Mahnwache vom 12.01.2024

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Bild von Ralph auf Pixabay

Es folgen die Redebeitrage der Mahnwache vom 12.01.2024.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die heute gekommen sind.

Es ist unsere erste Mahnwache im neuen Jahr. Schon das vergangene Jahr hatte mit  vielen Sorgen und Ängsten wegen des Krieges in der Ukraine begonnen. Die Situation dort ist inzwischen schlimmer geworden. Und: der Krieg in Israel ist dazugekommen. Von einem drohenden „Flächenbrand“ ist immer öfter die Rede. Das lässt mich jedes Mal erschaudern. Dazu kommen all die anderen Kriege, die zwar nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen, aber ebenso Tag für Tag Opfer fordern. Und: die weltweite Aufrüstung. Die kürzlich genehmigte Lieferung von Eurofightern nach Saudi-Arabien macht es deutlich: alle früheren Grundsätze scheinen nicht mehr zu gelten. Wie können wir mit all den schlimmen Nachrichten umgehen? Was können wir konkret tun?

Es ist gut, dass wir hier bei der Mahnwache mit Menschen zusammenkommen, die ähnlich denken und fühlen und mit denen wir uns austauschen können. Aber unsere Mahnwache ist mehr. Sie ist eine politische Meinungsäußerung. Wir gehen auf die Straße, um sichtbar und hörbar Nein zu sagen zu einer Kriegslogik, die auf immer mehr Waffen setzt, immer mehr Opfer fordert und deren Sprache auf allen Seiten immer aggressiver wird.

Es ist gut, dass sich die großen Friedensorganisationen weiterhin mit vielen Aktivitäten zu Wort melden und sich aktiv in die Politik einmischen.

Es ist gut, dass immerhin ab und zu auch kritische Journalisten ihre Stimme erheben. Wie z.B. Hajo Funke, der am 30.12.23 in der taz einen Beitrag veröffentlichte mit dem Titel: „Der Westen, Russland, die Ukraine: Endlich Diplomatie wagen“. Ernst Delle hat uns diesen Beitrag zugeschickt, und ich möchte heute einige Abschnitte daraus vorlesen.

Hajo Funke beschreibt zunächst, welche Faktoren u.a. mit zum russischen Überfall auf die Ukraine beigetragen haben. Ich zitiere:

„Ein Blick zurück: Am 24. März 2021 hatte der ukrainische Präsident Selenskij mit dem Dekret Nummer 117 den Auftrag zur „Deokkupation“ und zur „Wiedereingliederung“ der Krim und der Stadt Sewastopol erteilt. Im August des Jahres schloss die ukrainische Regierung mit den Vereinigten Staaten einen Vertrag über eine militärische Zusammenarbeit. Im September wiederum fanden in der Ukraine Nato-Manöver unter ukrainischer Beteiligung – auch der Bundeswehr – statt. Im November des gleichen Jahres wurde ein Vertrag über eine strategische Partnerschaft geschlossen. Als Antwort auf die von Russland als Provokationen verstandenen Aktionen bot Russland im Dezember 2021 der Nato und den USA einen Vertragsentwurf mit Vorschlägen für Sicherheitsgarantien für beide Seiten an, um einen Nato-Beitritt der Ukraine noch zu verhindern. Diese Vorschläge wurden nicht einmal diskutiert, sondern abgelehnt.“

Funke zählt dann wichtige Rüstungskontrollabkommen auf, die einseitig durch die USA gekündigt worden waren: z.B. der INF-Vertrag, der „Open-Skies-Vertrag“, der ABM-Vertrag. All dies beeinträchtigte Russlands Sicherheitsinteressen.

Ich zitiere weiter:

„Hinzu kommt: Der deutschen Öffentlichkeit ist die reale Chance auf einen frühen Friedensschluss wenige Wochen nach Beginn des Angriffskriegs nicht angemessen zur Kenntnis gebracht worden. Im März 2022 war zwischen der russischen und der ukrainischen Delegation in Istanbul bereits ein Abkommen paraphiert worden. Das Abkommen scheiterte an der Blockade Großbritanniens und der Vereinigten Staaten.

