Mahnwache vom 30.06.2023

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen:

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die gekommen sind.

Heute vor einer Woche endete das größte Manöver seit Bestehen der Nato, „Air Defender 23“. Unsere Politiker haben sich mit Stolz über den Ablauf geäußert. Deutschland ist wieder militärische Führungsmacht in Europa. Jedem historisch sensiblen Menschen läuft bei diesem Satz ein kalter Schauer über den Rücken. Wovon kaum jemand spricht sind die Kosten des Manövers, die Zahlen zum verursachten CO2 Ausstoß, und viele weitere wichtige Fakten. Gut, dass es bundesweit zahlreiche Protestaktionen gegen das Manöver gab, selbst wenn auch davon natürlich in den Medien nicht die Rede ist. Gut, dass es Menschen gibt, die laut und deutlich sagen: „Wer das Klima wirklich retten will, muss zwangsläufig gegen solche Manöver, gegen die ganze wahnsinnige Aufrüstung und gegen jeden Krieg sein“.

Am letzten Samstag fanden Aktionen am Atomwaffenstandort Büchel, am Standort der Kampfjets Nörvenich und am Eucom in Stuttgart Vaihingen statt. Gut, dass viele Menschen gegen den atomaren Wahnsinn auf die Straße gehen.

Ich möchte heute erzählen von einem fast vergessenen Krieg, dem Vietnamkrieg, und von einem Soldaten, der zum Friedenskämpfer wurde: George Mizo.

Bereits seit den 1950er Jahren führten die USA in Vietnam einen verdeckten Krieg. 1964 eskalierte er mit einer Lüge. Washington behauptete, Nordvietnam hätte im Golf von Tonkin ein amerikanisches Kriegsschiff angegriffen. Eine Lüge, wie sich später herausstellte. Ein langer Krieg begann, der erst 1975 mit mehr als zwei Millionen Toten endete, mit der Niederlage der USA und ein Jahr später mit der Wiedervereinigung von Süd- und Nordvietnam.

Mit 17 Jahren trat George Mizo begeistert in die Armee ein, um in Vietnam zu kämpfen.  George und Millionen andere US-Bürger glaubten den Botschaften ihrer Regierung, dass man den Menschen im westlich geprägten Südvietnam beistehen müsse gegen kommunistische Angriffe aus dem Norden. Führende Politiker suggerierten: Wenn die USA nicht einschreiten, werden die Kommunisten übermorgen vor der Haustür stehen.  George Mizo sagte später in einem Interview: „Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, meinem Land in Kriegszeiten nicht zu dienen. Ich wollte mitten ins Kriegsgebiet. Ich wollte unbedingt kämpfen“.

Mizo wurde Sergeant, befehligte in der schweren mobilen Artillerie an vorderster Kriegsfront eine Gruppe von Kämpfern und wurde nach einem Jahr zum dritten Mal verletzt. Diesmal so schwer, dass seine Rückführung in die USA nötig wurde. Zu Hause erfuhr er, dass alle seine Kameraden bei einem Raketenangriff gestorben waren. Ein Schock, der sein Leben veränderte.

Er erkannte auch, dass seine Truppen genau das Land zerstört hatten und genau die Menschen getötet hatten, von denen er dachte, er würde sie beschützen. Präsident Kennedy hatte angeordnet, in Vietnam das hochgiftige Entlaubungsmittel Agent Orange einzusetzen. Damit vernichteten die USA und ihre Alliierten Wälder, um dem Feind die Deckung zu rauben, und sie zerstörten Reisfelder. Agent Orange enthält das giftigste aller etwa 420 Dioxine. Es ist eines der verheerendsten Gifte, das je vom Menschen hervorgebracht wurde. Das vietnamesische Rote Kreuz schätzt, dass im Land etwa eine Million Menschen leben, die wegen dieser Chemiewaffe krank oder behindert sind. Darunter 150 000 Kinder, die seit Kriegsende 1975 behindert geboren worden sind. Die Spätfolgen fordern noch immer Opfer, noch immer werden Kinder mit Missbildungen geboren. Über wie viele Generationen das Gift noch Unheil anrichten wird, weiß man nicht.

George Mizo verweigerte die Rückkehr nach Vietnam und gab alle seine militärischen Orden zurück. Wegen Befehlsverweigerung wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Daraus folgte für ihn die moralische Verpflichtung, das Töten zu stoppen, und sein Leben dafür aufs Spiel zu setzen. Er wurde zum Friedensaktivisten, der auf den Treppen des Kapitols in Washington gegen den Vietnamkrieg protestierte.

