Bild von Netzwerk Friedenskooperative
Es folgen die Beiträge der 143. Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden zum Nachlesen
Detlef:
Guten Abend alle zusammen zu unserer Mahnwache. Momentan passiert vieles auf unserer Welt, es ist nicht ganz einfach, hierzu etwas zu sagen.
Dabei sind die Forderungen von uns als kleiner Friedensbewegung in Schorndorf eigentlich klar:
- Wir wollen nicht, dass im nächsten Jahr neue Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden.
- Wir wollen nicht, dass Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert, wobei wir noch nicht einmal wissen, ob das heimlich schon längst passiert ist.
- Wir sind gegen weitere Aufrüstung von Deutschland, erst recht nicht, wenn die jährlichen Ausgaben dafür – wie von der NATO beschlossen – auf 5 % des Bruttosozialprodukte angehoben werden sollen – was nach Schätzungen zwischen 40 und 50 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes entsprechen würde.
Leider scheint die aktuelle Bundesregierung auf unsere Forderungen überhaupt nicht einzugehen. In all diesen aktuellen Entwicklungen könnte allerdings ein Thema nahezu untergehen, mit dem ich mich heute näher beschäftigen möchte. Es gibt seit Jahren einen dramatischen Anstieg der Gefahr, dass in den vielen Kriegen und Konflikten Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten und auch, dass es zu einem neuen nuklearen Wettrüsten kommt und eventuell weitere Staaten in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Hierfür ein paar Beispiele und Indizien:
- Russland hat im Laufe des Ukraine-Krieges seine Nuklear-Strategie verändert. Hieß es zuvor noch, man werde niemals als erste Atomwaffen einsetzen, so heißt es jetzt sinngemäß. Sollte sich Russland durch einen Angriff von außen in seiner Existenz bedroht fühlen, werde man als letztes Verteidigungsmittel eventuell auch zu Atomwaffen greifen.
- Es werden von allen Seiten (hauptsächlich von den USA, Russland und China) immer neue und gefährlichere Nuklearwaffen entwickelt. Insbesondere auch durch Überschallraketen sinken die Vorwarnzeiten in einem Konflikt, was die Gefahr eines Atomkrieges aus „Versehen“ dramatisch ansteigen lässt.
- Nahezu alle bestehenden Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland wurden in der ersten Amtszeit von Präsident Trump aufgekündigt. Ausnahme ist noch der NEW-START-Vertrag, der die Atomwaffenarsenale beider Länder begrenzt und vorsieht, dass strategische Bomber nicht unter einer Überdachung oder Vorrichtung stationiert werden dürfen, die die Überprüfung der Anzahl der Bomber durch nationale technische Verifikationsmittel verhindert. Nach Beginn des Ukraine-Krieges hat Russland den Vertrag ausgesetzt aber zugleich betont, dass es weiterhin auf die Tarnung der Bomber verzichten werde, da es nichts zu verbergen habe. Dieser Vertrag läuft ohnehin am 5. Februar 2026 aus, müsste also neu aufgelegt werden. Das schlimme an den letzten Ereignissen: Die Ukraine hat viele dieser Bomber tief in Russland mit Drohnen angegriffen und dabei offensichtlich auch große Schäden angerichtet. Dieses Vorgehen wird von Selenskyj und unseren Medien bejubelt, verringert aber natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Neuauflage des NEW-START-Vertrages kommt, dem letzten verbliebenen Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland.
- Israel und anschließend die USA haben Atomanlagen im Iran bombardiert, angeblich weil der Iran kurz vor der Entwicklung eigener Atomwaffen stand. Diese Behauptung stellt Israel übrigens seit vielen Jahren immer wieder auf. Bekanntermaßen hat der Iran in den letzten Jahren die Anreicherung von Uran vorangetrieben, was eine der Voraussetzungen für die Herstellung von Atombomben ist. Allerdings haben die Geheimdienste der USA mehrfach betont, dass sie keinerlei Anzeichen dafür sehen, dass der Iran tatsächlich an der Entwicklung eigener Atomwaffen arbeitete. Der Beschuss der Atomanlagen durch Israel und die USA war also unnötig, ganz abgesehen von den Gefahren der atomaren Verseuchung der Umgebung der Atomanlagen durch diesen Beschuss.
