Mahnwache vom 27.01.2023

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Vorbemerkung:

An dieser Mahnwache nahmen insgesamt etwa 50 Menschen teil, mehr als sonst üblich. Das mag auch daran liegen, dass an diesem Abend auch Kommentatoren vom ZDF mit Kameras da waren, die scheinbar am 31.01.2023 in der Sendung „Frontal“ u.a. auch über diese Mahnwache berichten wollen. Wir werden uns das anschauen und Sie zeitnah darüber informieren. Hier folgen wie üblich der Ablauf und die Redebeiträge unserer Mahnwache.

Uwe:

 Guten Abend. Ich begrüße Sie im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 38. Mahnwache gegen den Krieg.

Bei unserer letzten Mahnwache, heute vor einer Woche, hatte Detlef Beune in seinem Redebeitrag ausgeführt, dass er den Eindruck hätte, dass, bezüglich der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine und die umstrittene Lieferung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine, die sog. Mainstream-Medien, eine selbstgewählte Gleichschaltung üben würden. Wie zur Bestätigung dieser These war am gleichen Abend in dem von Marietta Slopianka moderierten Nachrichtenportal Heute Journal die FDP Rüstungsexpertin Frau Strack-Zimmermann zu sehen und zu hören. Sie hatte ausgiebig Zeit von der Moderatorin dafür erhalten, sich über die zwingende Notwendigkeit der Lieferung von deutschen Leopard Panzern an das ukrainische Militär auszulassen. Und am letzten Sonntag Abend, am 21.Jan., waren in der Talkshow von Anne Will auch nur solche Gäste eingeladen, die die vermeintliche Notwendigkeit der Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine nicht entschieden hinterfragten.

Die gesamte diesbezügliche Berichterstattung hebt darauf ab, dass die Lieferung schwerer Panzer Leben retten und dazu führen würde, dass dieser Krieg (mit einem Sieg der ukrainischen Militärs über die russischen Aggressoren) schneller beendet werden könne.

Seit dem Dienstag dieser Woche ist nun klar, dass Deutschland Leopard 2 Panzer an die Ukraine liefern wird.  Wir können also bald sehen und hören, ob die vollmundigen Prophezeiungen der Befürworter der Lieferungen schwerer Waffen sich erfüllen, oder im Gegenteil dieser unselige Krieg noch mehr Menschenleben fordern und verlängert wird, wovon ich persönlich ausgehe. Auch befürchte ich, dass mit dieser Entscheidung die Eskalationsspirale weiter nach oben angeheizt wird und Deutschland und die NATO zur Konfliktpartei werden.

Meine Befürchtungen werden untermauert von dem ehemaligen ranghöchsten Militär der Bundeswehr, Generalinspekteur a.D. Harald Kujat. Dieser äußerte sich in einem Interview mit dem Schweizer Internetportal „zeitgeschehen im fokus“ sehr kritisch zu der militärischen Unterstützung der Ukraine durch den NATO-Partner Deutschland. Kujat sagte unter anderem:

 „Grundsätzlich stellt sich die Frage der Mittel-Zweck Relation. Welchem Zweck sollen die westlichen Waffen dienen? Selenskij hat die strategischen Ziele der ukrainischen                          Kriegsführung immer wieder geändert. Gegenwärtig verfolgt die Ukraine das Ziel, alle von       Russland besetzten Gebiete einschließlich der Krim zurückzuerobern. Der deutsche      Bundeskanzler sagt, wir unterstützen die Ukraine , solange dies nötig ist, also auch bei der Verfolgung dieses Ziels, obwohl die USA mittlerweile betonen, es ginge lediglich darum, das Territorium zurückzuerobern, das seit dem 24. Februar 2022 von Russland eingenommen wurde.“

Und an anderer Stelle sagte Kujat:

„Die Bundesregierung ist mit der Unterstützung der Ukraine schon sehr weit gegangen.         Zwar machen Waffenlieferungen Deutschland noch nicht zur Konfliktpartei. Aber in         Verbindung mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen Waffen unterstützen wir die Ukraine dabei, ihre militärischen Ziele zu erreichen. Der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages hat deshalb in seinem Gutachten vom 16. März 2022 erklärt, dass damit der gesicherte Bereich der Nicht-Kriegsführung verlassen wird. (…..)  Die Bundesregierung ist deshalb in der Pflicht, der deutschen Bevölkerung zu erklären, innerhalb welcher Grenzen und mit welchem Ziel die Unterstützung der Ukraine erfolgt. Schließlich müssten auch der ukrainischen Regierung  die Grenzen der Unterstützung aufgezeigt werden.“ – Zitatende

„Die Grenzen der Unterstützung aufzeigen“, fordert Kujat die Ampelregierung auf.

Hierzu möchte ich anmerken, dass während der letzten Wochen einige Medien über gewaltige Korruptionsfälle in der Ukraine berichteten. Nach diesen Informationen hat Präsident Selenskij zwei davon betroffene Minister und mehrere Mitarbeiter entlassen müssen. Da müsste, nach meiner Ansicht, doch in unserer Regierung beraten werden, ob es sinn voll ist, hochwertiges Kriegsgerät ohne Bedingungen an solche Regierungen zu liefern.