Fast zwei Jahre nach dem völkerrechtswidrigen und brutalen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und damit dem Beginn des größten und gefährlichsten Kriegs auf europäischem Boden seit den beiden Weltkriegen gilt es, sich endlich ernsthaft und aktiv um einen Waffenstillstand und um Verhandlungen zu bemühen, kurz: Diplomatie zu wagen. Bisher ist der Schritt zu Verhandlungen aus einer Mischung von Mutlosigkeit, falscher oder gar blinder Nibelungentreue zu dem, was jeweils aus den Vereinigten Staaten kam, nicht erfolgt.

Verhandlungen sind angesichts der existenziellen Gefahr für die Ukraine überfällig. Denn die Ukraine ist in unmittelbarer Gefahr, eine militärische Niederlage zu erleiden, auch wenn immer noch ein Teil der öffentlichen Meinung darauf pocht, dass die Ukraine siegen werde, wenn nur dieses oder jenes mehr an Waffen geliefert wird. Dies entspricht schlicht nicht den Tatsachen; es gleicht einer Realitätsverweigerung. Die Spatzen pfeifen es in Washington und in Kiew von den Dächern, dass die Gegenoffensive vom Sommer 2023 gescheitert ist. Inzwischen droht das seit Langem bestehende Patt sich zu Ungunsten der Ukraine zu verändern.

Mehr noch: Der Ukraine gehen die Gelder, die Waffen und die Soldaten aus. Die Ukraine ist nahezu ausgeblutet.

Zehntausende ukrainische Soldatinnen und Soldaten sind als Kanonenfutter missbraucht worden, indem sie in der Anfang Juni begonnenen Gegenoffensive gegen gut ausgebaute, tief gestaffelte russische Verteidigungsstellen ohne jegliche Erfolgsaussichten eingesetzt wurden. Jetzt fordert das ukrainische Militär, dass sie in einer weiteren Mobilisierungswelle durch rund 500.000 neue Soldaten aufgefrischt werden; jene Ukrainer, die sich dem Dienst mit der Waffe entzogen haben, sollen aus dem Ausland mit Sanktionen zurückgeholt werden.

Dieser Krieg ist von keiner der Konfliktparteien zu gewinnen. Er hätte abgewendet und frühzeitig beendet werden können. Er führt nur zu mehr Zerstörungen und zu unermesslichem menschlichen Leid. Das sinnlose Sterben muss ein Ende haben.

Es ist im existenziellen Interesse der Ukrainerinnen und Ukrainer, aber ebenso der Europäerinnen und Europäer. Denn eine solche schwärende Kriegswunde mitten in Europa für einen längeren Zeitraum, daran könnte selbst Europa verbluten. Europa muss den Weg zurück zu einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung finden, auf die sich in der Charta von Paris alle europäischen Staaten sowie die USA und Kanada vertraglich verpflichtet hatten.

Nach einer Umfrage der Körber-Stiftung vom November 2023 soll für rund drei Viertel der Befragten das deutsche Engagement in der Außenpolitik „vorwiegend diplomatischer Natur“ sein. „Nur zwölf Prozent setzen auf mehr militärisches und neun Prozent auf mehr finanzielles Engagement, zitierte die FAZ die Befragung.

Verhandlungen sollten im primären Interesse der Ukraine und Europas sein, wozu bereits Vorschläge aus dem Globalen Süden, unter anderem aus Brasilien, Südafrika und China unterbreitet worden sind. Ein Frieden ist ohnehin nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich – denn Russland bleibt allein schon geografisch gesehen unser Nachbar. Deshalb brauchen wir dringend eine Initiative führender europäischer Mächte, etwa von Frankreich und Deutschland.