Im September 1986 war  er erschüttert darüber, dass sein Land bereits wieder Krieg führte. Diesmal in Nicaragua. Aus Protest trat er zusammen mit drei anderen Vietnamkriegs-Veteranen in einen Hungerstreik. Eineinhalb Monate dauerte dieser und endete beinahe tödlich.

Zusammen mit seiner Frau baute George Mizo später in Vietnam das „Dorf der Freundschaft“ auf. 1993, also vor genau 30 Jahren, erfolgt der erste Spatenstich. Bis heute sind in dem Dorf nahe Hanoi über 600 meist Agent-Orange-geschädigte Kinder und über 7000 vietnamesische Kriegsveteranen behandelt worden. Das Besondere am Dorf mit seinen heute dreizehn Häusern ist: Es entstand mit Hilfe ehemaliger Kriegsgegner, ausgerechnet unter der Leitung jenes Ex-Generals, der damals den Befehl zum Angriff auf George Mizos Truppe gegeben hatte, bei dem alle Männer gestorben waren. Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt.

Bei der Einweihung 1998 sagt George Mizo: „Die Wurzeln liegen im Wunsch von Veteranen aus Frankreich, Großbritannien, den USA und Vietnam, dass wir gewaltfreie Mittel zur Lösung von Konflikten finden müssen. Wir wollen, dass das Freundschaftsdorf ein Beispiel dafür ist, wie Menschen aus verschiedenen Ländern, verschiedenen Kulturen, ja selbst ehemalige Feinde ihre Unterschiede beiseite legen können, um gemeinsam etwas zu schaffen, das Hoffnung gibt und Versöhnung – und heilt“.

George Mizo litt selbst schwer an den Folgen von Agent Orange. Er starb daran am 18. März 2002 im Alter von nur 56 Jahren. Das Dorf der Freundschaft existiert bis heute. Seine Frau Rosemarie Höhn-Mizo führt als Vorsitzende des deutschen Unterstützungsvereins das Lebenswerk ihres Mannes weiter.

Es gibt ein altes jüdisches Sprichwort: „Wer einen Menschen rettet, rettet die Welt“. George Mizo sagte dazu: „Ich weiß, dass wir gemeinsam die Zerstörung dieses Planeten stoppen können. Ich glaube wirklich an das, was Gandhi gesagt hat, dass das Böse nur existieren kann, wenn gute Menschen nichts tun“. Mizo war überzeugt davon, dass jeder Einzelne durch sein Engagement etwas bewegen und positiv verändern kann. Daher war sein Leitsatz, den er immer wieder aussprach: “You can make a difference”. Wörtlich übersetzt: „Du kannst einen Unterschied machen“. Also: Es macht einen Unterschied, ob du dich einsetzt oder ob du resignierst und sagst: „Das bringt ja alles nichts“ oder „ich alleine kann doch nichts machen“. Auch wenn man das Ergebnis nicht sofort sehen kann: „You can make a difference“.

Ich schließe mit einem Gedicht von George Mizo:

Du, meine Kirche, du sagtest mir: Es ist falsch zu töten. Außer im Krieg.
Ihr, meine Lehrer, ihr sagtest mir: Es ist falsch zu töten. Außer im Krieg.
Ihr, mein Vater, meine Mutter, ihr sagtet mir: Es ist falsch zu töten. Außer im Krieg.
Ihr, meine Freunde, sagtet mir: Es ist falsch zu töten. Außer im Krieg.
Du mein Land sagtest mir: es ist falsch zu töten. Außer im Krieg.
Ihr schicktet mich in den Krieg, um zu töten.
Und als ich keine Wahl hatte, sagtet ihr mir, ich sei im Unrecht,
weil ich das tat, was ihr verlangt habt.
Aber jetzt weiß ich: ihr hattet Unrecht.
Und jetzt, meine Kirche, meine Lehrer, meine Eltern, meine Freunde, meine Regierung, will ich euch sagen: Es ist falsch zu töten. Punkt!
Das müsst ihr lernen,
genau so, wie ich es lernen musste.

Uwe:

Bei unserer Mahnwache gegen den Krieg vor einer Woche, hatte ich in meinem Redebeitrag den von FDP und SPD Politikerinnen und Politikern hochgelobten, und von den Grünen letztlich mit getragenen „Asylkompromiss“ kritisiert, weil er meiner Ansicht nach hauptsächlich mit dem Ziel gemacht wurde, möglichst viele Flüchtende vom europäischen Festland fernzuhalten, und damit das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl konterkariert.

