Mahnwache vom 25.07.2025

Posted by

Bild von heidrun

Hier der Redebeitrag dieser Mahnwache:

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die gekommen sind. Es ist unsere letzte Mahnwache vor den Sommerferien, mit Ausnahme unserer Hiroshima-/ Nagasaki- Mahnwache am 08. August.

Ich möchte heute einige Gedanken mitteilen zum Thema: „Umgang mit guten Nachrichten und Umgang mit schlechten Nachrichten“. Gute Nachrichten – gibt es die überhaupt noch? Wir sind uns einig, dass seit Jahren die schlechten Nachrichten bei Weitem überwiegen. Wir sind täglich mit ihnen konfrontiert. Sie lösen Sorge, Angst, Trauer, Hilflosigkeit, Resignation oder Wut aus. Sie beschweren die Seele und lassen oft kaum noch Lebensfreude zu. Daher müssen wir sie manchmal auch verdrängen. 

Doch gute Nachrichten? Man hat das Gefühl, sie sozusagen mit der Lupe suchen zu müssen. Wenn ich auf eine gute Nachricht stoße, stellt sich ehrlich gesagt gleich Misstrauen ein. Ist diese Nachricht wirklich gut, oder bin ich bloß naiv, wenn ich etwas Positives darin sehe? Wird nicht am nächsten Tag schon wieder das Gegenteil in der Zeitung stehen?

So ähnlich ging es mir letzten Montag, als ich die Zeitung zur Hand nahm. Da gab es doch tatsächlich 4 Überschriften, die sich positiv anhörten:

  1. „Selenskyj will Verhandlungen in Gang bringen“. Es wurde von einem geplanten Treffen von ukrainischen und russischen Unterhändlern in berichtet.
  2. „Drusen erobern Gebiete in Südsyrien zurück“. Von einer vereinbarten Waffenruhe war die Rede.
  3. „Atomstreit: Iran will verhandeln“. Ein Treffen zwischen Iran, Deutschland, Frankreich und Großbritannien wurde angekündigt.
  4. „Vermittlungsprofi am Golf“. Es ging darum, dass der Staat Katar, und auch der Oman, es immer wieder geschafft haben, verfeindete Seiten an einen Tisch zu bringen und zu vermitteln.

Zu 1.: Ich weiß inzwischen, dass die Gespräche in Istanbul zwischen Russland und der Ukraine nicht viel gebracht haben. Jeder vernünftige Mensch hat das natürlich von vornherein gewusst. Trotzdem weigere ich mich zu sagen: „Verhandlungen mit Russland sind unmöglich –Verhandlungen mit Russland bringen sowieso nichts“. Es gilt auch weiterhin: Frieden ist nur über Verhandlungen zu erreichen, nicht über einen militärischen Sieg. Daher müssen weitere Verhandlungen geführt werden, auch wenn der Weg sehr mühsam ist.

Zu 2.: Die Lage in Syrien ist leider nach wie vor sehr unüberschaubar. Wird  das Land auf neue große Bürgerkriege zugehen, oder haben die Menschen nach so vielen Jahren Krieg und Elend nun endlich eine Chance auf ein Leben in Frieden –  für alle Volksgruppen? Ich will es nicht aufgeben, darauf zu hoffen.

Zu 3.: Auch im Iran wissen wir nicht, wie das Land sich weiter entwickeln wird, ob es einen neuen Krieg mit Israel geben wird, oder ob die heutigen Verhandlungen ein erster Schritt sind auf dem Weg zu einem Ende des Atomstreits und einem neuen Abkommen. Klar ist, dass es für die israelischen und amerikanischen Angriffe auf die iranischen Atomanlagen keine Rechtsgrundlage gegeben hat. Klar ist, dass der Iran nicht kurz davor gestanden hat, Atomwaffen zu produzieren; er könnte eher wegen der Angriffe danach streben. Klar ist auch, dass selbst der amerikanische Angriff mit absolut modernsten Waffen das iranische Atomprogramm nicht vollständig zerstört hat. Klar ist, dass dieser 12-tägige völkerrechtswidrige Angriffskrieg – so wie jeder andere Krieg auch – mehr Schaden als Nutzen verursacht hat. Klar ist, dass auch dieses Problem nur auf diplomatischem Weg gelöst werden kann. Daher will ich nicht aufhören zu hoffen, dass die Vernunft sich durchsetzt und die Diplomatie einen Weg findet.