Aber auch hierzu in den Mainstream Medien leider keine kritischen Berichte oder Kommentare! Bisher war es nur der ehemalige ukrainische Botschafter Melnik, der von den Nato Staaten die Lieferung von Kampfjets und Kriegsschiffen forderte. Aber nun verlangt dies auch der ukrainische Präsident. Wir können gespannt sein, wie langfristig die NATO-Staaten und insbesondere unsere Regierung auf diese Forderung reagieren. Wir können nur hoffen, dass solchen Forderungen entschieden eine Absage erteilt wird und hoffen, dass in den Köpfen führender Politiker und Politikerinnen Vernunft sich Platz machen kann und bitten: „Herr schmeiß Hirn ra!“

Ich bin auch immer wieder erstaunt darüber, wenn in Nachrichtensendungen Im ZDF oder ARD interviewte Ukrainerinnen und Ukrainer ihren ungebrochenen Durchhaltewillen bekunden und vom Sieg der ukrainischen Armee sich überzeugt zeigen. Bei so viel zur Schau gestelltem Patriotismus   frage ich mich schon, wieso schätzungsweise 90.000 junge Männer vor ihrer  Einberufung zum Dienst in der ukrainischen Armee abgehauen sind und sich damit dem ruhmvollen Ehrendienst als Soldat verweigert haben? Gibt es nicht auch Zivilisten, die ein Ende dieses furchtbaren Krieges herbeisehnen, und dies auch zum Ausdruck bringen würden, wenn sie gefragt würden. Aber ich glaube, dass solche kritischen Stimmen von den TV Journalistinnen und Journalisten nicht gerne gehört und weitergegeben werden. Es ist tatsächlich schwer und mühevoll, Berichte in den Medien zu finden, die die vorhandene Situation einigermaßen kritisch darstellen und die Sinnhaftigkeit der Lieferung von Rüstungsgütern in das Kriegsgebiet prüfen.

Da ist man schon einigermaßen darüber erfreut, in den Schorndorfer Nachrichten den Bericht über ein Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD Mützenich zu lesen, dass dieser der Ansicht ist, die Gesprächsfäden zu Russland nicht gänzlich abreißen zu lassen, und dass die meisten kriegerischen Auseinandersetzungen nicht mit einem Sieg einer Seite, sondern durch Verhandlungen beendet worden wären.

Im MDR (Mitteldeutschen Rundfunk) kritisierte die Redakteurin Romi Arndt in einem Kommentar zu den Waffenlieferungen an die Ukraine die Rolle der Medien. Sie bezichtigte ihre Kolleginnen und Kollegen der Journalistenzunft, blind gegenüber der großen Gefährlichkeit zu sein, die die Lieferung von Kampfpanzern zwangsläufig für Deutschland heraufbeschwören würde, da damit Deutschland immer mehr zur Kriegspartei werden würde. Frau Arndt sprach sich in dem Kommentar entschieden gegen die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine aus. (Die Zugangsdaten zu diesem Kommentar werden wir mit den Rede Manuskripten unserer heutigen Mahnwache, wie gewohnt, auf unsere Website www.friedensinitiative-schorndorf.de stellen.)

Auch der Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, meinte in einem Kommentar in einer  Sendung des NDR. „Es ist in Politik und Gesellschaft zu wenig, viel zu wenig vom Frieden die Rede. Er wird nicht vom Himmel fallen, ( …). Man kann ihn sich nicht erbomben. Es ist viel zu wenig vom Frieden die Rede. Die Rede ist von Waffenlieferungen, von immer mehr Waffenlieferungen.“

Vielleicht hat die eine oder der andere von Ihnen in der ersten Ausgabe des Nachrichten Magazins „Der Spiegel“, den Bericht über den Pazifisten Jürgen Grässlin von Uwe Bruns gelesen. Grässlin ist Deutschlandweit bekannt wegen seinem unermüdlichen Einsatz für ein Exportverbot von deutschen Kleinwaffen der Rüstungsfirmen Heckler&Koch und Sig Sauer im schwäbischen Oberndorf bei Horb. In dem Interview sprach sich Grässlin bezüglich des Krieges in der Ukraine dafür aus, dass die ukrainische Bevölkerung durchaus das Recht hätte, sich gegen einen Aggressor zu wehren. Anstatt sich mit Waffen zu verteidigen, wäre es aber sehr viel besser und  erfolgreicher, und weniger Menschenleben fordernd, zivilen Widerstand zu leisten.

In der gleichen Ausgabe des Spiegel stellte der Autor Stefan Maaß die Grundzüge dieser „Zivilen Verteidigung“ vor. Diese basiert auf wissenschaftlichen Untersuchungen der US-amerikanischen Terrorismusexperten Erica Chenoweth und Maria Stephan. Diese beiden Wissenschaftlerinnen studierten über einen längeren Zeitraum hinweg die vorherrschenden Thesen:

– dass bewaffneter Widerstand funktioniere und je gewaltsamer er sei, umso effektiver sei

– dass bewaffneter Widerstand notwendig wäre, um schwierige Anforderungen zu bewältigen  oder um mächtige, unterdrückende, autoritäre Gegner zu besiegen.

