Bild: privat
Doris:
Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die gekommen sind. Heute wird Heidrun Fetzer-Koch zu uns sprechen.
Heidrun:
Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
jede Woche werden wir mit haarsträubenden, zutiefst beängstigenden Nachrichten konfrontiert:
- Oberst a.D. und CDU-Politiker Roderich Kiesewetter will die Rüstungsindustrie „anwerfen“, russisches Vermögen für die Ukraine verwenden und angesichts der „Drohnen-Bedrohungen“ den Spannungsfall ausrufen. (Quellen: Spiegel und NDS)
- Mit Fackeln und Hurra-Chören, untermalt von düsterer „Der Herr der Ringe“-Musik präsentiert sich die Panzerbrigade 45 der Bundeswehr in Litauen in einem Video in den sozialen Medien: „Wir bauen hier gerade etwas auf, das Bestand haben wird“, hört man Inspekteur Christian Freuding in dem Video sagen. Die Brigade solle „kriegstüchtig“ ausgebildet werden und „siegen können, wenn es darauf ankommt“. LINK
Gleichzeitig wird viel und in verharmlosender Form für den Bundeswehrdienst geworben. In ihrer Tiktok-Kampagne bspw. präsentiert sich die Bundeswehr als Spielplatz für Abenteuerlustige, als Erlebnis in der Natur und als Ort für Technikbegeisterte.
Vergangene Woche erklärte Außenminister Lawrow – Außenminister der Russischen Föderation-, Moskau sei bereit, den Ländern der EU und der NATO völkerrechtlich verankerte Sicherheitsgarantien zu geben, diese Länder nicht anzugreifen. Warum hört man dazu nichts von der Bundesregierung und warum wird dies nicht breit in den Medien diskutiert?
Und wie kommt es, dass Millionen „gegen Rechts” mobilisierbar sind, aber nur ein paar zehntausend für Frieden, Abrüstung und Diplomatie?
…“Seit dem Jahr 2020 treibt die NATO eine neue Form der psychologischen Kriegsführung voran: die sogenannte «Kognitive Kriegsführung» («Cognitive Warfare»), die als die «fortschrittlichste Form der Manipulation» bezeichnet wird. Diese nimmt die Psyche jedes Menschen direkt ins Visier, mit einem ganz bestimmten Ziel: unseren Verstand wie einen Computer zu «hacken».
Das sagt Dr. Jonas Tögel, Amerikanist und Propagandaforscher.
In seinen Büchern „Kriegsspiele“ und „Kognitive Kriegsführung“ und in zahlreichen Vorträgen erläutert Dr. Jonas Tögel u.a. die Hintergründe, Entstehungsgeschichte und die Strategie der Kognitiven Kriegsführung. Westend-Verlag Vortrag Teil 1 und Teil 2. Sehr interessante Analyse auch hier.
Kriegspropaganda und psychologische Kriegsführung sind schon mehr als 100 Jahre Teil der Kriegsführung, nun werden aber modernste Manipulationstechniken in der sogenannten „Kognitiven Kriegsführung“, einem offiziellen Programm der NATO, verstärkt eingesetzt.
„ Die Bemühungen des Militärbündnisses gehen dabei so weit, dass der Mensch selbst als offizieller Kriegsschauplatz definiert wird und seine Gedanken und Gefühle ins Zentrum dieser neuartigen Form der Kriegsführung rücken.“
Im Internet konnte ich zu der NATO-Strategie einiges finden.
U.a. „Cognitive Domain: A Sixth Domain of Operations“, ein Papier zum „First NATO scientific meeting on Cognitive Warfare (France) 21 June 2021“.
A Sixth Domain of Operations kann man übersetzen als: Ein sechster Kriegsschauplatz.
Bisher wurden von der NATO als Kriegsschauplätze definiert: zu Wasser, zu Lande, in der Luft, im Weltall, sowie im Internet.
Die Empfehlung des Papiers: «„Human mind” (menschlicher Geist/ Verstand) should be NATO’s next domain of operations.»
