Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.
Uwe:
Guten Abend. Ich begrüße Sie im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg.
In der vergangenen Woche, oder war es in der vorletzten Woche, war in unserer Lokalzeitung ein Foto von unserem Bundeskanzler zu sehen, welches ihn im Cockpit eines Eurofighter Kriegsflugzeuges sitzend zeigt, und sich von einem Piloten die Instrumente erklären lässt. Bildunterschrift: Ein absolutes Novum; – „noch nie nahm ein deutscher Kanzler in einem Kriegsflugzeug Platz!“ Diese Foto von Scholz im Kriegsflugzeug hat einen hohen Symbolwert. Es zeigt deutlich, dass die von Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ vollumfänglich umgesetzt wird; nicht nur materiell, mit immer mehr Kriegswaffen, sondern auch in den Köpfen vieler Menschen. Unser Bundeskanzler, wie auch der Vorsitzende der SPD Klingbeil, waren immerhin Kriegsdienstverweigerer, und laut Andreas Zumach war Scholz als Jungsozialist auch in der Organisation von Veranstaltungen für den Frieden aktiv.
Auch in meinem näheren Umfeld äußern sich zunehmend Freunde oder Bekannte dahingehend, dass sie dem Pazifismus abgeschworen hätten, weil dieser hinsichtlich des Krieges in der Ukraine anmaßend wäre. Und auch ehemalige Kriegsdienstverweigerer erklären, dass sie heutzutage den Kriegsdienst nicht mehr verweigern würden. Auch wäre die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gerechtfertigt und alternativlos. Wenn ich bei diesen Gesprächen die Möglichkeit der gewaltfreien Sozialen Verteidigung erwäge, ernte ich hierfür ein müdes Lächeln und heftigen Widerspruch.-
Die VHS Schwäbisch Gmünd, für die ich stundenweise als Dozent tätig bin, hatte vor einem oder zwei Jahren eines ihrer Semester unter das Motto „Wenn die einen Mauern hochziehen, bauen die anderen Windmühlen“ gestellt.
Dieser Aphorismus gefällt mir sehr gut, weil er meiner Ansicht nach den vorherrschenden Zeitgeist beschreibt. – Aber leider beherrschen die, die die Mauern hochziehen, vorrangig die öffentliche Meinung. Und die Windmühlenbauer, zu denen ich uns, die wir hier allwöchentlich versammelt sind rechne, sind entweder noch zu wenige oder zu leise! Und leider ist es nicht nur so, dass das Mauern nur ideell zu verstehen ist, sondern tatsächlich auch praktisch und realistisch. Mit der praktischen Umsetzung des sog. Asylkompromisses schotten sich die Staaten der EU mit den Sammellagern an Europas Außengrenzen tatsächlich massiv gegen Schutzsuchende ab. Der Asylkompromiss beinhaltet die Vereinbarung, alle Migranten und Migrantinnen, die das europäische Festland erreicht haben, zunächst in den oben genannten Sammellagern festzusetzen. Dort soll festgestellt werden, welcher Flüchtende ein Recht darauf hat, einen Asylantrag zu stellen und welcher nicht. Flüchtende, die nach Ansicht der Migrationsbehörden kein Anrecht darauf haben, einen Asylantrag zu stellen, sollen dann umgehend wieder in das Land abgeschoben werden, von welchem aus sie ihre Flucht nach Europa gestartet haben.
Vorgestern Abend war im TV in der Sendung „Auslandsjournal“ zu sehen und zu hören, wie der tunesische Präsident Kais Saied, dem der Ruf, ein brutaler Despot zu sein vorauseilt, von vielen wichtigen Politikerinnen und Politikern der EU hofiert wird, mit der Absicht, ähnlich wie mit dem türkischen Möchtegernsultan Erdogan, einen Deal abzuschließen, mit dem dieser, gegen Bezahlung natürlich, Flüchtlinge, die von Tunesien aus sich per Schiff auf den Weg nach Europa aufmachen, diese von seiner Küstenwache daran zu hindern, oder wieder zurück zu nehmen. Damit dies noch besser als bisher gelingt, soll die tunesische Küstenwache mit Geldern aus der EU aufgerüstet werden, ähnlich wie die Küstenwache des von den USA und Großbritannien zu einem „failed state“ gebombten Libyen.
Vor zwei Tagen war in der Sendung „Auslandsjournal“ des ZDF zu sehen und zu hören, wie unsere Innenministerin Feser, gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Meloni, dem franz. Innenminister Dermanin, und der Präsidentin der EU Kommission, Frau von der Leyen, dem tunesischen Präsidenten gegenüber ihre Aufwartungen machten. Dem tunesischen Präsidenten Kais Saied geht der Ruf voraus, dass er sein Land diktatorisch regiert und brutal gegen schwarzafrikanische Migranten vorgehen lässt. – Normalerweise vermeiden westliche Politikerinnen und Politiker den Kontakt zu Saied. Ich selbst empfand diesen Vorgang beschämend und peinlich!
EU Kommissare/Innen sind bestrebt, auch mit anderen afrikanischen Staaten wie Niger und Marokko, solche Deals abzuschließen.
Die Pläne, Flüchtende in Sammellagern festzuhalten, werden von NGO´s wie ai, pro-asyl, human watch, medico international u.a. heftig kritisiert. Ebenso die Zunahme von Push-backs, die von einigen EU-Mitgliedsstaaten wie Polen, Ungarn, Lettland nachträglich per Gesetzesänderung legalisiert wurden.
