Doris
Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 31. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank an alle, die gekommen sind. Wir stehen heute zum ersten Mal hier beim Mondscheinbrunnen, da auf dem Marktplatz bereits die Stände für den Weihnachtsmarkt aufgebaut sind. Wir müssen uns zunächst ein wenig an diesen Ort gewöhnen. Wir haben weniger Platz und müssen enger stehen als gewohnt. Außerdem bittet das Ordnungamt darum, dass die Durchgänge auf beiden Seiten für Passanten frei bleiben, und dass wir zu den Tischen des Cafes ein wenig Abstand halten. Bitten achten Sie alle darauf. Es wird natürlich während des Weihnachtsmarktes nicht so still sein, wie wir es gewohnt sind. Aber es ist ja auch gut, wenn wir von mehr Menschen wahrgenommen werden.
Ja, der Weihnachtsmarkt wird am Sonntag beginnen. Viele freuen sich nach den Corona-bedingten Einschränkungen wieder darauf. Andere können weniger damit anfangen. Es ist jedenfalls schon ein bedrückender Kontrast: hier Weihnachtsmarkt – da Krieg. Auch wenn Kriege ja schon immer waren. Sie ließen sich vielleicht früher besser verdrängen.
Wir sind heute wieder zusammengekommen, weil wir erneut mit vielerlei Nachrichten konfrontiert worden sind. Es gibt viele schlechte Nachrichten, wenige gute Nachrichten, wahre und unwahre Nachrichten.
Die schlechten Nachrichten nehmen uns manchmal den Atem, weil es allzu viele sind. Ich will jetzt auch gar nicht ausführlich über alle sprechen, sondern nur einige benennen:
- Der russische Präsident lässt weiter die Infrastruktur ukrainischer Städte bombardieren mit dem Ziel, die Energieversorgung lahmzulegen. Das bedeutet für die ukrainische Bevölkerung, dass sie nicht weiß, wie sie den kommenden Winter überstehen soll. Selbst wenn ihre Häuser nicht von Bomben getroffen werden, werden sich daher weitere Tausende auf die Flucht begeben müssen.
- Der ukrainische Präsident weigert sich weiterhin, mit Russland über einen Waffenstillstand zu verhandeln.
- Der türkische Präsident lässt Stellungen in Nordsyrien und im Nordirak bombardieren und plant einen Einmarsch in diese Gebiete. Auch das ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
- Der Präsident Nordkoreas provoziert weiter durch Raketentests.
- Der iranische Präsident lässt weiter auf friedlich demonstrierende Menschen schießen und Hunderte verhaften.
- Schweden und Finnland zeigen sich offen für die Stationierung von Atomwaffen und in Deutschland sollen schon im Dezember die „modernisierten“ amerikanischen Atombomben im Rahmen der nuklearen Teilhabe stationiert werden. Das bedeutet eine neue Eskalationsstufe in der atomaren Aufrüstung.
- Die Weltklimakonferenz ist ohne ein nennenswertes Ergebnis zu Ende gegangen. Welch eine Hypothek für die kommenden Generationen!
Die guten Nachrichten sind weitaus seltener und manchmal nur schwer zu finden:
- am 5. November sind mehr als 100.000 Menschen in Rom für Frieden in der Ukraine und einen sofortigen Waffenstillstand auf die Straße gegangen.
- Die G20 Staaten haben in der Abschlusserklärung ihres Gipfels in Indonesien den Einsatz und die Drohung mit Atomwaffen als “unzulässig”erklärt. Zum ersten Mal wurde somit Atomwaffen in diesem Gremium die Legitimität abgesprochen, auch von den sechs Atomwaffenstaaten USA, Großbritannien, Frankreich, Indien, China und Russland. Ich möchte so gerne daran glauben, dass diese Erklärung nicht nur auf dem Papier steht, sondern Konsequenzen hat.
Bei vielen Nachrichten fragen wir uns: sind sie wahr? Sind sie unwahr?
- Die Nachricht, dass Russland mit Raketen Polen angegriffen habe, hat sich Gott sei Dank als falsch herausgestellt. Trotzdem hätte diese Nachricht beinahe zu furchtbaren Konsequenzen geführt.
- Die Nachricht, dass Russland erneut das ukrainische Atomkraftwerk Saporisja mit Raketen beschossen hat und dass laut dem Chef der Internationalen Atomenergiebehörde nur knapp eine atomare Katastrophe verhindert worden ist, lässt uns erschaudern. Aber waren es wirklich russische Raketen, oder vielleicht doch ukrainische? Wir wissen es nicht und werden es wahrscheinlich auch nicht erfahren.
- Wer hat die Sabotageakte an den Gaspipelines begangen? Auch hier ist die Wahrheit noch nicht ans Licht gekommen.
