Es folgend die Beiträge zu dieser Mahnwache
Uwe:
Guten Abend. Ich begrüße Sie im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg.
In meinem Redebeitrag bei unserer Mahnwache in der Woche vor Ostern hatte ich über die Ostermärsche gesprochen und in diesem Zusammenhang über die Rolle, die die Naturfreunde dabei spielten. Auch heute, angesichts des Krieges in der Ukraine und der vielen anderen weltweit stattfindenden Kriege, haben die Naturfreunde eine klare Haltung dazu.
Ich begrüße den Naturfreund Josef Mommert-Ries, der nun über das Engagement der Naturfreunde für den Frieden sprechen wird.
Josef Mommert:
Wir Schorndorfer Naturfreunde wurden von der Friedensmahnwache um einen Beitrag gebeten, auch mit dem Hinweis auf die Rolle der Naturfreund Innen seit Beginn der Friedens- und Ostermarschbewegung und auf die hervorragenden Statements des Bundeskongresses und unseres 1. Vorsitzenden Michael Müller.
Zunächst ein paar Worte zur Geschichte: Nachdem die Adenauer-Regierung 1955 die Bundeswehr ins Leben gerufen hatte und ab 57 offen deren atomare Bewaffnung propagierte, stieß dies auf breite Ablehnung in der Bevölkerung, unterstützt von den Kirchen, den Gewerkschaften und der SPD.
Gegen die geplante Aufrüstung gab es 1958 Demonstrationen in Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund Essen und Hamburg mit insgesamt 1,5 Mio Teilnehmenden. In der Hansestadt gab es die bis dahin größte politische Demonstration der Nachkriegszeit mit weit über 120.000 Menschen und im Anschluss die erste deutsche „Mahnwache“ des Aktionskreises für Gewaltlosigkeit, der 14 Tage und Nächte gegen die geplante Atombewaffnung protestierte. Wir stehen heute hier also in der Nachfolge dieser ersten deutschen Mahnwache.
Mit der Verabschiedung des Godesberger Programms 1959 zogen sich jedoch SPD und Gewerkschaften aus der Kampagne zurück. Die hinterlassene Leerstelle in der Organisation wurde von der seit ihrer Gründung antimilitaristischen Naturfreundejugend gerne gefüllt. Deren hessische Geschäftsstelle organisierte im Jahr 1959 einen 20-Kilometer-Marsch nach Offenbach gegen die geplante Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen. Die NaturFreunde selbst hingegen warteten zunächst ab und rangen sich gerade so zu einer Tolerierung durch. Die Jugend möge sich gewaltfrei und ordentlich verhalten, lautete der Appell.
Dieser Marsch war der Vorläufer der Ostermärsche, die ab 61 bundesweit in Erscheinung traten und zunächst weiterhin von der hessischen Naturfreundejugend in Zusammenarbeit mit dem neugegründeten Verband der Kriegsdienstverweigerer organisiert wurden, dessen Sekretär der langjährige hessische Naturfreundejugendleiter Klaus Vack wurde.
Heute haben wir in Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wieder eine Situation, in der sich eine ehemalige Friedenspartei und ein Teil der Bewegung vom Pazifismus verabschiedet haben und in Aufrüstung und Waffenlieferungen ihren Weg sehen.
Da bin ich sehr froh, dass die Naturfreunde sehr klar „NEIN zur Logik des Krieges – JA zur Sprache des Friedens“ sagen, so der Leitsatz ihrer Friedensresolution.
Ich will daraus 2 Gedanken aufgreifen. Die ganze Resolution könnt ihr auf der Homepage unter naturfreunde.de nachlesen. Ihr werdet sehen, dass sich der Tenor der Resolution weitgehend mit dem deckt, was an dieser Stelle gesagt wurde.
Der erste und wichtigste Punkt ist natürlich:
„In der Ukraine herrscht Krieg. Wir müssen alles tun, um einen Waffenstillstand zu erreichen und einen Dritten Weltkrieg zu verhindern. Sofortiger Waffenstillstand „ist nicht nur eine Erwartung an die Kriegsparteien, sondern auch an Europa, primär die Verantwortung für eine Friedenslösung zu übernehmen, statt schwere Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern.“
Wir wissen, dass wir diese Erwartung mit einer großen Zahl, wenn nicht der Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger teilen. Leider wird der politisch-mediale Diskurs derzeit von einer Welle des moralischen Bellizismus beherrscht, der neben immer mehr Waffen für den Krieg auch die Aufrüstung und Militarisierung der BRD fordert.