Es sei daran erinnert: Es gab einmal einen Vertrag mit dem Iran, dass ihm die Entwicklung eigener Atomwaffen verbot, dafür die Sanktionen der USA gegenüber dem Iran schrittweise gelockert werden sollten. Auch diesen Vertrag hat der heutige Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit gekündigt. Nein, auch ich bin kein Freund des Regimes in Teheran. Allerdings sollte klar sein: Auch bei diesen Machthabern gibt es Falken, die seit langem die Entwicklung eigener Atomwaffen befürworten und gemäßigtere Kräfte. Durch diese Bombardierungen haben die Falken erst einmal Oberwasser gewonnen. Das zeigt sich aktuell schon daran, dass der Iran die Zusammenarbeit mit der IAEO (Internationale Organisation für Atomenergie) offiziell ausgesetzt hat.
In meinen Augen haben Israel und die USA durch diese Bombardierungen des Irans die weitere Eskalation der Konflikte im Nahen Osten nur weiter angeheizt. Wenn Netanyahu jetzt Trump für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hat, ist das eher ein schlechter Witz. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen: Sollte der Iran seine atomaren Bestrebungen jetzt vorantreiben, droht eventuell, dass andere Länder in der Region (wie etwa Saudi-Arabien oder Ägypten) auch darüber nachdenken, sich Atomwaffen anzuschaffen.
Alles in allem muss leider festgestellt werden, dass es seit Jahren einen dramatischen Anstieg der Gefahren gibt, dass Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten und auch, dass es zu einem neuen nuklearen Wettrüsten kommt und eventuell weitere Staaten in den Besitz von Atomwaffen gelangen.
Was können oder sollen wir dagegen tun?
- Die Ferienzeit liegt vor uns. Da werden wir wahrscheinlich viele Bekannte treffen, die wir ansonsten weniger sehen. Hier sollten wir immer eine Unterschriftenliste unter den Berliner Appell dabeihaben und fragen, ob sie das nicht unterschreiben wollen. Wenn ja, könnten man ihnen auch eine eigene Unterschriftenliste in die Hand drücken, damit sie selbst Unterschriften sammeln. Nur zur Erinnerung: Der Berliner Appell richtet sich gegen die für nächstes Jahr geplante Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen in Deutschland, die auch atomar bestückt werden können. Nachdem die zahlenmäßige Unterstützung für diesen Appell zu Beginn nur sehr langsam angestiegen ist, sind wir doch mittlerweile bei knapp 75.000 Unterschriften angelangt – also sollten wir alle mit Kraft weiter sammeln!
- Am 8. August dieses Jahres werden wir wieder unsere schon traditionelle Mahnwache zu den Atomwaffenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki durchführen, wieder hier auf dem Markplatz. Wäre schön, wenn alle von Euch/Ihnen dabei wären und vielleicht auch im Bekanntenkreis etwas Werbung dafür machen könnten.
- Oben am Rathaus sehen Sie wieder die Flagge der „Mayors for Peace“. Zur Bedeutung dieser Flagge wird jetzt Uwe noch etwas sagen. Das war es erst einmal von meiner Seite.
Uwe:
Seit Dienstag, 8. Juli d.J. ist in Schorndorf die grüne Mayors for Peace (MfP) Flagge vor dem Rathaus gehisst.
In jedem Jahr am 8.Juli werden an vielen Rathäusern Deutschlands die MfP aufgezogen;- der 8. Juli ist der Flaggentag der Bürgermeister für den Frieden. Hierzulande wird die Flaggenhissung an 898 Rathäusern vollzogen, denn 898 Städte oder Gemeinden Deutschlands sind MfP – Städte oder Gemeinden, wie auch Schorndorf.
Das Bündnis der MfP wurde 1982 von dem damaligen Bürgermeister Hiroshimas gegründet.
Weltweit haben sich 8497 Städte diesem Bündnis angeschlossen.
Der 8. Juli wurde von den MfP deshalb zum Flaggentag erklärt, weil am 8. Juli des Jahres 1996 der Internationale Gerichtshof in den Haag ein Rechtsgutachten veröffentlicht hat, in dem es heißt, „dass sowohl der Einsatz als auch die Androhung mit Atomwaffen rechtswidrig sind“. Zudem stellte der Gerichtshof fest, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung führen“.
Mit dem Flaggentag wollen die Bürgermeister für den Frieden „Flagge zeigen“ für eine atomwaffenfreie Welt.
Leider ist gegenwärtig zu beklagen, dass trotz des seit Januar 2021 rechtsgültigen, und von 122 Staaten unterzeichneten Atomwaffenverbotsvertrags, die Atommächte keine Bereitschaft zeigen, auf den Einsatz dieser Waffen zu verzichten.