Gestern wurde im ZDF in der Sendung Monitor deutlich aufgezeigt, wie das Fernhalten von Flüchtenden u.a. praktiziert wird. Es wurde, mit Filmmaterial unterlegt, berichtet, dass der vor einer Woche mit ca. 500 Flüchtenden überladene Fischkutter auf seinem Weg nach Europa schon über 20 Stunden vor seinem Untergang vor der Küste Griechenlands, von Teams in Überwachungsflugzeugen und Helikoptern der EU -Grenzschutz – Agentur Frontex beobachtete wurde.

Es war deutlich zu erkennen, dass sich die auf dem Kutter befindenden Menschen in höchster Seenot befanden. – Nach international geltendem Seerecht hätten die Besatzungen der Flugzeuge und Helikopter die entsprechenden Behörden dazu auffordern müssen, entsprechende Hilfsmaßnahmen zu ergreifen. Dies unterblieb aber!

Wenige Stunden bevor das Boot sank, tauchte ein Schnellboot der griechischen Küstenwache bei dem Schiff auf und nahm dieses in Schlepptau. Aber nicht, wie gerettete Flüchtende, die sich auf dem Boot befunden hatten, berichteten, um das Boot in einen Hafen an der griechischen Küste zu schleppen, sondern, um es mit gewagten ruckartigen Anfahrten oder gefährlichen Steuerungsmanövern zum Sinken zu bringen, was bekannterweise schließlich auch gelungen ist und ca. 400 Menschen, darunter auch Kleinkinder und Säuglinge, das Leben kostete.

Auch wurden in dem Beitrag Filme gezeigt, auf denen deutlich zu erkennen ist, wie Teams der griechischen Küstenwache oder Frontex auf hoher See, weitab von der griechischen Küste, Menschen in Schlauchbooten aussetzten und sie ihrem Schicksal überließen.

Wir laden Sie nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen und all derer gedenken, die durch kriegerische Auseinandersetzungen ermordet, verletzt, ihrer Heimat beraubt wurden, oder sich auf der Flucht vor Krieg und Elend befinden, insbesondere der Flüchtenden, die auf ihrem gefährlichen Weg nach Europa ihr Leben verlieren, oder die gezwungen werden umzukehren.

Wir gedenken der Natur und unserer natürlichen Lebensgrundlage, gegen die weltweit ein permanent stattfindender Krieg geführt wird, und die erbarmungslos zerstört wird.

Wir gedenken der Menschen, die sich weltweit gegen den Krieg oder gegen die Zerstörung unserer Mitwelt engagieren.

Uwe:

Martin Stöhr: Krieg und Friede

Es gibt immer nur wenige Agenten und Täter des Todes
Aber es sind viele Gleichgültige,
die ihnen das Geschäft des Todes nicht verwehren.
Es sind wenige,
die am Werk der Versöhnung und des Friedens arbeiten.
Auf ihnen ruht die Hoffnung,
dass die laufenden Kriege
zugunsten von Gerechtigkeit und Frieden,
zugunsten von Millionen Kindern, Männern und Frauen
vermindert oder gar beendet werden.
Der Krieg rechnet mit uns
und spekuliert auf unsere Gleichgültigkeit.
Der Frieden rechnet aber erst recht mit uns,
dass wir die Erinnerung an die Toten
in Arbeit für die Lebenden und vom Tod Bedrohten umsetzen.
Dazu sind wir fähig.

Uwe:

Bevor wir nun den offiziellen Teil unserer heutigen Mahnwache beenden, hier noch ein Hinweis auf Veranstaltungen:

♦ Am Do, 6.Juli d.J. liest Jürgen Grässlin um 19.30 h in der Glockenkelter in Stetten, Obergass 43, aus seinem Buch „Einschüchtern zwecklos, unermüdlich gegen Krieg und Gewalt“.

♦ Am Samstag, 8.Juli d.J. wird um 13.00h in Stuttgart vor dem Rathaus anlässlich des Flaggentags der „Mayors for Peace“ die diesbezügliche Flagge gehisst.

♦ Bei unserem Treffen vor drei Wochen nach der Mahnwache mit einigen von Ihnen hatten wir vereinbart, dass wir uns nach der nächsten Mahnwache, am 7. Juli zu einer weiteren Beratung in der Manufaktur treffen wollen.

♦ Unsere nächsten Mahnwache ist am kommenden Freitag, den 7. Juli um 18.00 Uhr wieder auf dem Mittleren Marktplatz.

♦ Der offizielle Teil unserer heutigen Mahnwache geht hiermit zu Ende. Wir bedanken uns für Ihr kommen, wünschen Ihnen einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

One comment

  1. Es ist ein sehr langer Weg, auf den Eure Friedensinitiative sich begeben hat. Einen langen Weg habt Ihr schon zurückgelegt. Ihr seid eine Stimme, die sich nicht mundtot machen lässt.

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