In einem Papier des “Central Research Institute of the Armed Forces of Ukraine“: mit dem Titel: „Cognitive Warfare in the Modern Architecture of Hybrid Warfare“ */ also: „Kognitive Kriegsführung in der modernen Architektur hybrider Kriegsführung.“ wird u.a. ausgeführt (s.S.102.)/ ich übersetze:
(*Hinweis zum Link: den Text findet man auf der rechten Seite unter„Links“, dort „Fulltext“= pdf)
…“Die NATO hat das Konzept der kognitiven Kriegsführung entwickelt. Kognitive Kriegsführung konzentriert sich darauf, Rationalität anzugreifen und zu schwächen, was zur Ausnutzung von Schwachstellen und systematischer Schwächung führen kann. Kognitive Kriegsführung integriert Cyber-, Informations-, psychologische Fähigkeiten und Werkzeuge der sozialen Manipulation, um Einstellungen und Verhalten zu beeinflussen, das individuelle und kollektive Denken zu schützen oder zu stören, um einen Vorteil über den Feind zu erlangen und Einheit, Vertrauen sowie demokratische Werte zu zerstören.“
Hier wird auch ausgeführt, wer die Zielgruppe ist:
…„Somit umfasst die Zielgruppe, gegen die kognitive Einflussnahme ausgeübt wird, sowohl Bürger anderer Länder als auch die eigenen Staatsbürger. …“
Und weiter (s.S. 104):
„Kognitive Kriegsführung kann sowohl einzeln als auch in Kombination die folgenden Komponenten umfassen:
- Desinformation: Verbreitung falscher Informationen, um irrezuführen;
- Propaganda: systematische Verbreitung ideologischer Botschaften zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung;
- psychologische Operationen: Aktivitäten, die darauf abzielen, die Emotionen, Motive und Gedanken der Menschen zu beeinflussen;
- Cyberkriegsführung: die Nutzung von Computernetzwerken, um einen strategischen Vorteil zu erlangen.“
Interessanter Artikel dazu auch hier.
Tobias Riegel (Journalist und Autor) zeigt in einem Artikel zu Kiesewetter gut nachvollziehbar auf (NachDenkSeiten – „Kiesewetter will „Spannungsfall“ in Deutschland ausrufen“), wie das funktioniert mit der kognitiven Kriegsführung, am Beispiel der Drohnen-Sichtungen, ich zitiere aus dem Text:
…“ Der Weg für solche radikalen Forderungen (hier: Spannungsfall ausrufen) wurde in den letzten Monaten durch eine von vielen Medien und Politikern verfolgte „Strategie der Spannung“ geebnet: Neben weiteren Kampagnen vergeht etwa kaum ein Tag, an dem nicht in hysterischem Tonfall über Drohnen-Sichtungen, (angebliche) Luftraumverletzungen oder mutmaßliche Sabotageakte auf kritische Infrastruktur wie Stromversorgung oder Bahnstrecken berichtet wird.
«Charakteristisch für diese Art von „Berichterstattung“ sind unter anderem folgende Punkte: Die meist nicht seriös geklärte Urheberschaft …(dieser Vorkommnisse)… wird trotzdem tendenziell Russland unterstellt. Und nach einer umfangreichen Verdachtsberichterstattung werden die dann oft weiterhin ungeklärten Vorwürfe nicht weiter untersucht – aber sie werden weiterhin zitiert…»
„…Weitere Eigenschaften der oben skizzierten Berichterstattung: Bisher absolut „normale“ und in den letzten Jahren häufig zu verzeichnende Vorfälle wie bspw. kurzzeitige Luftraumübertretungen in engen Korridoren … werden nun plötzlich als gezielter Angriff oder als militärischer „Test“ definiert und mit großer Hysterie aufgeladen.
Dazu kommt der enge Takt der im entsprechend furchteinflößenden Tonfall gehaltenen Berichte und die dann darauf aufgebauten politische Aussagen und Entscheidungen.
«Wahres, Unsicheres und mutmaßlich Erfundenes wird wild vermischt – und auf alles wird betont hysterisch reagiert.“
Eine unrühmliche Rolle spielen dabei die Öffentlich Rechtlichen Medien. Statt kritische Aufklärung bestimmt Kampagnen-Journalismus mehr und mehr das Medienbild.
