Diskussion zum Thema „Kriegshetze im swr2-Hörfunk“

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Am 19.12.2023 schickte Ernst Delle an einige Mitglieder der Friedensinitiative Schorndorf eine Mail mit folgendem Text:

Hallo liebe Friedensfreund:innen,

was ich da heute nachmittag um 15.55 h auf swr2 zu hören bekam, hat eine neue Qualität der Kriegshetze angenommen.

Lest selbst in der Anlage meine Kopie vom Sendemanuskript. Die Hervorhebung in fett im vorletzten Abschnitt ist von mir.

Bläst da einer zu einem „Unternehmen Barbarossa“?

Beunruhigte Grüße

Ernst

Zum weiteren Verständnis ist es wichtig, den Beitrag auf SWR2 im Originaltext zu lesen, die Hervorhebung in Fett zum Ende des Artikeln stammt von Ernst, ansonsten ist es der Original-Text, nachzulesen hier:

Juri Andruchowytsch – Der Preis unserer Freiheit. Essays

Stand              23.11.2023      Jochen Rack

In seinen Essays der Jahre 2014-2023 prangert der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch das mangelnde westliche Verständnis für die Ukraine an und fordert, mit westlicher Hilfe das imperialistische Russland zu besiegen.

Man hätte auf Juri Andruchowytsch hören sollen. Stetig, eindringlich, fast flehentlich warnte der ukrainische Schriftsteller den Westen vor dem aggressiv-imperialistischen Charakter von Putins Russland. Schon vor der großangelegten Invasion der Ukraine am 24. Februar 2022 hatte der Kremlherr die Krim annektiert und den Krieg im Donbas entfesselt, aber statt dem Aggressor entschieden entgegenzutreten, setzte Europa auf Appeasement und wollte, wie Andruchowytsch 2019 in einem seiner Essays schreibt, die jetzt unter dem Titel „Der Preis unserer Freiheit“ erschienen sind, „Russland nicht erzürnen.“

Entspannte Beziehungen zu einem Verbrecher

Eine Fehlreaktion, denn es sei unmöglich, Russland nicht zu erzürnen: „Es besteht ganz aus Eifersucht, Bluffs und Xenophobie. Wut, Beleidigtsein und Neid sind sein Dauerzustand.“ Andruchowytsch sparte nicht an drastischen Worten, um die Europäer aufzurütteln. Wie hätten sie nur glauben können, „entspannte Beziehungen zu einem Verbrecher“ aufbauen zu können?

Unter dem Eindruck des aktuellen Krieges erscheinen Andruschowytschs Reden, Artikel und Vorträge der Jahre 2014 bis 2023 geradezu prophetisch. Ebenso scharfsinnig wie anschaulich zeichnet der Schriftsteller die Entwicklung in der Ukraine von der Revolution der Würde 2014 bis in die Gegenwart nach, für die, wie er kritisiert, Europa nicht das angemessene Interesse und Verständnis aufbrachte.

Putinversteher dominierten lange die öffentliche Diskussion, auf die Krimannexion antwortete der Westen mit halbherzigen Sanktionen und Deutschland mit dem fatalen Bau der Nordstream-2-Pipeline. Die unverhohlenen Drohungen Putins nahm man nicht ernst, gab sich stattdessen der Illusion hin, Russland durch Handelsverbindungen in die europäische Friedensordnung einbinden zu können. Europäische Profitinteressen unterminierten die Wahrnehmung der Wirklichkeit, und der Kreml unterstützte die Selbsttäuschungen westlicher Politik durch Lügen und Desinformation.

Russischer Terror und das Versagen des Westens

Andruchowytsch weist bitter auf die russischen Terrormethoden hin, die seit 2014 nicht nur auf dem Maidan angewandt wurden, sondern in den besetzten Gebieten zum Alltag gehörten – und das alles noch lange vor den Gräueltaten in Butscha: Ermordungen, Folterungen und Vergewaltigungen von Ukrainern, die sich den Russen nicht unterwerfen wollten. Europa aber habe sich „durch eine Mauer von Unverständnis und Gleichgültigkeit von der Ukraine abgeschottet.“

Der Kriegsbeginn bestätigte Andruchowytschs Analyse des geopolitischen Versagens des Westens. In seinen seitdem veröffentlichten Texten musste er seine Beschreibung Russlands nicht korrigieren, nur der Ton wird noch schärfer, wenn er die russischen Kriegsverbrechen im Detail schildert und zu dem Schluss kommt, Russland habe sich in einen vollwertigen faschistischen Staat verwandelt: „Russland ist ein Terrorstaat. Die Bevölkerung Russlands hat sich erfolgreich entmenschlicht.“

In seinem Essay „Der Preis der Zukunft“ skizziert Andruchowytsch die lange, bis ins 17. Jahrhundert zurückreichende Geschichte der ukrainischen Abhängigkeit von Russland. Die aktuelle Barbarei der russischen Truppen habe ihre Wurzeln in der Sowjetunion, die einst den Holodomor in der Ukraine entfesselte und politische Gegner durch Massenerschießungen ermordete. Die Massaker in Butscha seien Teil einer totalen Unterwerfungsstrategie und des Versuchs, die Freiheit in der Ukraine zu ersticken.

