Mahnwache vom 03.05.2024

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Bild von Vilius Kukanauskas auf Pixabay

Im Folgenden die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen

Uwe:

Guten Abend, ich begrüße Sie, ich begrüße Euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden.

In der vorletzten Woche wurde im Deutschen Bundestag beschlossen, am 15. Juni jeden Jahres einen nationalen Veteranentag zu begehen. Mit diesem solle „eine umfassende Wertschätzung aktiver und ehemaliger Soldaten und Soldatinnen ausgedrückt“ werden. Dieser, von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachte Antrag fand die Zustimmung aller im Bundestag vertretenen Parteien, außer der Fraktion der Linken. Mit der Erklärung: „Der Veteranentag stehe für eine atmosphärische Veränderung in der Gesellschaft, wofür auch das Wort kriegstauglich steht“, begründete der Fraktionschef Dietmar Bartsch die Ablehnung. Ich selbst sehe in diesem Veteranentag einen weiteren Schritt in Richtung Militarisierung der Öffentlichkeit, und frage mich, ob Angehörige der zivilen Rettungsdienste, wie Feuerwehrleute, Rettungs- Sanitäterinnen und Sanitäter nicht viel eher diesen „Ausdruck der Wertschätzung“ verdient hätten?

Bislang nicht sehr beachtet von der Öffentlichkeit wurde von Generalleutnant Bodemann der Bundeswehr und 150 Experten im Auftrag des Innenministeriums  ein 1.000  – Seiten – „Operationsplan Deutschland“ erarbeitet. Darin gehe es um die „Zivilverteidigung“, denn „das kann die Bundeswehr nicht alleine stemmen, deswegen wird die Unterstützung von ziviler Seite benötigt“, so sinngemäß Generalleutnant Bodemann laut FAZ.

Zu dieser Militarisierung der Öffentlichkeit hat die Herausgeberin der Zeitschrift EMMA, Alice Schwarzer, in ihrer Zeitung eine Stellungnahme veröffentlicht, die zu lesen sich unbedingt lohnt; – ich habe die wichtigsten Punkte dieses Artikel als Flugblatt kopiert, welches auf dem Transparent in der Mitte unseres Kreises liegt und gerne mitgenommen werden kann.

Inmitten dieser, von Bundeskanzler Scholz verkündeten „Zeitenwenderhetorik“  finde ich persönlich es als ermutigend, immer mal wieder in der einen oder anderen Zeitung Artikel oder Stellungnahmen „wider den Zeitgeist“ zu lesen.- So hat vor einigen Wochen der ehemalige Kulturstaatsminister und jetziger Rektor der Humanistischen Hochschule Berlin, Julian Nida- Rümelin, hinsichtlich des Krieges in der Ukraine, ein Essay mit der Überschrift „Warum wir einen Waffenstillstand brauchen“, geschrieben, welches in der Wochenzeitung DER FREITAG veröffentlicht wurde.

Ich zitiere nun einige mir wichtig erscheinende Textstellen diese Essays:

„Historiker sind sich weitgehend einig: Unter den damals politisch Verantwortlichen wollte niemand einen Weltkrieg entfesseln. Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers durch serbische Nationalisten setzte allerdings eine Spirale von Drohungen, Ultimaten, Beistandsverpflichtungen in Gang, die das austarierte, aber labile Gleichgewicht europäischer Mächte in`s Wanken brachte und den ersten Weltkrieg entfesselte.“

