Mahnwache vom 29.04.2022 der Friedensinitiative Schorndorf

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Doris:

Mein Name ist Doris Kommerell von der Friedensinitiative Schorndorf.Vielen Dank allen, die gekommen sind.

Wieder haben wir uns hier zur Mahnwache versammelt,

  • Weil der Krieg in der Ukraine immer weiter eskaliert
  • Weil die Begriffe „Atomkrieg“ und „3.Weltkrieg“ plötzlich in den Medien auftauchen, während früher nur die Friedensbewegung davor gewarnt hatte
  • Weil uns diese Zuspitzung große Angst macht
  • Weil wir es manchmal alleine zuhause fast nicht aushalten
  • Weil es uns hinaustreibt, um mit anderen zusammenzukommen
  • Weil wir ein Zeichen setzen wollen gegen den Krieg der Gegenwart und gegen mögliche Kriege der Zukunft.

Immer wieder werden wir von Leuten gefragt: Ja, bringt das denn überhaupt etwas, wenn ihr da auf dem Marktplatz steht? Die Politiker machen ja doch, was sie wollen. Man kann sowieso nichts tun.

Auch wir selber werden oft von dieser Resignation befallen. Die Lage ist aussichtslos. Es gibt keine Hoffnung mehr.

Aber: so können und wollen wir nicht leben. Wir wollen an eine Zukunft glauben und alles dafür tun, was möglich ist. Es gibt ja noch immer Menschen, die aufstehen und Nein sagen. Bei Mahnwachen, Kundgebungen und Protesten, mit Aufrufen an Politiker, mit Friedensgebeten, mit Brief- oder Mail-Aktionen.  Vieles darüber können wir im Internet nachlesen, z.B. auf der homepage des Netzwerks Friedenskooperative (www.friedenskooperative.de) oder bei den großen Friedensorganisationen wie IPPNW , ICAN, Ohne Rüstung leben, Pax Christi usw. Es macht Mut, dass es diese Gegenbewegung gibt. Und man kann sich selbst daran beteiligen.

Ich will mich wehren gegen die Resignation. Ich will daran glauben, dass es Sinn macht, sich zu engagieren. Dass das, was wir tun, etwas bewirkt und nicht umsonst ist,  auch wenn ein konkretes Ergebnis nicht  unmittelbar zu sehen ist.

Als Beispiel eines solchen Engagements  wollen wir heute einen Offenen Brief an Bundeskanzler Scholz vorlesen, der am 22.04.22 von 18 Personen des öffentlichen Lebens verfasst wurde, u.a. von Dr. Antje Vollmer, ehem. Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Auch wenn der Text durch den aktuellen Beschluss über Waffenlieferungen bereits überholt scheint, enthält er doch viele Wahrheiten.

Uwe:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

wir sind Menschen unterschiedlicher Herkunft, politischer Einstellungen und Positionen gegenüber der Politik der NATO, Russlands und der Bundesregierung. Wir alle verurteilen zutiefst diesen durch nichts zu rechtfertigenden Krieg Russlands in der Ukraine. Uns eint, dass wir gemeinsam vor einer unbeherrschbaren Ausweitung des Krieges mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Welt warnen und uns gegen eine Verlängerung des Krieges und Blutvergießens mit Waffenlieferungen einsetzen.

Mit der Lieferung von Waffen haben sich Deutschland und weitere NATO-Staaten de facto zur Kriegspartei gemacht. Und somit ist die Ukraine auch zum Schlachtfeld für den sich seit Jahren zuspitzenden Konflikt zwischen der NATO und Russland über die Sicherheitsordnung in Europa geworden.

Dieser brutale Krieg mitten in Europa wird auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung ausgetragen. Der nun entfesselte Wirtschaftskrieg gefährdet gleichzeitig die Versorgung der Menschen in Russland und vieler armer Länder weltweit.

Berichte über Kriegsverbrechen häufen sich. Auch wenn sie unter den herrschenden Bedingungen schwer zu verifizieren sind, so ist davon auszugehen, dass in diesem Krieg, wie in anderen zuvor, Gräueltaten begangen werden und die Brutalität mit seiner Dauer zunimmt. Ein Grund mehr, ihn rasch zu beenden.

Der Krieg birgt die reale Gefahr einer Ausweitung und nicht mehr zu kontrollierenden militärischen Eskalation ‒ ähnlich der im Ersten Weltkrieg. Es werden Rote Linien gezogen, die dann von Akteuren und Hasardeuren auf beiden Seiten übertreten werden, und die Spirale ist wieder eine Stufe weiter. Wenn Verantwortung tragende Menschen wie Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, diese Entwicklung nicht stoppen, steht am Ende wieder der ganz große Krieg. Nur diesmal mit Atomwaffen, weitreichender Verwüstung und dem Ende der menschlichen Zivilisation. Die Vermeidung von immer mehr Opfern, Zerstörungen und einer weiteren gefährlichen Eskalation muss daher absoluten Vorrang haben.

