Mahnwache vom 05.12.2025

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Doris:
Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die gekommen sind.

Wir stehen heute wieder hier beim Mondscheinbrunnen, weil der Marktplatz durch den Weihnachtsmarkt belegt ist. Klar, dass wir da ausweichen müssen. Dennoch scheint es mir auch sinnbildlich zu sein: Lichterglanz und Feststimmung auf der einen Seite, Kriege und Aufrüstung auf der anderen Seite. Und wir, die wir durch unsere Mahnwache den Blick auf die dunkle Seite der Wirklichkeit lenken. „Weltweite Rüstungsumsätze auf Rekordhoch“, so stand es diese Woche in der Zeitung. Es gelingt mir nicht, diese und andere Nachrichten in Einklang zu bringen mit dem geschäftigen Vorweihnachtsstress in meiner Umgebung. Es scheint irgendwie passend, dass wir hier außerhalb des Weihnachtsmarkts stehen. 

Vor fünf Wochen hat Eva Hartmann bei unserer Mahnwache von der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an Karl Schlögel berichtet. Ein aus unserer Sicht äußerst unpassender Kandidat für einen Friedenspreis.

Kurz darauf wurde bekannt, dass für 2026 ein weiterer Friedenspreis verliehen wurde, und zwar der „Internationale Preis des Westfälischen Friedens“, den es seit 1998 gibt. Mit 100.000 Euro ist er der höchstdotierte Friedenspreis, der von der Wirtschaft vergeben wird. Historisch knüpft er an den Westfälischen Frieden an, der 1648 in den Rathäusern von Münster und Osnabrück geschlossen wurde – ein Meilenstein in der europäischen Einigungsgeschichte. „Die Auszeichnung würdigt internationale Persönlichkeiten oder Repräsentanten von Staaten und Institutionen, die durch ihr Engagement langfristig friedensstiftend und integrativ wirken und sich damit für den Frieden in Europa und der Welt verdient gemacht haben“. Bisherige Preisträger waren z. B.:

1998: Vaclav Havel
2008: Kofi Annan
2010: Daniel Barenboim
2025: Margot Friedländer
Wer erhält nun 2026 diesen Friedenspreis? Es ist kaum zu glauben: die NATO!

Wir alle wissen: Schon 1999 hat die NATO mit ihrem Krieg gegen Jugoslawien ohne Mandat des UN- Sicherheitsrat das Völkerrecht gebrochen und die Öffentlichkeit manipuliert. Bundesaußenminister Josef Fischer hatte die serbischen Menschenrechtsverletzungen in einen Zusammenhang mit Auschwitz gebracht. Getarnt als «humanitäre Intervention“ begann ein Luftkrieg, der sechs Monate später mit der Bombardierung Belgrads fortgesetzt wurde. Damit wurde Russland signalisiert, dass die NATO auch ohne seine Zustimmung handeln kann.

Bis heute hat die NATO in verschiedenen Kriegen bewiesen, dass es ihr nicht um Frieden geht, sondern um andere Interessen. Dabei hatte die NATO im Nordatlantikvertrag von 1949 durchaus positive Ziele formuliert. Ich lese den Artikel 1:

„Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind“.

Was ist inzwischen aus diesen Zielen geworden? Und dennoch also nun der Internationale Preis des Westfälischen Friedens für die NATO.

Es gibt leider noch weitere irritierende Beispiele für das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit. Ich meine die sogenannte Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), welche am 10. November veröffentlicht wurde. Sie wurde von Politikern und NATO- Vertretern gelobt, da sie sich deren Sicht der Dinge weitgehend zu eigen gemacht hat. Selbst die Drohung mit Atomwaffen wird trotz ethischer Bedenken gerechtfertigt. Wie ist das alles mit dem Evangelium zu vereinbaren? Ich kann es gar nicht sagen, wie enttäuscht ich von dieser Denkschrift bin.

Was hilft, um nicht in Resignation zu verfallen? Ich will immer wieder versuchen, den Blick auf Menschen zu richten, die sich nicht entmutigen lassen. Menschen und Friedensorganisationen, die sich weiterhin einmischen, die Sand im Getriebe der Welt sind, die gegen den Strom schwimmen. Es gibt sie tatsächlich. So z.B. heute beim bundesweiten Schulstreik gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. In 126 Städten, darunter auch in Stuttgart, waren Aktionen dazu angemeldet.

Ich stieß außerdem auf eine Meldung der IPPNW, die ich zitieren möchte: „Im Rahmen des Symposiums «Zivile Notfall- und Rettungsmedizin, Bevölkerungsschutz» an der Charité in Berlin sollte eigentlich am Donnerstag, 20.11.25, Bundeswehr-Oberst Zimmermann im Kontext des Themenblocks «Zivile Verteidigung – Vorbereitung deutscher Krankenhäuser am Beispiel Berlin» über das Thema «Operationsplan Deutschland» sprechen. Ein breites Bündnis von Organisationen aus dem Gesundheitsbereich kündigte Proteste gegen diese Veranstaltung an, die beispielhaft für eine Militarisierung des Gesundheitswesens steht, wie sie derzeit geplant und vorbereitet wird. Vor dem Hintergrund der angekündigten Proteste wurde nun kurzfristig Oberst Zimmermann wieder vom Symposium an der Charité ausgeladen.“

Zivilcourage ist möglich. Auch innerhalb der Kirchen gibt es Beispiele dafür. So der ehemalige katholische Betriebsseelsorger Paul Schobel, der regelmäßig die Sendung SWR1- Anstöße dazu nutzt, seine Stimme gegen den Krieg zu erheben. Ich möchte nun seinen Beitrag vom 15. November, dem Tag vor dem Volkstrauertag, vorlesen:

„Kaum eine Gemeinde, die nicht mit Kriegerdenkmalen ihrer Gefallenen gedenkt. So viele junge Menschen, deren Namen in Holz geschnitzt oder in Stein gemeißelt sind, ließen in zwei verbrecherischen Weltkriegen völlig sinnlos ihr Leben. Man feierte sie lange mit markanten Worten als Helden, die angeblich auf dem „Feld der Ehre“ für ihr Vaterland gestorben sind.

