Mahnwache vom 19.05.2023

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 53. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die  gekommen sind.

Wir stehen heute wieder bei der Mahnwache, weil der Krieg in der Ukraine sich weiter zuspitzt und weil uns das große Sorgen macht. Die sogenannte ukrainische Frühjahrsoffensive scheint kurz bevorzustehen. In den Medien versucht man uns davon zu überzeugen, dass eine militärische Niederlage der russischen Truppen nur noch eine Frage der Zeit ist. Wir hören Meldungen über Geländegewinne ukrainischer Truppen im Osten der Ukraine, Meldungen über die Unterlegenheit russischer Waffensysteme, Meldungen über die schwache Stellung Putins in seinem Land. Niemand weiß, ob solche Meldungen wahr sind oder nicht. Sie sollen jedenfalls Zweifel an der weiteren massiven Aufrüstung der Ukraine durch den Westen und Zweifel am ukrainischen Sieg zerstreuen.

Gleichzeitig hören wir, dass Präsident Putin zunehmend ukrainische Städte im ganzen Land mit Raketen und Drohnen angreifen lässt. Die Vermutung liegt nahe, dass er sich auf diese Weise gegen die Überlegenheit der ukrainischen Truppen wehren will, dass er sich für  militärische Erfolge der Ukraine rächen will, dass er bewusst Zivilisten angreifen lässt, um seine Macht zu demonstrieren. Die Sorge wächst, dass er zu noch schlimmeren Mitteln greifen könnte, falls er sich noch mehr in die Enge getrieben oder blamiert fühlt. Würde er eine militärische Niederlage einfach hinnehmen? Die Angst, Putin könnte Atomwaffen einsetzen, ist nicht unbegründet, auch wenn sie von unseren Politikern und Medien totgeschwiegen wird.

Ich weiß, dass viele jetzt sagen werden: „Ja, sollen wir denn die Menschen in der Ukraine einfach ihrem Schicksal überlassen? Sollen sie denn vor Putin kapitulieren?“ Ich sage: Nein, darum geht es nicht. Aber unser wichtigstes Ziel sollte es sein, dass nicht noch mehr Menschen getötet werden, dass es nicht zur ganz großen Katastrophe kommt, dass  endlich  eine diplomatische Offensive für einen Waffenstillstand ergriffen wird. Psychologen wissen, wie man mit Gewalttätern reden muss, um sie von einer Kurzschlusshandlung abzuhalten. Es geht doch nicht darum, das Handeln der Gewalttäter gut zu finden. Aber es geht darum, sie nicht weiter zu provozieren, um die Gewalt zu stoppen.

Heute begann in Hiroshima das Treffen der G7-Staaten. Zu besseren Zeiten gab es schon einige Treffen der G8-Staaten. Leider ist das Vergangenheit. Man redet nicht mehr mit Russland. Dies ist zwar verständlich, weil Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt, aber es ist nicht weiterführend. Gerade das Thema Atomwaffen macht es dringend notwendig, endlich wieder miteinander zu reden, um die Atomkriegsgefahr zu bannen und um neue nukleare Abrüstungsverträge abzuschließen.

Bundeskanzler Scholz sagte gestern bei seinem Eintreffen in Hiroshima, dieses Treffen müsse auch der nuklearen Abrüstung dienen. Gleichzeitig forderte er aber eine härtere Gangart gegenüber Russland. Wie passt das zusammen? Heute früh haben die Teilnehmer zu Beginn ihres Treffens der Atombombenopfer von Hiroshima gedacht. Gleich anschließend haben sie betont, ihr Treffen habe das Ziel, ihr Vorgehen gegen Russland und China abzustimmen. Die Botschaft lautet: Wer für Frieden ist, muss militärisch und wirtschaftlich gegen Russland vorgehen und auch den Ton gegenüber China zunehmend verschärfen. Ich finde diese Botschaft zutiefst verstörend. Und: sie missbraucht in meinen Augen die Atombombenopfer.

Gut, dass es auch noch andere Stimmen gibt. Die internationale Zivilgesellschaft arbeitet seit Wochen daran, Einfluss auf den G7 Gipfel  zu nehmen. Am 8.Mai fand im Bundestag eine öffentliche Anhörung dazu statt. Dr. Angelika Claußen von der Organisation IPPNW forderte: “Der G7-Gipfel in Hiroshima muss ein starkes Zeichen für nukleare Abrüstung setzen”.  Xanthe Hall, Vorstandsmitglied bei ICAN, sagte: „Die Doppelmoral der Bundesregierung ist schon schlimm genug. Aber hier geht es um Massenvernichtungswaffen, die Millionen Menschen bedrohen. Nukleare Teilhabe steigert das Risiko einer atomaren Eskalation, egal, ob es sich um US-amerikanische oder russische Atomwaffen handelt.” Die Friedens- organisation ICAN  hat zusammen mit 24 weiteren Friedensorganisationen am 3. Mai einen Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz geschrieben. Diesen möchte ich zum Schluss vorlesen:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