Zu 4.: Die Staaten Katar und Oman, von denen in der vierten positiven Nachricht des letzten Montags die Rede war, sind beileibe nicht in allen Punkten vorbildlich. Trotzdem ist es erstaunlich, dass es Staaten gibt, die das Gespräch auch mit verfeindeten Lagern nicht scheuen und sich immer wieder als Vermittler anbieten. Möge solchen und anderen Vermittlern endlich Erfolg beschieden sein.

Die schlimmen Nachrichten aus Gaza reißen derweil nicht ab. Das Ausmaß des menschlichen Leidens ist unermesslich. Immerhin gibt es  zunehmend Kritik an Israel. Ich hatte letzte Woche schon von drei Initiativen berichtet. Nun haben 28 Staaten und über 100 Hilfsorganisationen von Israel ein sofortiges Ende des Krieges gefordert. Eigentlich eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Deutschland gehört nicht zu den 28 Staaten. Von unseren Politikern und auch von der Kirche hört man weiterhin: „Wir stehen fest an der Seite Israels“. Gut, dass es auch dazu Widerspruch gibt. So sagte z.B Alt-Bischof Hans-Jürgen Abromeit: „Die deutschen Kirchen verschließen die Augen vor der Realität. Das heutige Israel tritt – entgegen seiner Unabhängigkeitserklärung von 1948 – nicht mehr ein für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Propheten Israels. Man kann gegenwärtig im Livestream verfolgen, wie in Gaza jeden Tag eine Schulklasse palästinensischer Kinder durch Verhungern oder Erschießen getötet wird. Und es gibt kaum ein Wort der EKD oder einer evangelischen Kirchenleitung, die das beklagt und die beide Verursacher dieser Not, die Hamas wie den Staat Israel, beim Namen nennt und Konsequenzen fordert…. Wenn wir die Wahrheit verschweigen, machen wir uns schuldig“. So weit ein mutiger Vertreter der Kirche.

Zwei weitere Nachrichten dieser Woche will ich noch erwähnen: Bundeskanzler Merz will mit dem französischen Präsidenten Macron über einen gemeinsamen sogenannten „Nuklearschirm“ reden. Schon dieser verharmlosende und irreführende Begriff macht mich wütend. Sind wir denn von allen guten Geistern verlassen? Ausgerechnet 80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki ein neues nukleares Wettrüsten: Ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Gut, dass es rund um die Gedenktage zahlreiche Kampagnen und Aktionen der Friedensorganisationen geben wird. Das Aktionsbündnis „Atomwaffenfrei jetzt“ startet z.B. eine bundesweite Plakataktion mit dem Titel: „Für eine Zukunft ohne Atomwaffen“. Ziel ist es, rund um die Jahrestage insgesamt 60 „City Light Plakate“ in mehreren deutschen Großstädten zu platzieren. Die Friedenswerkstatt Mutlangen wird in verschiedenen überregionalen Zeitungen Anzeigen schalten. Und es gibt natürlich viele Gedenkveranstaltungen, Kundgebungen und Mahnwachen, wie auch bei uns in Schorndorf.

Nun die letzte Nachricht dieser Woche aus der gestrigen Zeitung. Überschrift: „Kretschmann kündigt Verteidigungsgipfel an“. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass der Grüne Ministerpräsident, Mitglied einer ehemaligen Friedenspartei, es bedauert, dass in Deutschland nur jeder Vierte bereit ist, selbst zur Waffe zu greifen. Er wünscht sich daher einen „Bürgerrat zur Wehrpflicht auf Bundesebene“, und das Land will einen „Innovationscampus Sicherheit und Verteidigung“ einrichten, usw. CDU-Fraktionschef Hagel sprach sich in diesem Zusammenhang für flächendeckende Schulbesuche von Jugendoffizieren der Bundeswehr an weiterführenden Schulen aus. „Jede Schülerin und jeder Schüler sollte in ihrer Schullaufbahn einmal mit einer Soldatin oder einem Soldaten gesprochen haben“. Solche Äußerungen machen mich fassungslos.