Von den o.a. Organisationen wird auch kritisiert, dass diese Auffanglager Haftanstalt ähnlichen Charakter haben. Und unser württembergischer Ministerpräsident, der wie unsere Innenministerin diesen Asylkompromiss als „historischen Erfolg“ bezeichnet, meint dazu, dass die in den Lagern ankommenden Migranten keineswegs in Haft genommen würden; -“sie alle könnten ja ungehindert wieder dahin zurück, wo sie hergekommen“ wären.
Wie unterschiedlich Menschenleben geschätzt werden konnten wir während der letzten Tage erfahren. Da machten sich 5 Millionäre auf, mit einem Mini-Uboot für jeweils 250.000 Dollar, trotz nicht zu überhörender Warnungen von verschiedenen Fachleuten, zum Wrack des 1912 gesunkenen Luxus- Ausflugsschiffs „Titanic“, welches in ca. 4000 km Tiefe im Meer vor sich hin rostet. Offensichtlich ging diesem U-Boot, welches bezeichnenderweise auf den Namen „Titan“ getauft war, bei diesem Tauchgang sprichwörtlich die „Puste aus“.
Heute wurde im Hörfunk und den Tageszeitungen gemeldet, dass von der „Titan“ nur noch Trümmer auf dem Meeresboden zu finden und die Passiere tot wären.
Dem gingen voraus, finanziell äußerst aufwendige Rettungsversuche mit Flugzeugen, Spezialschiffen, Tauchrobotern….
Da tut sich für mich ein Abgrund auf, wenn ich dies mit den Rettungsversuchen von karitativen Hilfsorganisationen im Mittelmeer vergleiche, die daran von EU- Behörden gehindert werden, oder mit Bestrafung rechnen müssen, wenn sie versuchen, das Leben von Migranten zu retten!
Diese traurige Begebenheit entbehrt aber nicht einer schicksalhaften Ironie: – die Passagiere des gesunkenen Ozeanriesen waren, außer den Besatzungsmitgliedern, allesamt wohlbetuchte Menschen. Und die Passagiere des Tauchbootes ebenso!
Ich möchte nun noch einmal kurz zu den o.g. Auffanglagern zurückkommen. In den diversen Meldungen darüber wurde nicht darüber informiert, welche Flüchtenden nach dem Asylkompromiss ein Recht darauf haben, einen Asylantrag zu stellen. Nach den Informationen, die mir zu Verfügung stehen, werden Menschen, die wegen der weltweit eingetretenen Klimakatastrophe ihre Heimat verlassen, keinen Asylantrag stellen können. Und diese sog. Klimaflüchtlinge werden schon bald immer mehr werden, und die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten sein.
Und wenn es richtig ist, dass die Menschen der wohlhabenden Länder des globalen Nordens mit ihre Lebensweise dafür verantwortlich sind, dass von den dramatischen klimatischen Veränderungen am allermeisten die Menschen des globalen Südens betroffen sind, ist es nach meiner Ansicht verpflichtend, diese Menschen bei uns aufzunehmen. Das bedeutet aber, dass wir im übertragenen Sinne „Windmühlen bauen müssen, anstatt Mauern zu errichten“.
Während der vergangenen 2 Wochen fanden sich Politiker und Politikerinnen zusammen, um über eine sog. „Nationale Sicherheitsstrategie“ zu beraten. Darauf wollte ich in meinem heutigen Redebeitrag eigentlich eingehen. Aber des Asylkompromiss hat mich, wie Sie gehört haben, umfangreich beschäftigt. Aber bei der nächsten oder übernächsten Mahnwache werden wir uns mit diesem Thema beschäftigen.
Danke!
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Ich lese einige Zitate von Willy Brandt:
„Ob ein Mensch in kriegerischer Auseinandersetzung getötet oder durch Gleichgültigkeit zum Hungertod verurteilt wird, das macht moralisch keinen Unterschied. (…) Wer den Krieg ächten will, muss auch den Hunger ächten.“
„Die reichen Nationen werden nicht reich bleiben, wenn die Armenhäuser der Menschheit wachsen.“
„Ich glaube nicht, dass diejenigen Recht haben, die meinen, Politik bestehe darin, zwischen schwarz und weiß zu wählen. Man muss sich auch häufig zwischen den verschiedenen Schattierungen des Grau hindurch finden.“
„Ich begreife eine Politik für den Frieden als wahre Realpolitik dieser Epoche.“
Zum Schluss noch ein Zitat von Niccolo Machiavelli:
„Wer sich mit einem halben Siege begnügt, handelt allzeit klug; denn immer verliert, wer einen Sieg bis zur Vernichtung des Gegners anstrebt.“
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- vom 22. – 24. 06. findet die sogenannte „2. Nuclearban Tour“ statt. Das ist eine Friedensradtour von Vaihingen Enz über Überlingen, Ulm nach Stuttgart Vaihingen. Im Fokus steht die Stärkung des Atomwaffenverbotsvertrages, den bisher 68 Staaten ratifiziert haben. Morgen, am Samstag den 24.06. werden die Radler vor dem Haupttor des Eucom in Stuttgart Vaihingen ankommen. Dort beginnt um 15.30 Uhr eine Kundgebung, u.a. mit Musik der Gruppe „Lebenslaute“. Veranstalter der Kundgebung sind die Eucom AG und die Friedenswerkstatt Mutlangen. Wer von Schorndorf aus gemeinsam zum Eucom fahren möchte, trifft sich am Bahnhof für die Fahrt um 13.44 Uhr mit dem MEX.
- Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, den 30.06. um 18.00 Uhr wieder hier auf dem Mittleren Marktplatz.
- Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander. Wir wünschen Ihnen dann einen guten Nachhauseweg.