Bezüglich der Fortsetzung der derzeit von den NATO-Staaten praktizierten Politik gegenüber der Ukraine und Russland schreibt Nida –  Rümelin: „Die Liste der Warner (hinsichtlich dieser Politik)  ist beeindruckend, nicht nur nach ihrer Länge, sondern auch nach ihrem politischen und intellektuellen Gewicht. Auf dieser stehen neben Henry Kissinger nicht nur der über Jahrzehnte  einflussreiche Außenpolitik Stratege George F.Kenan oder John Mearsheimer , oder der eher links stehende Columbia Professor für internationale Beziehungen und Berater der Vereinten Nationen, Jeffrey Sachs, und in Deutschland solche Schwergewichte wie der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog (CDU), der ehemalige SPD-Vositzende und Fraktionsvorsitzende Hans – Jochen – Vogel, der langjährige außenpolitische Berater von Helmut Kohl Horst Teltschick, der Militärberater Angela Merkels Erich Vad, der ehemals höchste deutsche Soldat Harald Kujat, der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Walther Stützle , Klaus von Dohnany, allesamt in der Mitte des politischen Spektrums angesiedelt und kommunistischer Neigungen oder persönlicher Sympathien für Wladimir Putin unverdächtig. Sie alle haben teilweise über Jahrzehnte davor gewarnt, die Beziehungen zwischen den drei größten Militärmächten USA, China und Russland zu destabilisieren und die Lehren aus dem Kalten Krieg und der Entspannungspolitik zu vergessen.

All diese Mahnungen sind vergeblich geblieben. ( … )  Ich bin sicher, es wird die Zeit kommen, in der die Realitäten wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Realitäten, die aktuell von Narrativen verdrängt werden. Narrative, die eine gewaltige Wirkungsmacht entfalten und es zunehmend schwer machen, für eine Realpolitik der Friedenssicherung und der globalen Kooperation zu werben. Es ist zu hoffen, dass diese Zeit nicht erst anbricht, wenn der dritte Weltkrieg die Menschheit heimgesucht hat. Aber in so einer gefährlichen internationalen Lage darf man nicht schweigen, wenn lokale Kriege und Konflikte das Potential in sich tragen, die ganze Welt in den Abgrund zu reißen.“

Der Autor dieses Essays lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die „Spezialaktion“ von Putins Armee in der Ukraine, nach seiner Auffassung ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg ist, dieser hätte aber vom Westen und der Ukraine verhindert werden können, „ indem sie die Pläne der Aufnahme der Ukraine in die NATO gestoppt hätten. Selbst der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg hat dies in einem Interview bestätigt.“

