Du sollst das Töten nicht mit vorbereiten
in Gedanken, Worten und Steuern.
Du sollst die Mittel zum Töten nicht erforschen,
herstellen, verbessern und verkaufen.
Du sollst nicht niederknien vor der Gewalt,
sondern niederknien vor dem Gott des Lebens
und den aufrechten Gang lernen.
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- Das Netzwerk Friedenskooperative startet eine neuen Kampagne für ein Ende des Ukraine-Kriegs. Ab dem August wird an vier aufeinanderfolgenden Samstagen über deutschen Großstädten ein Flugzeugbanner – 20 x 6 m – mit folgendem Schriftzug zu sehen sein: „Ukraine-Krieg stoppen, Frieden-verhandeln“ Am 7. September wird das Flugzeug 3 Stunden lang über Stuttgart fliegen. Viele Tausend Menschen werden in den Städten die Botschaft auf dem Banner lesen, und die Bilder werden ihren Weg in die Sozialen Netzwerke und die Presse finden. Es wird auch eine Postkartenaktion dazu geben. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Friedenskooperative: www.friedenskooperative.de.
- Letzten Freitag hatten wir um eine Spende an die Firma Schmidt gebeten, die uns nun schon seit 2 ½ Jahren diese Mikrofonanlage kostenlos zur Verfügung stellt. Wer letztes Mal nicht da war, kann gerne noch etwas in das Glas in der Mitte legen.
- Unsere nächste Mahnwache ist heute in einer Woche, dem 19.07. um 18.00 Uhr, wieder auf dem Marktplatz. Es ist die letzte Mahnwache vor den Sommerferien. Daher schlagen wir vor, dass wir uns anschließend noch im Garten der Manufaktur zum Austausch treffen.
- Wie jedes Jahr seit 2019 werden wir wieder eine Mahnwache zu den Hiroshima und Nagasaki Gedenktagen durchführen. Der Nagasaki-Gedenktag am 9. August fällt auf einen Freitag. Daher haben wir uns für diesen Tag entschieden, wie immer um 18.00 Uhr auf dem Marktplatz. Es wäre schön, wenn verschiedene Menschen etwas beitragen könnten: z.B. einen Redebeitrag, einen Text, ein Gedicht, usw. Bitte meldet euch einfach bei uns.