Tun wir alles, dass dagegen die Sprache des Friedens wieder Gehör findet.
Zweitens, und das wird z.Z. leider zu oft vergessen: „Kriege fallen nicht vom Himmel, sie haben immer eine Vorgeschichte. Ihre Ursachen liegen in internationalen, militärischen wie politischen Machtverhältnissen, in wirtschaftlichen Interessen und Expansionsideologien, auch in sozialen Ungleichheiten, kulturellen Konflikten und heute insbesondere in ökologischen Gefahren, die vom Kampf um Öl und Ressourcen bis zu den heraufziehenden Bedrohungen der vom Menschen verursachten Klimakrise und Zerstörung der biologischen Vielfalt reichen.“
Um Frieden zu schaffen, reicht es daher nicht, einen durchgeknallten Despoten zu stoppen. Vielmehr müssen wir die Jagd nach Profiten beenden, den sich zuspitzenden globalen Wettstreit um Einflusszonen, Lieferketten und Märkte.
Zurück zu den Naturfreunden: Die NaturFreunde verstehen sich als Teil der Friedensbewegung: NaturFreund Georg Elser wollte Hitler töten, um den Krieg zu stoppen. NaturFreund Willy Brandt bekam für seine Politik der Aussöhnung und Entspannung den Friedensnobelpreis. In dieser Tradition haben wir vor zwei Jahren auch die erste große Friedenswanderung veranstaltet von Hannover bis an den Bodensee unter dem Motto: Frieden in Bewegung!
In diesem Jahr geht es weiter. Zuerst radeln wir zusammen mit französischen NaturFreund*innen von Straßburg nach Saarbrücken, um dann vom 1. Mai bis Anfang Juli bis nach Terezín in Tschechien zu wandern, wo Frieden in Bewegung 2023 am ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt enden wird. Diese Friedenswanderung wird insgesamt 68 Tage unterwegs sein.
Wir laden Gewerkschaften, Kirchen, Sozialorganisationen, Friedensgruppen, Kulturschaffende und überhaupt alle friedensbewegten Menschen ein, mit uns für den Frieden zu wandern.
Europa ist an einem Scheidepunkt. Aber die Sprache des Militärs ist zu laut. Stattdessen braucht es die Sprache des Friedens.
Ich schließe mit einem Satz von Brecht, den er 1951 in großer Sorge wegen der damals schon beginnenden Remilitarisierung schrieb:
„Das große Karthago führte 3 Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, z.B. im Sudan, im Kongo, in Syrien. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.
Ich lese einen Text von Hellmut Gollwitzer:
Freiheit
Wir sind reicher und freier als wir meinen.
Wir können aus unseren Verhältnissen
und inmitten der Zwänge mehr machen,
als es von außen scheint.
Nicht mitmachen, was alle machen.
Dem Unterdrückungsmechanismus entgegen stehen.
An Bewegungen der Befreiung teilnehmen.
Mitmenschlich und politisch werden.
Freiheit,’mitten im Zwang,
ist keine Utopie,
keine Trostideologie,
ist täglich neue Möglichkeit.
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- bitte schauen Sie wieder auf unsere Homepage https://friedensinitiative-schorndorf.de/. Da gibt es neben den Texten der Mahnwache auch andere interessante Beiträge sowie links zu Aufrufen, die man unterzeichnen kann.
- Am Montag, den 8. Mai ist um 17.00 Uhr in Stuttgart am Mahnmal für die Opfer des Faschismus eine Kundgebung zum Tag der Befreiung.
- Am Freitag, den 19. Mai ist um 12.00 Uhr eine Kundgebung vor der japanischen Botschaft beim Hauptbahnhof Stuttgart anlässlich des G7-Gipfels in Hiroshima. Forderungen: „Kein Ersteinsatz von Atomwaffen, Atomwaffen verbieten, Verbotsvertrag unterzeichnen“.
- Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, den 28.04. um 18.00 Uhr wieder hier auf dem Mittleren Marktplatz.
- Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander. Wir wünschen Ihnen dann einen guten Nachhauseweg.