- Oftmals hören oder lesen wir den Satz: „diese Meldung kann nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden“. Mag sein, dass in den Kriegswirren die Wahrheit oft nicht herausgefunden werden kann. Manchmal wird jedoch auch bewusst gelogen, um den jeweiligen Gegner zu diffamieren. Auch Lügen verbreiten sich schnell.
Angesichts all der Nachrichten, die auf uns einströmen, sind wir oft verzweifelt. Gibt es denn wirklich keine Gegenbewegung, keine andere Position, keine Hoffnung? Ich möchte nun noch einige ermutigende Nachrichten aus der Friedensbewegung erwähnen, die natürlich nicht in den öffentlichen Medien zu finden sind:
- Am vergangenen Samstag fanden in 26 deutschen Städten Kundgebungen und Demonstrationen statt im Rahmen des bundesweiten Aktionstags mit dem Motto „Stoppt das Töten in der Ukraine – Aufrüstung ist nicht die Lösung“. Und am vergangenen Montag gab es hier bei uns in der Manufaktur einen sehr gut besuchten und äußerst fundierten Vortrag von Andreas Zumach zum Thema Ukraine.
- Aktuell wird von der Organisation ICAN ein Offener Brief an alle Bundestagsabgeordneten vorbereitet, in dem auf die humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen hingewiesen wird und in dem die Drohung des Einsatzes, insbesondere des Ersteinsatzes von Atomwaffen verurteilt wird.
- Von der Organisation Ohne Rüstung Leben gibt es eine neue Postkartenaktion „Raus aus dem nuklearen Wahnsinn!“ Es gibt zwei Versionen – eine an Bundeskanzler Scholz und eine an Außenministerin Baerbock. Sie liegen hier bei unserem Transparent aus. Bitte nehmen Sie Postkarten zum Abschicken und auch zum Weitergeben mit, sowie das Informationblatt „Atomare Abrüstung“.
- Einige Pfarrerinnen und Pfarrer aus der evangelischen Landeskirche in Württemberg haben eine Erklärung gegen Waffenlieferungen und Aufrüstung veröffentlicht. Sie unterstützen darin die Position des Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Friedrich Kramer. Sie rufen auf, als Christinnen und Christen nicht der Logig und Ideologie des Krieges zu verfallen und haben ihre Forderungen in 10 Punkten zusammengefasst. Den Text findet man auf der Website des Friedenspfarramts der Württembergischen Landeskirche und kann ihn dort auch unterzeichnen: friedenspfarramt.elk-wue.de.
- Schon oft habe ich mich gefragt, ob es auch in der Ukraine Menschen gibt, die sich gegen den Krieg einsetzen. Im neusten Heft des Pro Oekumene Informationsdiensts findet man eine „Erklärung der ukrainischen pazifistischen Bewegung“, angenommen auf dem Treffen am Internationalen Tag des Friedens am 21.09.22. Sie beginnt mit dem Satz: „Wir, die ukrainischen Pazifistinnen und Pazifisten, forden und engagieren uns für die Beendigung des Krieges mit friedlichen Mitteln und das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen…Die derzeitige Politik des Krieges bis zum absoluten Sieg ist inakzeptabel. Was wir brauchen, sind ein Waffenstillstand, Friedensgespräche und ernsthafte Bemühungen, die tragischen Fehler zu korrigieren, die auf beiden Seiten gemacht worden sind…“ Die Erklärung umfasst insgesamt 2 Seiten und ist sehr lesenswert. (lebenshaus-alb.de/magazin/014434.html). Wer Interesse am ganzen Text hat, kann mir das nachher sagen. Ich kann die Erklärung gerne per mail verschicken.
Es ist meine Hoffnung, dass all das Engagement für den Frieden in unserem Land und besonders in den Ländern, in denen das nur unter schwierigen Umständen möglich ist, nicht umsonst sein wird.
Uwe:
Einführung in das Schweigen
Uwe:
Hans Peter Kraus
Ein Soldat stirbt nicht
Ein Soldat stirbt nicht,
er wird nicht erschossen, nicht verbrannt, nicht zerquetscht.
Er krepiert nicht mit herausquellenden Augen und
weitaufgerissenem Mund nach Luft japsend.
Er endet nicht tierisch schreiend und
sich epileptisch am Boden wälzend als lebende Fackel.
Er versucht nicht, schwerverletzt und in Panik robbend
den alles zermalmenden Panzerketten zu entkommen.
Ein Soldat hat keine Angst, keine Schmerzen.
Ein Soldat stirbt nicht, er fällt.
Uwe:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, 02.12.22 um 18.00 Uhr. Wieder hier neben dem Mondscheinbrunnen bei der Stadtkirche. Bringen Sie gerne Plakate und Friedensfahnen mit, damit die Passanten erkennen, warum wir dort stehen.
- Jetzt ist noch Zeit für Gespräche untereinander.