Chenoweth und Sterphan untersuchten alle Aufstände oder Revolutionen zwischen 1900 und 2006.;-insgesamt 323 Fälle, davon waren 105 gewaltfrei und 218 bewaffnet.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen verblüfften die beiden Wissenschaftlerinnen, da sie weder ihren Erwartungen entsprachen, noch dem bisherigen Stand der Wissenschaft:

Die Wahrscheinlichkeit eines nachhaltigen Erfolgs oder Teilerfolgs bei gewaltfreien Widerstandskampagnen ist zweimal so groß wie bei gewaltsamen , bewaffneten Aktionen.

Ich wollte eigentlich heute Abend in meinem Redebeitrag hauptsächlich diese Studien vorstellen. Angesichts der brisanten Entwicklung der Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine, haben meine soeben vorgetragenen diesbezüglichen Ausführungen aber so viel Zeit beansprucht, dass ich mich dazu entschlossen habe, bei einer der nächsten Mahnwachen darüber zu sprechen.

Abschließend sei aber noch bemerkt, dass es gut ist zu wissen, dass die Chancen des Erfolges von gewaltfreiem Widerstand, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, sehr groß sind!

Schweigen

Ich lade Sie nun wieder ein,  fünf Minuten mit uns zu schweigen.- Wir gedenken dabei der Menschen, die in einem der weltweit stattfindenden Kriege ihr Leben verloren haben oder verwundet wurden oder ihr Zuhause verloren haben. Wir gedenken der Menschen, die weltweit in irgendeiner Art sich auf der Flucht befinden, sei es vor kriegerischen Auseinandersetzungen, sei es wegen von Menschen verursachten Katastrophen wie Dürre oder Überschwemmungen. Wir gedenken all derer, die unter einer Willkürherrschaft zu leiden haben und derer, die sich für eine lebenswerte und friedvollere Welt einsetzen.

Doris:

Ich lese ein kurzes Gedicht von Bert Brecht:

Bitten der Kinder

Die Häuser sollen nicht brennen
Bomber soll man nicht kennen
Die Nacht soll für den Schlaf sein
Leben soll keine Straf´sein
Die Mütter sollen nicht weinen
Keiner soll töten Einen
Alle sollen was bauen
Da kann man allen trauen
Die Jungen sollen´s erreichen
Die Alten desgleichen.

 Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden.

  • Heute vor 78 Jahren wurde das KZ Auschwitz befreit. Wir gedenken der Opfer des Nationalsozialismus. Dieses Gedenken muss aber auch zur Folge haben, sich entschieden dafür einzusetzen, dass sich nationalsozialistisches Gedankengut in unserem Land nicht wieder ausbreiten kann.
  • Für morgen, Samstag den 28. Januar um 11.00 Uhr ruft das Aktionsbündnis Mahnwache Ellwangen zu einer Kundgebung „Frieden schaffen ohne Waffen“ auf. Die Veranstaltung findet in der Ellwanger Fußgängerzone am Fuchseck
  • Viele Friedensorganisationen rufen zum Jahrestag des russischen Angriffs zur Teilnahme am bundesweiten Aktionswochenende vom 24.-26. Februar auf. Das Motto lautet „Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen!“. Auch in Stuttgart wird es eine Veranstaltung geben. Wir werden noch Näheres dazu mitteilen.
  • Auf unserer homepage friedensinitiative-schorndorf.de werden wieder die Texte der heutigen Mahnwache sowie verschiedene links zu interessanten Redebeiträgen zum Nachlesen zu finden sein.
  • In der Mitte steht ein Körbchen. Wir möchten gerne heute nochmal etwas Geld sammeln und dieses Herrn Schmid für die kostenlose Überlassung dieser Mikrofonanlage übergeben.
  • Unsere nächste Mahnwache findet am Freitag, 03.02.23 um 18.00 Uhr auf dem Mittleren Marktplatz statt.
  • Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander. Wir wünschen Ihnen und euch einen guten Nachhauseweg.

Zum Abschluss noch wie angekündigt ein paar Links, die für Sie interessant sein könnten. Das heißt nicht, dass man alles, was man in diesen Links bzw. Nachrichten lesen kann, richtig finden muss. Die Lektüre zumindest einiger dieser Artikel kann unseres Erachtens aber dazu beitragen, sich eine eigene und fundierte Meinung zum Krieg in der Ukraine zu bilden:

2 comments

  1. DANKE; DANKE; DANKE!! für diese umsichtige recherche in den medien u das zusätzliche zur verfügung stellen der entsprechenden links. so kann ich mich (u andere) doch informieren, auch wenn ich verhindert, aktiv an der mahnwache teilzunehmen.
    herzlich, Mona

  2. Das ist einfach klasse! Ihr nörgelt nicht rum sondern unterlegt Eure Auffassung mit super-Recherchen. Das machts! Weiter so, Ihr seid ein zunehmend wirkender Stachel gg. den Mainstream.

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