Sie sollten unter Einbeziehung von Ländern des Globalen Südens – die ebenfalls ein massives Interesse an der Beendigung eines auch ökonomisch desaströsen Kriegs haben – den zweiten Jahrestag dieses Kriegs zu einer neuen Verhandlungsinitiative nutzen. Will man nicht einen permanenten Krieg mit einer immer weiter getriebenen Schwächung und letztlich Zerstörung Europas hinnehmen, ist Verhandeln ohne Alternative.“

Den vollständigen Text des Beitrags von Hajo Funke kann man unter dem folgenden link nachlesen: https://taz.de/Der-Westen-Russland-die-Ukraine/!5979717/.

Uwe:

Wir laden Sie, wir laden euch nun wieder dazu ein, 3 Minuten (Ausnahme wegen der Kälte!) mit uns zu schweigen.

Gestern wurde in den Abendnachrichten im SWR 2 berichtet, dass die Organisationen „Breaking the  silence“ und „Care“ auf Krisen  aufmerksam machen, die von den Medien in letzter Zeit am wenigsten aufgegriffen und über die am wenigsten oder überhaupt nicht  berichtet wurde: die Krisen und Kriege in Angola, Senegal und Burundi. Von den negativen Auswirkungen dieser Krisen und Kriege sind, wie bei den viel beachteten in der Ukraine und im Nahen Osten, hauptsächlich Zivilisten betroffen! Dem füge ich noch den Krieg hinzu, der von der Türkei gegen die autonomen Kurdengebiete geführt wird, bei dem systematisch die lebenswichtige Infrastruktur kaputt gebombt wird.

Wir schweigen jetzt und gedenken all der Opfer dieser Kriege und der dabei zugrunde gerichteten Natur.

Uwe:

„Nichts kommt von selbst.
Und nur wenig ist von Dauer.
Darum – besinnt euch jetzt auf eure Kraft und darauf,
dass jede Zeit eigene Antworten will
und man auf ihrer Höhe zu sein hat,
wenn Gutes bewirkt werden soll.“

Willy Brandt

„Aufhören können,
das ist nicht eine Schwäche,
das ist eine Stärke.“

Ingeborg Bachmann

Uwe:

Bevor wir unsere heutige Mahnwache beenden, noch einige Hinweise auf Veranstaltungen und Aktionen.

  • Am morgigen Samstag, 13.Jan. findet im Rahmen des „Globalen Aktionstages zum Krieg in Gaza“ um 15h auf dem Schlossplatz in Stuttgart eine Kundgebung statt. Thema: „Sofortiger Waffenstillstand in Gaza- für eine Friedenslösung im Nahen Osten“. Veranstalter sind: DFG-VK, Kultur des Friedens, ORL, Pax Christi, Friedenstreff Stuttgart Nord.
  • Am Dienstag, 23.01. spricht beim Verein „Allmende“ um 19.30h in der Glockenkelter in der Hindenburgstraße 43 in Kernen-Stetten der österreichische Autor und Verleger Hannes Hofbauer zu dem Thema: „Kriegsfolgen; – Wie der Kampf um die Ukraine die Welt verändert.“
  • Am Mittwoch, 24. Januar um 18h plant die Landes AFD ein Treffen in der hiesigen Künkelinhalle. Das „Bündnis gegen Rassismus und Rechtsextremismus“ hat dazu    aufgerufen, ab 17.30h unter dem Motto „Schorndorf solidarisch – Kein Raum der AFD“ vor der Künkelinhalle gegen diese Veranstaltung zu demonstrieren.

Wir werden bei unserer nächsten Mahnwache, am 19.Jan. nochmals an die zuletzt genannten Veranstaltungen, bzw. Aktionen erinnern.

Damit ist der offizielle Teil unserer heutigen Mahnwache beendet.

Herzlichen Dank noch einmal dafür, dass Sie trotz der Minus – Grade heute zu uns gefunden haben. Wir wünschen Ihnen, wir wünschen euch einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

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