Trotz zwischenzeitlicher Erfolgsmeldungen der ukrainischen Armee: Sie ist der russischen weit unterlegen und hat kaum eine Chance, diesen Krieg zu gewinnen. Der Preis eines längeren militärischen Widerstands wird ‒ unabhängig von einem möglichen Erfolg ‒ noch mehr zerstörte Städte und Dörfer und noch größere Opfer unter der ukrainischen Bevölkerung sein. Waffenlieferungen und militärische Unterstütz­ung durch die NATO verlängern den Krieg und rücken eine diplomatische Lösung in weite Ferne.

Es ist richtig, die Forderung „Die Waffen nieder!“ in erste Linie an die russische Seite zu stellen. Doch müssen gleichzeitig weitere Schritte unternommen werden, das Blutvergießen und die Vertreibung der Menschen so schnell wie möglich zu beenden.

So bitter das Zurückweichen vor völkerrechtswidriger Gewalt auch ist, es ist die einzig realistische und humane Alternative zu einem langen zermürbenden Krieg. Der erste und wichtigste Schritt dazu wäre ein Stopp aller Waffenlieferungen in die Ukraine, verbunden mit einem auszuhandelnden sofortigen Waffenstillstand.

Wir fordern daher die Bundesregierung, die EU- und NATO-Staaten auf, die Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen einzustellen und die Regierung in Kiew zu ermutigen, den militärischen Widerstand ‒ gegen die Zusicherung von Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine politische Lösung ‒ zu beenden. Die bereits von Präsident Selenskyi ins Gespräch gebrachten Angebote an Moskau ‒ mögliche Neutralität, Einigung über die Anerkennung der Krim und Referenden über den zukünftigen Status der Donbass-Republiken ‒ bieten dazu eine reelle Chance.

Verhandlungen über den raschen Rückzug der russischen Truppen und die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sollten durch eigene Vorschläge der NATO-Staaten bezüglich berechtigter Sicherheitsinteressen Russlands und seinen Nachbarstaaten unterstützt werden.

Um jetzt weitere massive Zerstörungen der Städte so schnell wie möglich zu stoppen und Waffenstillstandsverhandlungen zu beschleunigen, sollte die Bundesregierung anregen, dass sich die derzeit belagerten, am meisten gefährdeten und bisher weitgehend unzerstörten Städte, wie Kiew, Charkiw und Odessa zu „unverteidigten Städten“ gemäß dem I. Zusatzprotokoll des Genfer Abkommen von 1949 erklären. Durch das bereits in der Haager Landkriegsordnung definierte Konzept konnten im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Städte ihre Verwüstung verhindern.

Die vorherrschende Kriegslogik muss durch eine mutige Friedenslogik ersetzt und eine neue europäische und globale Friedensarchitektur unter Einschluss Russlands und Chinas geschaffen werden. Unser Land darf hier nicht am Rand stehen, sondern muss eine aktive Rolle einnehmen. Hochachtungsvoll: 18 Unterzeichner

Doris:

 Wir werden jetzt  wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg  verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Möge die Hoffnung auf Frieden lebendig bleiben.

Doris:

Ich lese einen kurzen Text von Martin Stöhr

Krieg und Frieden

Es gibt immer nur wenige Agenten und Täter des Todes.
Aber es sind viele Gleichgültige,
die ihnen das Geschäft des Todes nicht verwehren.
Es  sind wenige,
die am Werk des Friedens und der Versöhnung arbeiten.
Auf ihnen ruht die Hoffnung,
dass die laufenden Kriege
zugunsten von Gerechtigkeit und Frieden,
zugunsten von Millionen Kindern, Männern und Frauen
vermindert oder gar beendet werden.
Der Krieg rechnet mit uns
und spekuliert auf unsere Gleichgültigkeit.
Der Frieden aber rechnet erst recht mit uns,
dass wir die Erinnerung an die Toten
in Arbeit für die Lebenden und vom Tode bedrohten umsetzen.
Dazu sind wir fähig.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Wir haben heute einen offenen Brief an Bundeskanzler Scholz vorgetragen. Es gibt einen weiteren sehr guten offenen Brief an die Bundesregierung von der Friedensorganisation IPPNW. Dieser liegt zum Mitnehmen in der Mitte aus. Man kann ihn als Vorlage für einen eigenen Brief benutzen oder einfach so als Unterstützer abschicken. Ich bin überzeugt, dass Meinungsäußerungen aus der Bevölkerung von der Bundesregierung wahrgenommen werden.
  • Ich habe anfangs die homepage der Friedenskooperative erwähnt. Auf friedenskooperative.de gibt es eine neue Mailaktion an die Bundestagsabgeordneten. Sie werden darin aufgefordert, dem 100 Milliarden Programm zur Aufrüstung und der Anschaffung von neuen Kampfbombern für den Einsatz von Atomwaffen nicht zuzustimmen.
  • Am kommenden Montag, den 02.05.22 um 19.00 Uhr ist wieder Friedensgebet in der Stadtkirche. Herzliche Einladung an alle.
  • Unsere nächste Mahnwache ist heute in einer Woche, am Freitag, 06.05.22. Im Anschluss laden wir alle Interessierten ein, sich um 19.00 Uhr in der Manufaktur zu treffen. Wir wollen uns darüber austauschen, wie es mit der Mahnwache weitergeht und wer eventuell die Friedensinitiative künftig unterstützen möchte. Also nächsten Freitag um 19.00 in der Manufaktur.
  • Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander.

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