Gut, dass es Organisationen gibt wie „Pro Peace“ (früher „Forum Ziviler Friedensdienst“). Sie machen sich stark für Friedensbildung an deutschen Schulen. Zitat: „Wir sind überzeugt: Frieden ist lehr- und lernbar! Wir unterstützen Schulen in Deutschland dabei, die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Toleranz ins Klassenzimmer zu bringen… Frieden von klein auf zu lernen ist ein Schlüssel für den Friedensstandort Deutschland“. Und es gibt die Kampagne „Unter 18 nie!“ Sie fordert ein Verbot jeder Art von Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen, da sie den Prinzipien der UN- Kinderrechtskonvention widerspricht. Und was können wir Einzelnen tun?  Jeder und jede kann einen Brief schreiben an Politiker, um seinen/ ihren Widerspruch mitzuteilen. Ich bin überzeugt, dass solche Briefe durchaus wahrgenommen werden.

Die schlimmen Nachrichten sind zweifellos an der Überzahl. Kann man also nur noch resignieren? Die Verlockung dazu ist groß. Gleichzeitig sehe ich: es gibt immer wieder Menschen und Organisationen, die sich engagieren, die sich wehren, die Nein sagen. Menschen, die noch Träume in sich tragen, Visionen, Utopien. Menschen, die noch Hoffnung haben. Ich will mich immer wieder davon anstecken lassen. Ja, es macht einen Unterschied, ob wir uns einsetzen für eine bessere Welt oder nicht. Auch wenn man diesen Unterschied nicht direkt sehen oder genau in Worte fassen kann.

Doris:

Wir werden jetzt  wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg  verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Ich lese aus den Meditationen zu den zehn Geboten von Dorothee Sölle:

Das fünfte Gebot sagt mir:
Du sollst dich nicht am Töten beteiligen.
Du sollst deine Kinder nicht zum Töten erziehen.
Du sollst das Töten nicht mit vorbereiten
in Gedanken, Worten und Steuern.
Du sollst die Mittel zum Töten nicht erforschen,
herstellen, verbessern und verkaufen.
Du sollst nicht niederknien vor der Gewalt,
sondern niederknien vor dem Gott des Lebens
und den aufrechten Gang lernen.

Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Wer sich morgen an unserer letzten Friedensbanner-Aktion vor den Sommerferien beteiligen kann, möge sich bitte nachher bei mir melden. Trotz dem Getümmel und dem Lärm der SchoWo bekamen wir letzten Samstag einige positive Resonanz von den Passanten.
  • das Schorndorfer „Bündnis gegen Rassismus und Rechtsextremismus“ veranstaltet am kommenden Dienstag, den 29.07. um 17.00 Uhr aus Anlass einer AFD- Veranstaltung eine Kundgebung vor der Künkelinhalle mit dem Titel: „Für Demokratie und Vielfalt“. Mein Anliegen ist es, dass dort zum Ausdruck kommt: Es heißt nicht nur „Nie wieder Faschismus“, sondern auch „Nie wieder Krieg“.
  • Am 6. August, dem 80. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, wird es wie schon erwähnt zahlreiche Veranstaltungen geben. In Stuttgart lädt die Organisation „Ohne Rüstung Leben“ um 12.00 Uhr zum Hiroshima- Gedenken auf dem Schlossplatz ein. Außerdem wird von 6. – 28.08. im Stuttgarter Rathaus die Ausstellung der IPPNW «80-Jahre nach dem Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki» gezeigt. Die Eröffnungsveranstaltung ist am 06.08. um 17.00 Uhr.
  • Hier in Schorndorf werden wir wie jedes Jahr eine Mahnwache zum Hiroshima/ Nagasaki – Gedenken abhalten, und zwar am Freitag, den 08.08.25 um 18.00 Uhr auf dem Marktplatz.
  • Am Samstag, 09.08. um 10.00 Uhr findet ein Hiroshima- Gedenken der Friedensinitiative Waiblingen mit einer Open-air-Ausstellung » in der Fußgängerzone Waiblingen statt.
  • Am Mittwoch, den 10.09., lädt die Ökumenische Friedensgruppe der Stadtkirchengemeinde Schorndorf ein zu einem Vortrag mit Eugen Drewermann mit dem Thema „Die Bergpredigt als Zeitenwende“, um 19.00 Uhr in der Stadtkirche.
  • Unsere nächste Mahnwache findet nach den Sommerferien, am Freitag, den 19.09. um 18.00 Uhr auf dem Marktplatz statt.

 

Leave a Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.