Der einzige Weg: die bedingungslose Kapitulation Russlands

Aber was kann der Westen, was kann Europa tun, um den russischen Krieg zu stoppen? Andruchowytsch sagt es klipp und klar: „Der einzige Weg zur Heilung führt über eine totale Niederlage, eine totale Katastrophe von allem, was russische Staatlichkeit heißt.“ Kein fauler Kompromiss, kein neuerliches Appeasement, nicht Verhandlungen könnten Russlands Aggression beenden, sondern nur ein militärischer Sieg über das Land, dessen bedingungslose Kapitulation, am besten erreicht auch durch den Einsatz westlicher Armeen. Danach müsse Russland entmilitarisiert werden, in einem Tribunal sei es für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, die Ukraine müsse NATO-Mitglied werden.

Juri Andruschowytschs Essays „Der Preis unserer Freiheit“ sind ein ebenso engagiertes wie eindringliches Plädoyer, sich für die Verteidigung der Ukraine einzusetzen und die pazifistischen Illusionen abzuschütteln, mit denen vor allem die deutsche Öffentlichkeit sich allzu lange über den imperialistischen Charakter Russlands hinweggetäuscht hat.

Da Ernst nicht alle Mail-Adressen der Friedensinitiative kannte, habe ich die Mail von Ernst an unseren gesamten Verteiler weitergeleitet mit folgendem Text von mir:

Hallo zusammen,

Ernst Delle hat mir und auch einigen anderen von Euch die untenstehende Mail mit Anhang zugesendet. Damit das auch alle lesen können, leite ich diese Mail samt Anhang an unseren gesamten Verteiler weiter. Das ist wirklich erschreckend. Fehlt meines Erachtens eigentlich nur noch die Frage: Wollt Ihr den totalen Krieg? Alles mehr als beängstigend, und das von einem von uns allen finanzierten Sender der öffentlich rechtlichen Medien.

Daraufhin erfolgten auch Reaktionen.

Zunächst von Mona vom 19.12.2023:

danke, Detlef u Ernst für euren hinweis auf die sendung.

 ja, die zitate sind harter tobak. aber natürlich gehört dazu der differenzierte kontext: die analyse der historischen entwicklung, die zu der unsäglichen kulmination geführt hat. und die kommt von einem ukrainischen, offenbar sehr emotionalen intellektuellen schriftsteller und dichter, der mit seinem land u dessen geschichte sehr verbunden ist. dass der swr seine essays als lesenswert vorstellt, finde ich nicht beunruhigend, auch nicht kriegshetzerisch. ich stolpere eher darüber, dass ihr so schnell Barbarossa und Hitler im munde führt.

 herzliche grüße, Mona

Hierzu erst einmal nur eine kleine Korrektur von mir: Der Spruch, „Wollt Ihr den totalen Krieg“, stammte nicht von Hitler, sondern von Joseph Goebbels, was diesen Spruch natürlich auch nicht besser macht.

Am selben Tag erhielt ich auch noch eine Mail von Armin mit folgendem Text:

Hallo Detlef,

bitte nimm mich aus dem Verteiler des Schweigekreises, Danke.

Friedliche Grüße von Armin.

Ich weiß natürlich nicht, ab Armins Anliegen etwas mit dieser Auseinandersetzung zu tun hat (Armin war oder ist immer noch Mitglied bei den Linken, das weiß ich nicht). Selbstverständlich habe ich seinem Wunsch entsprochen und ihn aus dem Verteiler herausgenommen.

Heute dann erhielt ich eine Mail von Uwe Glund, der eine Kritik an SWR 2 geschickt hat mit folgendem Text:

An die Redaktion
des SWR 2
Neckarstraße 230und atomaren
70190 Stuttgart

Lesenswert Kritik Juri Andruchowytsch;  „Der Preis unserer Freiheit“, vom 23.11.2023

Einige Bücher, die in unserem Bücherregal stehen, habe ich aufgrund der Empfehlung der Sendung SWR2 „Lesenswert“ erworben, und diese Anschaffung nicht bereut.- Das o.a. Buch des Ukrainers Andruchowytsch werde ich aber nicht erwerben, da es nach meiner Ansicht absolut abwegig ist.