vom 19. bis 21. Mai 2023 werden Sie Deutschland beim Treffen der G7-Staaten an einem historisch bedeutsamen Ort vertreten: Auf Hiroshima wurde am 6. August 1945 die erste Atombombe der Menschheitsgeschichte abgeworfen. Sicherlich wird ein Gedenken an die Opfer zum Programm des Gipfels gehören. In einer Zeit nuklearer Drohungen, der angekündigten Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus, der Aufkündigung von Rüstungskontrollabkommen und der weltweiten Aufrüstung der Arsenale aller Atomwaffenstaaten ist es wichtig, dass der G7-Gipfel ein starkes Zeichen für nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung setzt. Alle Staats- und Regierungschef*innen von sieben der bedeutendsten Industrienationen der Welt stehen  in der Verantwortung, eine Lösung für die nukleare Bedrohung zu finden! Wir fordern Sie auf, Ihrer Verantwortung an diesem symbolträchtigen Ort gerecht zu werden. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Abschlusserklärung des Gipfels von Hiroshima folgende Punkte beinhaltet:

    • Stellen Sie als G7 unmissverständlich klar, dass der Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen unzulässig sind.
    • Erkennen Sie die furchtbaren humanitären Konsequenzen für Mensch und Umwelt an, die durch Tests und Einsätze von Atomwaffen entstehen.
    • Vereinbaren Sie konkrete Programme zur Kompensation des bereits entstandenen Leids.
    • Drängen Sie darauf, jede Stationierung von Atomwaffen auf dem Territorium anderer Staaten zu beenden.
    • Machen Sie den G7-Gipfel in Hiroshima zum Startpunkt für neue Abrüstungsverhandlungen und eine deutliche Reduktion der Rolle von Atomwaffen in Ihren Sicherheitsstrategien.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, als deutsche ICAN-Partnerorganisationen bitten wir Sie dringend, sich im Sinne unseres gemeinsamen Zieles einer atomwaffenfreien Welt für diese Forderungen einzusetzen.

Der UN-Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) ist das zentrale völkerrechtliche Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Wir erwarten, dass Ihre Regierung auch die zweite Vertrags-Staatenkonferenz im November 2023 als Beobachter begleitet und weitere Schritte auf dem Weg zu einem deutschen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag geht.

Mit freundlichen Grüßen

ICAN Deutschland und weitere 24 Friedensorganisationen, z.B. Ohne Rüstung Leben, Friedenswerkstatt Mutlangen, Internationaler Versöhnungsbund, IPPNW, Netzwerk Friedenskooperative usw.

Möge dieser Brief Wirkung zeigen.

Uwe:

Ich lade Sie nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen.

Wir gedenken dabei all der Menschen, die durch bewaffnete Konflikte ihr Leben verloren haben oder verletzt wurden. Und all jener, die vor Gewalt oder klimabedingt  fliehen müssen und sich auf der Flucht befinden. Wir gedenken der geschundenen Natur und der durch uns Menschen verursachten Katastrophen. Und wir gedenken derer, die sich weltweit aktiv für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage und gegen Krieg und Gewalt einsetzen.

Uwe:

Merkt auf ihr Völker alle, hört was ich sage jetzt.
Durch der Reden Widerhalle, durch der leeren Worte Schwalle
werdet ihr zum Krieg gehetzt.

Habt ihr alle schon vergessen, welcher Strom des Blutes floss,
als vom Völkerhass besessen, ihr euch habt im Mord gemessen,
mit des Lebens Weggenoss.

Könnt ihr euch denn nicht entsinnen an den Hunger an die Not,
als den Krieg ihn zu gewinnen, ihr nur fand den bittren Tod?

Nun so wird es wieder werden, wenn ihr euch nicht Klarheit schafft.
Wenn ihr Ruhe wollt auf Erden, müsst ihr anders euch gebärden,
als vergeuden so die Kraft.

Lasst Vergangenheit euch nützen, dass die Zukunft besser sei.
Ihr müsst Frieden halten und ihn schützen, dann erst werdet ihr besitzen,
echte Freundschaft, wahre Treu.

Gedicht, das der 1919 in Wien geborene Walter Grab, der ein bedeutender israelischer Historiker wurde, als 17-jähriger 1936 geschrieben hat. Es wurde von seiner Enkelin Shelly Kupferberg in ihrem Bestseller mit dem Titel „Isidor – Ein jüdisches Leben“ 2022 veröffentlicht.

Uwe:

Zum Schluss unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg möchte ich Ihnen noch die Gelegenheit geben,   den Appell des „Forums Ziviler Friedensdienst“ an Bundeskanzler Olaf Scholz mit Ihrer Unterschrift zu unterstützen.

Ich lese nun den Wortlaut des Appells vor:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

vor einem Jahr haben Sie eine sicherheitspolitische Zeitenwende ausgerufen und ein 100 Milliarden Euro großes Aufrüstungsprogramm auf den Weg gebracht.

Heute fordern wir Sie auf: Leiten Sie eine Friedenswende ein!

  • Beenden Sie die Aufrüstungsspirale und starten Sie eine internationale Abrüstungsinitiative.
  • Setzen Sie sich für mehr Kooperation der Staatengemeinschaft ein, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen und allen Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen.
  • Stärken Sie Deutschlands zivile Friedensfähigkeit. Bauen Sie zivile Krisenprävention und Friedensförderung aus.

 

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