Die Helden waren in Wirklichkeit arme Schweine, die von Panzern zermalmt, von Schrapnellen zerfetzt in Drecklöchern verblutet oder irgendwo in der Eiseskälte elend erfroren sind. „Gefallene“ nennt man sie beschönigend – in Wirklichkeit wurden sie auf „Schlachtfeldern“ ermordet. Mir fährt bei diesem martialischen Wort immer ein kalter Schauer über den Rücken. Morgen am Volkstrauertag dieser „Schlachtopfer“ zu gedenken, ist aller Ehre wert. 

Trauern müssten wir aber vor allem darüber, dass zwei Weltkriege von deutschem Boden ausgegangen sind. Wie konnte das geschehen, dass damals Wehrpflichtige jubelnd und begeistert in den Ersten Weltkrieg gezogen und viele nie mehr zurückgekehrt sind? Oder dass mitten im Zweiten Weltkrieg, nach der entsetzlichen Niederlage in Stalingrad, Menschenmassen wie besessen nach Kanonen statt Butter und nach dem „totalen Krieg“ geschrien haben. Was ging da in den Köpfen vor?

Ich trauere morgen darüber, dass der Krieg, dieses Scheusal der Menschheit, nun auch wieder nach Mittel-Europa zurückgekehrt ist. Dass so viele Staaten den Schalter ohne großes Nachdenken einfach auf „Kriegs-Modus“ umgelegt haben, als wäre Krieg ein Schicksal. Dass wir nicht willens und bereit sind, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Denn Krieg und Gewalt verschärfen sie nur und vertiefen die Gräben. Ich trauere darüber, dass wir uns offensichtlich auf einen großen Krieg in Europa vorbereiten, den wir nicht überleben können. Da werden die achttausend von der Bundeswehr georderten Leichensäcke nicht reichen. Erst recht nicht, wenn es gar zu einem Atomschlag käme. Und einem solchen sind wir momentan so nahe wie noch nie! 

Ich wünsche mir, dass morgen in allen Gedenkstunden der Krieg, diese Ausgeburt der Hölle, geächtet wird. Das ist es, was wir den Millionen gefallener Soldaten der Weltkriege schuldig sind.“

So weit Paul Schobel. Ich möchte ergänzen: Trauer kann eine starke Kraft sein. Wenn sich aus ihr der Einsatz für die Lebenden entwickelt.

Uwe:
Wir laden Sie nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen und all derer zu gedenken, die durch kriegerische Auseinandersetzungen ermordet, verletzt, ihrer Heimstatt beraubt wurden, oder sich auf der Flucht vor Krieg und Elend befinden.

Wir gedenken auch der Natur und unserer Lebensgrundlage, gegen die weltweit ein permanenter Krieg geführt wird, und die erbarmungslos zerstört wird.

Wir gedenken auch all der Menschen, die sich aktiv gegen den Krieg oder gegen die Zerstörung unserer Mitwelt einsetzen.

Susanne:

Gebet für den Frieden (Hl. Franz von Assisi)
Herr, mach mich zu einem Werkzeug Deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten, nicht,
dass ich getröstet werde,
sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde,
sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde,
sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Uwe:
Bevor wir unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden beenden, nun noch einige Hinweise auf Veranstaltungen und Aktionen:

  • Wie Doris schon ausgeführt hat, fanden heute in zahlreichen deutschen Städten Schulstreiks gegen das geplante Wehrpflichtgesetz statt. Ich persönlich finde es ermutigend, dass junge Menschen dafür auf die Straße gehen, weil sie sich nicht zum Töten ausbilden lassen möchten.
  • Am Dienstag, 16. Dezember um 18.30 Uhr soll in der Lutherkirche in Fellbach wieder ein Militärkonzert stattfinden. Vor der Kirche findet eine Protestveranstaltung statt. Wahrscheinlich gehen einige von uns hin, um gegen diese militärische Veranstaltung in einem Gotteshaus zu protestieren.
  • Am Donnerstag, 11. Dezember ab 16 Uhr ist auf dem Rotebühlplatz in Stuttgart wieder die Aktion: Kriege beenden! – Frieden Jetzt! geplant.
  • Nach unserer nächsten Mahnwache, am 12. Dezember laden wir zu einer Gesprächsrunde mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Mahnwache ein. Wo dies stattfinden wird, geben wir bei unserer nächsten Mahnwache bekannt.
  • Wer am morgigen Samstag Zeit und Lust dazu hat, bei unserer Banneraktion mitzumachen, melde sich bitte nachher bei Doris.

Unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden, ist nun beendet. Vielen Dank dafür, dass Sie gekommen sind. Wir wünschen Ihnen ein schönes und erholsames Wochenende.

 

 

 

 

 

 

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