„Aber die Stilisierung der Ukraine zu einer freiheitlichen Demokratie“ , so Rümelin weiter, „die sich gegen die russische Autokratie verteidigt, führt in die Irre.“ In beiden Staaten würden ethnische Minderheiten unterdrückt, Dissidenten verfolgt, eine freie Presse bekämpft. Hier stünde nicht eine freiheitliche europäische Demokratie gegen eine asiatische Diktatur, vielmehr kämpfe die Ukraine um ihre nationale Souveränität und staatliche Unabhängigkeit. Dieser nationale und staatliche Selbstbehauptungskampf würde Unterstützung verdienen, allerdings nicht mit Angriffswaffen, wie des Marschflugkörpers Taurus. Hierzu schreibt der Autor: „Nun besteht die Gefahr, dass Ignorieren der Realitäten dieses Konfliktes (gemeint sind die Kräfteverhältnisse) zu einer erneuten und für die ganze Welt gefährliche Eskalation führt. Statt des sinnlos gewordenen Stellungskrieges an die Friedensbemühungen zwischen der Ukraine und Russland vom März 2022 anzuschließen, sollen nun westliche Wunderwaffen die Wende bringen und die dramatische Fehleinschätzung der Kräfteverhältnisse vergessen machen. Die Debatte um die Taurus – Lieferung von deutscher Seite ist möglicherweise erst der Anfang. Einmal angenommen, die Ukraine verfüge über diese Waffe mit einer Reichweite von 500 km und sie würde effektiv eingesetzt. Glaubt jemand ernsthaft daran, dass Russland nicht reagieren würde? Haben sich einmal die Taurus Befürworter, die in der deutschen Bevölkerung die Minderheit, in der deutschen Politik aber die Mehrheit sind, klargemacht, in welcher Weise Russland auf einen Angriff auf seine Städte reagieren würde? Fällt niemandem auf, wie vergleichsweise niedrig die Opferzahlen der Zivilbevölkerung sind, niedriger als in dem viel kürzeren Krieg im Gazastreifen und ein Bruchteil gegenüber den zivilen Opfern als Folge des 2. Irakkrieges der USA? (…) Eine realistische Sicht auf die militärische Lage muss berücksichtigen, dass Russland neben den USA die größte Nuklearmacht der Welt ist, über eine gewaltige Rüstungsindustrie verfügt, und im Notfall auf die Unterstützung Chinas zurückgreifen kann. – Es ist unterdessen eingetreten, wovor der SPD – Intellektuelle Erhard Eppler einmal gewarnt hatte, dass die mangelnde Einbindung Russlands zu einer neuen Blockbildung mit China führen könnte, und der Westen daran kein Interesse haben kann. (….) Der Zeitpunkt für einen Waffenstillstand und anschließenden Friedensverhandlungen ist gekommen. Ziel muss eine Sicherheitsarchitektur in Europa sein, die das realisiert, was Theoretiker der Sicherheitspolitik seit Jahrzehnten konzipiert haben, nämlich strukturelle Nichtangriffsfähigkeit. Das zentrale Prinzip der Friedenssicherung, dass niemand sicher ist, wenn nicht aller sicher sind, muss wieder zur Leitschnur werden. Ausgangspunkt sind die Interessenlagen aller Beteiligten. Das überragende ethische Ziel ist einen gerechten Frieden so zu sichern, dass diese Interessenlagen berücksichtigt werden und Stabilität auf Dauer gesichert ist. Wer jetzt noch an einen umfassenden Sieg der Ukraine glaubt, leidet an Realitätsverlust und ist bereit einen dritten Weltkrieg zu riskieren.“

Nida Rümelin hat in seinem Essay von den politischen Handlungserfordernissen geschrieben. Nach meiner Auffassung verpflichten alleine die wahrscheinlich bisher mehr als 100.000 getöteten ukrainischen und russischer Soldaten, Politiker und Politikerinnen dazu, Verhandlungen zu einem sofortigen Waffenstillstand anzustreben, anstatt mit Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine das Leiden der Menschen, sowohl Soldaten als auch Zivilisten, zu verlängern!

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, in Israel und im Gazastreifen, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Aus Anlass des 75-jährigen Bestehens unseres Grundgesetzes lese ich aus Artikel 1:

  • Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2)       Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Artikel 26

(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

(2) Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Morgen, am Samstag den 04.05. findet von 9.30 – 16 Uhr im Welthaus Stuttgart ein Studientag mit Christine Schweitzer vom Bund für soziale Verteidigung statt. Thema: „Wehrhaft ohne Waffen – Wie soziale Verteidigung in Deutschland aufbauen?“ –
  • Am Montag, den 06.05.24, trifft sich von 18.00 Uhr – 19.30 Uhr im Martin-Luther- Haus die „Ökumenische Friedensgruppe der Stadtkirchengemeinde Schorndorf“. Alle Interessierten sind herzlich willkommen.
  • Am Dienstag, den 14.05.24 findet um 19.00 Uhr in der Johanneskirche in Stuttgart eine Veranstaltung mit dem Titel „Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg“ statt. Zu Gast sind Konstantin Wecker, Margot Käßmann und der Tübinger Theodorakis-Chor.
  • Am Montag, den 3.06.24 wird um 19.30 Uhr Clemens Ronnefeldt in der Manufaktur sprechen. Er ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes. Das Thema lautet: „Medien im Krieg“.
  • Unsere nächste Mahnwache ist heute in einer Woche, dem 10.05. um 18.00 Uhr, wieder auf dem Marktplatz.
  • Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander.

 

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