Bevor ich sie, bevor ich euch, wieder dazu einlade mit uns zu schweigen, möchte ich noch etwas loswerden, was mich bedrückt, aber auch wütend macht.
Von den deutschen Leitmedien weitgehend unbeachtet, plant die israelische rechtsextreme Regierung die Zwangsumsiedlung von zunächst 600.0000 Palästinensern in die Stadt Rafah. Später sollen alle Bewohnerinnen und Bewohner des Gaza – Streifens dorthin umgesiedelt werden. Laut Verteidigungsminister Katz soll Rafah vom Militär umstellt werden, damit kein Palästinenser die Stadt verlassen kann. Der internationale Strafgerichtshof hat Israel schon vor einiger Zeit bescheinigt, massiv gegen das Völkerrecht zu verstoßen.
Die Wochenzeitung „Der Freitag“ schreibt in seiner neuesten Ausgabe hierzu: „Israel agiert nicht unabhängig von der Weltgemeinschaft. Kein Staat der Welt könnte isoliert solch eine Stärke aufrechterhalten. Doch statt deutsche Waffenexporte nach Israel einzustellen, und sich für eine Aussetzung des Assoziierungsabkommen einzusetzen, lieferte die Bundesregierung unter Kanzler Merz bereits weitere Waffen – weil sie es kann. Warum kann sie es? Es könnte eine Rolle spielen, dass die Leitmedien andere Prioritäten setzen als die Berichterstattung über drohende Zwangsinternierung von Bevölkerungen. Das lässt sich aber ändern.“
Uwe:
Ich lade sie jetzt wieder dazu ein, einige Minuten mit uns zu schweigen. Wird gedenken dabei der Opfer zahllosen weltweit stattfindenden Kriege, seien es Zivilisten, Soldaten, Tiere oder Pflanzen. Wir gedenken der von uns Menschen ausgebeuteten und missbrauchten Natur. Und wir gedenken auch der Menschen, die gegen Kriege aktiv sind, und an die, die sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlage einsetzen.
Uwe:
Ein Text von Dorothee Sölle:
Dinge tun, weil wir sie für richtig und wahr halten
Ein Freund sagte zu mir, als ich sehr deprimiert war: «Weißt du, du musst das mit einem längeren Atem sehen, im Mittelalter da haben die Menschen Kathedralen gebaut, an denen haben sie manchmal 200 Jahre gearbeitet, d.h. diejenigen, die als Steinmetz oder als kleine Hilfslehrlinge, als Mischer oder sonst etwas arbeiteten, die haben das fertige Haus nie gesehen – immer nur Gerüste, Ansätze, Stückchen. Uns, die wir an der Kathedrale des Friedens bauen, geht es nicht besser. Wir sehen auch nur Stücke, wir müssen trotzdem so leben mit diesem Bau und mit diesem Traum und von denen, die vor uns so etwas versucht haben, lernen.»
Der Erfolg kann dabei nicht unsere einzige Kategorie sein. Es gibt Dinge, die musst du tun um deiner eigenen Würde willen, damit du dir noch ins Gesicht sehen kannst. Es gibt Dinge, die musst du tun, damit du überhaupt ein Mensch bleibst. Und da meine ich, das relativiert die Kategorie Erfolg und bringt uns auf einen festen Grund, wo wir nämlich Dinge tun, weil wir sie für richtig und für wahr halten. Auch dann, wenn sie jetzt in unserer Stadt oder vielleicht in meiner Lebenszeit keinen Erfolg haben, werde ich sie trotzdem tun, obwohl das Leben, welches ich habe und zu geben habe, für den Frieden dabei vergeht. «
Uwe:
Bevor wir unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden beenden, noch ein Hinweis auf friedenspolitische Aktionen:
- Jeden Donnerstag finden um 17 Uhr in Stuttgart auf dem Rotebühlplatz Mahnwachen unter dem Motto: „Kriege beenden, Frieden jetzt“ statt. Diese Mahnwachen werden abwechselnd von einer der in Stuttgart aktiven Friedensgruppen ausgerichtet.
- Wer Lust und Zeit dazu hat, am morgigen Samstag bei unserer Banneraktion mitzumachen, melde sich bitte nach der Mahnwache bei Martin.
- Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, am Freitag, 18.Juli, um 18Uhr -wegen der SchoWo- vor dem Mondscheinbrunnen statt.
Unsere heutige Mahnwache ist damit zu Ende. Wir wünschen Ihnen ein schönes und erholsames Wochenende.