Wenn der Autor in seinem Resümee „die bedingungslose Kapitulation Russlands“, als den „einzigen Weg“ zur Beendigung des Krieges in der Ukraine sieht, frage ich mich, auf welchem Panetent Andruchowitsch lebt? – Wenn er die Lage in der Ukraine halbwegs realistisch zu beurteilen vermag, muss ihm doch klar sein, dass die ukrainischen Militärs, auch mit noch so intensiver Waffen- und Finanzhilfe der NATO-Staaten, niemals in der Lage sein werden, alleine diesen Krieg zu gewinnen und eine  „bedingungslosen Kapitulation“ Russlands zu erzwingen. Möglich wäre eine solche Kapitulation nur, wenn die hochgerüsteten NATO – Staaten es nicht bei Waffenlieferungen belassen, sondern aktiv in die Kampfhandlungen eingreifen würden. Und dies würde todsicher den dritten und atomaren Weltkrieg auslösen, und die totale Zerstörung unseres Planeten bedeuten.

In der o.a. Buchempfehlung  werden auch wieder die „Putinversteher“ gebranntmarkt, die es geschafft hätten, dass sich „Europa … durch eine Mauer von Unverständnis und Gleichgültigkeit von der Ukraine abgeschottet“ hätte.

Ist es aber nicht so, dass die sog. Putinversteher mit ihren ungehörten Forderungen, nach Verhandlungslösungen sich nicht gegen die Befürworter  unbegrenzter Waffenlieferungen durchsetzen konnten? Und diese Waffenlieferungen dazu geführt haben und weiterhin dazu führen, dass immer mehr Menschen, Zivilisten wie Soldaten, ihr Leben in einem unsinnigen Krieg verlieren? – Und: Putin verstehen heißt noch lange nicht, die Taten dieses Despoten zu rechtfertigen, was allgemein, und auch in dem Werk von Andruchowitsch, mit dem Begriff “Putinversteher“ konnotiert wird!

Zusammenfassend finde ich diese Buchbesprechung eine skandalöse Kriegshetze und jeder Art von Völkerverständigung widersprechend. Redakteur Jochen Rack setzt sich meiner Ansicht nach nicht kritisch mit der Lektüre auseinander, sondern verstärkt mit seiner Darstellungsweise mehr oder weniger aus der Luft gegriffene Behauptungen des Autors, wenn er diese als „geradezu prophetisch“ preist. Welches Ziel verfolgt Andruchowitsch beispielsweise mit einem Satz wie „Die Bevölkerung Russlands hat sich erfolgreich entmenschlicht.“? Will er damit sagen, dass alle Russen sich bedingungslos ihrem Herrscher Putin unterwerfen und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine gut finden? Nach meinen Informationen befinden sich viele russische Staatsbürger im Kerker, weil sie entweder öffentlich oder klandestine gegen den Krieg protestiert haben. Mir ist auch bekannt, dass viele männliche russische Staatsbürger vor ihrer Einberufung zum Militär sich in`s Ausland abgesetzt haben, also gewissermaßen desertiert sind. – Alles „entmenschlichte“ Kreaturen?

Auch die Aussagen des Autors vom „aggressiv imperialistischen Charakter von Putins Russland“ müssen hinterfragt werden. – Immerhin unterhalten die USA, nach Wikipedia, in vielen Teilen der Welt über 800 Militärbasen, Russland dagegen nur ca. 50, was nach meiner Auffassung ein deutlicher Hinweis darauf ist, wer hier imperialistische Ziele verfolgt.

Ich hoffe sehr, dass bei der nächsten „Lesenswert Kritik“  tatsächlich eine kritische Würdigung der Lektüre anstelle einer Lobhudelei, wie bei „Der Preis unserer Freiheit“ geliefert wird.

Mit freundlichen Grüßen,
ihr SWR 2 Hörer
uwe glund

Ich habe diesen Mail-Verkehr auch deshalb auf unserer Web-Seite veröffentlich, weil ich der Meinung bin, dass offene Debatten über die Friedensfrage mittlerweile mehr als wichtig sind und nicht der Einheitsbrei, den wir aus unseren Medien hören (Öffentlich-rechtliche Medien, Zeitungen von taz bis FAZ). Wir wollen hier auch keinerlei Meinungen unterdrücken, sondern offen über alles sprechen. Wenn Ihr also zu diesem Themenkreis Eure Meinungen äußern wollt, gerne. Entweder als Kommentar zu diesem Beitrag oder auch als Mail an dbeune@web.de.

Mit friedlichen Grüßen, Detlef Beune

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