Bild aus Video Tino Eisbrenner Silvestersong
Detlef:
Hallo zusammen zu unserer vorletzten Mahnwache vor den Weihnachtsferien. Schön dass ihr bzw. Sie wieder dabei seid bzw. sind.
Im Prinzip gibt es aktuell so vieles zu berichten. Ich möchte mich heute eher mit einem Randthema beschäftigen, es geht um den Eurovision Song Contest im Mai 2026 in Österreich. Darüber gibt es aktuell größere Auseinandersetzungen, ja es hagelt Proteste: Wieso darf Israel daran teilnehmen, wo doch die israelische Regierung unter Präsident Netanjahu im Gaza-Streifen Völkermord begangen hat und damit anscheinend immer noch nicht aufhört?
Ja, ich kann diese Proteste durchaus nachvollziehen. Dennoch bin ich der Meinung, dass Israel an diesem Contest teilnehmen sollte. Warum? Die Künstler in diesem Land sind doch nicht einfach deshalb zu verurteilen, weil die Regierung Völkermord begeht. Die Künstler können jedenfalls im Normalfall nichts dafür, sie sollten ihre Kunst auch veröffentlichen können – wobei man sicher darüber streiten kann, ob alles, was auf diesem Wettbewerb so geboten wird, auch tatsächlich Kunst ist.
Eine grundsätzlichere Frage wäre, warum Israel, eindeutig kein europäisches Land, daran teilnehmen soll. Nun, wenn Europa sich tatsächlich als weltoffen versteht – was im Moment mehr als fragwürdig ist – sollte es eigentlich auch alle arabischen Staaten zur Teilnahme an diesem Contest zulassen. Das ist jedenfalls meine Meinung. Also insgesamt ein Contest von europäischen und allen, geografisch Europa nahestehenden Staaten, warum denn nicht? Natürlich auch unter Einschluss von Palästina, dass von der übergroßen Mehrheit der UN-Staaten als eigener Staat anerkannt ist.
Wobei dann natürlich auch klar sein sollte, dass alle europäischen Länder dort auch zugelassen werden müssten, selbstverständlich auch Weißrussland und Russland, was gegenwärtig nicht der Fall ist.
Insgesamt kann man sich natürlich darüber streiten, ob die Lieder, die auf diesem Contest so angeboten werden, wirklich etwas mit der Kunst zu tun haben, die wir uns vorstellen. Fraglich ist insbesondere auch, wie die Ergebnisse dort zustande kommen. Nur die Hälfte der Stimmen, die zum Endergebnis führen, werden letztlich vom Publikum vergeben, die andere Hälfte von einer eher ominösen Jury (wer kommt warum in diese Jury?). So hat 2025 Österreich gewonnen, hauptsächlich wegen der Jury-Stimmen. Wäre es nur nach den Publikumsstimmen gegangen, hätte Israel gewonnen vor Estland und Schweden, Österreich wäre nur auf dem vierten Platz gelandet. Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass über den Sieg letztlich diese Jury entscheidet. Die Ergebnisse können hier nachgelesen werden. Durch Klicken auf die jeweiligen Titel kann man sich bei Interesse die einzelnen Darbietungen auch noch einmal ansehen und anhören.
Traurig finde ich, dass bei den meisten Titeln (ich verstehe leider nicht alle Sprachen, habe mir auch nicht alle Titel angehört) das Thema Frieden, statt Krieg kaum eine Rolle zu spielen scheint. Damals (1982), am Ende der Hochzeiten der Friedensbewegung, hat Deutschland den Contest gewonnen. Interpretin war Nicole mit dem Titel „Ein bisschen Frieden“, hier noch einmal anzuhören.
Damals, am Ende der Hochzeiten der Friedensbewegung, fand ich das Lied ein bisschen platt und zu wenig aussagekräftig. Was würde ich mich heute darüber freuen, wenn wieder ein Titel den ESC gewinnen würde und darin einfach für den Frieden in der Welt aufruft. Momentan anscheinend kaum vorstellbar. Allerdings denke ich mir: Je mehr Länder zu diesem Contest zugelassen werden um so größer auch die Chance, dass es doch Interpretinnen oder Interpreten geben würde, die zum Frieden in der Welt aufrufen. Vielleicht sogar mit Siegeschancen?
Künstler und der Frieden, da hat sich leider seit Beginn des Ukraine-Krieges einiges verändert. Viele derjenigen Künstler, die viele Jahre lang immer wieder auch in ihren Liedern für den Frieden Stellung bezogen, tun das heute nicht mehr. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Allerdings gibt es auch heute noch Künstler, die ihren Mund aufmachen. Hierzu ein Artikel auf den NachDenkSeiten Hierin wird insbesondere ein Künstler hervorgehoben, Tino Eisbrenner, dort sind auch Links zu einigen seiner Titel:
Cranes / Indianerland/ Silvestersong
Doris:
Im Jahr 1981 hatten westdeutsche Künstler die Initiative „Künstler für den Frieden“ gegründet, die die damalige Friedensbewegung unterstützte und vier große Konzerte organisierte. Leider gibt es heute keine entsprechende Initiative mehr.