Zitat Tobias Riegel: „Es ist momentan auch eine ähnliche Tendenz wie bei der unangemessenen Corona-Politik zu beobachten: Einige Journalisten und „Verteidigungs-Experten“ klingen manchmal noch schärfer als die bekannten Militaristen und antirussischen Scharfmacher in der Politik.“
Und Rainer Mausfeld (Psychologe und ehemals Uni-Professor) stellt in seinem Buch „Hegemonie oder Untergang?“ fest (s. auch NDS) :
…“ Die Medienintellektuellen sind zu Claqueuren der militärischen Konfrontation oder gar zu deren Anheizern geworden.“
„In der westlichen Pseudorealität ist es kaum noch möglich, überhaupt einen Außenstandpunkt einnehmen zu können. Sie gleicht einem hermetisch abgeschlossenen Gewölbe, zu dem kein Außerhalb mehr denkbar ist.“
„…Die Bürger können heute also nicht einmal mehr im Ansatz ein angemessenes Bild der gesellschaftlichen und politischen Realitäten gewinnen.“
Der Debattenraum wird immer mehr eingeschränkt.
„Das Funktionieren einer Demokratie, in der lt. Artikel 20 Abs. 2 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, setzt aber voraus, dass dessen Mitglieder über die Informationen verfügen, die sie benötigen, um sich auf rationale Weise eine eigene Meinung zu allen politischen Fragen bilden zu können“. (Das sagt die Bundeszentrale für Politische Bildung.)
Ich möchte den Bogen -zu Jonas Tögel- schließen:
Für Dr. Jonas Tögel ist es ein Anliegen, Manipulation und Propaganda zu erkennen, zu verstehen und zu neutralisieren. Je mehr wir wissen über die verdeckten Motive oder Ziele, um so widerstandsfähiger sind wir.
Nach dem Motto: Glaube wenig, Hinterfrage alles, Denke selbst.
Ich wünsche uns deshalb, dass wir uns nicht entmutigen lassen, den Kriegstreibern entgegen zu treten, Präsenz zeigen, uns und andere informieren, aufklären, immer weitermachen, in der Hoffnung, dass wir mehr werden.
Danke EUCH für eure Widerständigkeit und fürs Zuhören.
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Ich lese 3 Zitate von Egon Bahr, SPD- Politiker 1969 – 1990:
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ (Rede vor Schülern in Heidelberg, 2013)
„Es gibt keine Stabilität in Europa ohne die Beteiligung und Einbindung Russlands. Und ich weiß genau, dass Russland nicht so schwach bleiben wird, wie es im Augenblick ist. Wir können im Prinzip jetzt alles tun, was wir wollen, Russland kann es nicht hindern, es ist zu schwach. Aber ich warne davor, ein großes stolzes Volk zu demütigen.“
«In einer neuen Weltordnung ist das Recht des Stärkeren durch die Stärke des Rechts abzulösen.»
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- Wer sich morgen an unserer Friedensbanner-Aktion beteiligen kann, möge sich bitte nachher bei mir melden.
- Seit dem Beginn unserer Mahnwachen vor über 3 ½ Jahren stellt uns die Firma Schmidt kostenlos diese Lautsprecheranlage zur Verfügung. Wir möchten Herrn Schmidt gerne einmal wieder danken und ihm eine kleine Spende überreichen. Es wäre schön, wenn Sie etwas Geld in das Glas in der Mitte legen könnten. Wir werden es auch nächsten Freitag nochmal mitbringen.
- Am Sonntag, den 9. November findet um 16.00 auf dem Marktplatz Cannstatt eine Gedenkkundgebung „Gegen das Vergessen“ statt. Anschließend gibt es einen Demonstrationszug zum Platz der ehemaligen Synagoge, wo ein Kranz niedergelegt wird. Der Aufruf wird von zahlreichen Stuttgarter Organisationen unterstützt.
- Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche statt, am Freitag, 14. November um 18.00 Uhr hier auf dem Marktplatz. Danach ist wieder ein gemeinsames Treffen zum Austausch geplant.