Ich möchte nun noch ein Lied von Reinhard Mey vorlesen. Im Jahr 2004 veröffentlichte er ein ganz persönliches pazifistisches Manifest. Anlass war die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan. Im Lied „Die Waffen nieder!“ thematisiert er seine eigene Lebensgeschichte:
„Gebor’n in einer Stadt, vom Krieg verwüstet und zerstört,
Habe ich, seit ich hören kann, „nie wieder Krieg!“ gehört.
Ich hab’ meine Lektion so gut gelernt, hab’ von so nah
Den Krieg geseh´n, dass auch das Kind begriff, was da geschah.
Manch Ängste, weiß ich, werd ich nie verlieren
Und Bilder nicht aus meinem Kopf radieren.
Und Krieg ist ein Verbrechen, kein Krieg ist je gerecht
Und ihr, die ihn uns schönredet und das Gelübde brecht,
Euch fromme Beter hör ich nun eifrig die Trommel rühr’n,
Um andrer Leute Kinder in eure Schlachten zu führ’n.
Erinnert ihr euch, ihr wolltet nie wieder, nie wieder Krieg –
Die Waffen nieder!
Es heißt, sie machen ihren Job, sie tun nur ihre Pflicht.
Wie ihr es auch verharmlost, so täuscht ihr uns doch nicht:
Der Job heißt Minen legen, die Pflicht heißt bombardier’n,
Vernichten und verstümmeln, auslöschen und liquidier’n,
Heißt brandschatzen, Menschen zu Tode hetzen,
Die eigne Seele für immer verletzen.
Manchmal seh´ ich unter dem großen Helm ein Kindsgesicht,
Aus dem blankes Entsetzen, die schiere Verzweiflung spricht,
Wenn es erschüttert sehen muss, für welch schändliche Tat,
Für welch schmutz’ges Verbrechen es sich hergegeben hat
Und ahnt: Die Schuld wirst du nicht los, nie wieder. Nie wieder Krieg,
Die Waffen nieder!
Glaubst du, in deinem gottverlass´nen Loch im Wüstensand
Verteidigst du deine Kinder, dein Dorf oder dein Land?
Glaubst du, wenn du mit deinen großen High-Tech-Stiefeln kommst,
Das Land aus hellem Himmel zurück in die Steinzeit bombst,
Du könntest es befrei’n durch Blutvergießen,
Frieden in die Herzen der Menschen schießen?
Nein, wieder wirst du für eine schlechte Sache mißbraucht:
Für Macht, für Öl, für Stahl, damit der Rüstungsmotor faucht,
Für diese große Kumpanei, die dich, wie’s ihr gefällt,
Am Ende der Welt als lebende Zielscheibe hinstellt.
Verwehr’ ihr den Gehorsam, sag: Nie wieder! Nie wieder Krieg,
Die Waffen nieder!“
Doris:
Wir werden jetzt wieder einige Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Ich lese ein Zitat von Lew Kopelew, ehemaliger sowjetischer Major:
„Die Kriege werden von Staatsmännern, von der Regierung vorbereitet, provoziert und angezettelt. Aber sterben müssen Millionen gewöhnlicher Menschen. Daran müssen wir immer denken. Das Einzige, was wir dagegen machen können ist, von dem was war, und von dem was ist, die Wahrheit zu erzählen“.
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden. Ich beginne mit 2 zurückliegenden Terminen:
- Die Schulstreiks gegen die Wehrpflicht am letzten Freitag waren ein voller Erfolg: Mehr als 55.000 Jugendliche waren bei den Streiks in mehr als 100 Städten auf der Straße – trotz Repression und Einschüchterungsversuchen. Die Schülerinnen und Schüler haben damit deutlich gezeigt, dass sie von den Plänen der Bundesregierung nichts halten und sich nicht im Krieg verheizen lassen wollen. Nachdem der Bundestag am Freitag das sogenannte „Wehrdienst-Modernisierungsgesetz“ beschloss, kündigten sie für den 5.3.26 den nächsten Schulstreik an. Der 5.12. ist zum Auftakt einer neuen antimilitaristischen Jugendbewegung geworden.
- Am 10. Dezember vor genau 40 Jahren erhielt die IPPNW, die Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs, den Friedensnobelpreis. Auf deren Homepage kann man sich darüber informieren.
- Am Dienstag den 16. Dezember wird in der Lutherkirche in Fellbach wieder ein Militärkonzert stattfinden. Die DFG-VK lädt um 18.30 Uhr zu einer Protestveranstaltung vor der Kirche ein.
- Wer sich heute nach der Mahnwache noch zum Austausch treffen möchte sowie wer sich an der morgigen Friedensbanneraktion beteiligen kann, möge sich bitte nachher melden.
- Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, am Freitag den 19.12. um 18.00 Uhr wieder hier beim Mondscheinbrunnen statt.
