Infos zum Bild oben: Es handelt sich um eines von mehreren Bildern auf der Web-Seite Karriere-Infos der Bundeswehr für Jugendliche.
Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen:
Doris:
Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die heute gekommen sind.
Kürzlich war in den Schorndorfer Nachrichten ein Zitat des Bundeswehrgenerals Sollfrank zu lesen: „Wir sind nicht mehr im Frieden“. Und Nato-Chef Mark Rutte ergänzte: „Wir müssen uns auf Krieg vorbereiten. Das ist der beste Weg, um Krieg zu vermeiden“. In derselben Zeitungsausgabe wurde berichtet, dass die verschiedenen Politiker für diese Kriegsvorbereitung zwischen 2% und 5% des sog. Bruttoinlandsprodukts ausgeben wollen. 2 – 5% – das hört sich zunächst nicht so viel an. Man muss aber, so wurde erklärt, den Betrag im Verhältnis zum gesamten Bundeshaushalt sehen. Das wären dann Militärausgaben zwischen 18 und 46% des Bundeshaushalts. In absoluten Zahlen: 90 Milliarden bis 225 Milliarden Euro pro Jahr. Ich gestehe, dass ich das nicht wirklich erfassen kann.
Zwei Tage später stieß ich auf einen Zeitungsbericht mit der Überschrift: “Berufe in Uniform gefragt“. Es ging um einen Informationsnachmittag für Jugendliche in der Agentur für Arbeit in Waiblingen. Am Stand der Bundeswehr wurde ein 16-Jähriger zitiert mit den Worten: „Ein Bürojob wäre nichts für mich“. Ihm gefalle, dass er beim Bund nichts beweisen müsse, „dass alle gleich sind und wertgeschätzt werden“. Mit seinem Hauptschulabschluss habe er nicht so viele Möglichkeiten, daher möchte er Scharfschütze werden. Ein Beruf beim Bund, „besser geht’s gar nicht“, sagte eine 48-jährige Frau am Stand und, wenn sie seinerzeit gedurft hätte, wäre sie zur Bundeswehr gegangen. Ihr Opa sei Obermajor bei der Nationalen Volksarmee gewesen. Nun sei es ihr 14-jähriger Sohn, der „Lust auf die Waffe“ hat und an die Front will. Leutnant Bauer ergänzte: „Die meisten wollen etwas Kämpferisches machen“. Mir fehlen die Worte, um meine Gefühle beim Lesen dieses Zeitungsberichts zu beschreiben.
Daher lese ich nun den Beginn einer Rede, die Friedrich Gehring, Pfarrer im Ruhestand, am 23. Januar bei einer Stuttgarter Friedenskundgebung gehalten hat:
„Liebe Friedenssuchende, im heutigen Deutschland scheint weithin vergessen, was Krieg bedeutet. Ich möchte deshalb von familiären Erfahrungen aus dem 20. Jahrhundert berichten. Meine Großmutter, württembergische Pfarrfrau, bangte im ersten Weltkrieg um zwei Brüder. Auf den Koppelschlössern ihrer Uniformen war die Kaiserkrone zu sehen und der Gebetsruf: „Gott mit uns“. Sie ließen 1915 und 1916 ihr Leben im sinnlosen Stellungskrieg. Während meine Großmutter trauerte, diente ihr Ehemann, königlich-württembergischer Pfarrer, als Feldgeistlicher mit diesem Kreuz auf der Brust. Im Angesicht des Kriegsgrauens schrieb er kriegshetzerische Briefe an seine Gemeinde in Nattheim bei Heidenheim. Am Kriegsende wurde ihm wenigstens noch klar, dass auch die feindlichen Soldaten ihren Gott um den Sieg angefleht hatten.
1924 gebar seine Frau nach vier Töchtern Zwillingssöhne als lang ersehnte Stammhalter. Sie gab ihnen die Namen ihrer gefallenen Brüder. Sie wuchsen heran im deutschnationalen Geist, der damals viele lutherische Pfarrhäuser prägte. Ihr Vater wurde 1933 als Dekan Mitglied der Gruppierung „Kampffront deutscher Christen“. Dort wollte man das Christentum auf nationalsozialistisch trimmen. So drängte einer der Zwillinge mit 17 Jahren zur Marine. Der andere versuchte, sich der Rekrutierung zu entziehen. Er floh aus dem Toilettenfenster des Rekrutierungsgebäudes. Es half ihm nichts. Er wurde doch zum Heer gezogen. Im August 1944 wurde er in Rumänien vermisst gemeldet. Er dürfte am Schwarzmeerufer namenlos verscharrt worden sein. Sein Bruder versank kurz zuvor mit seinem U-Boot. Er hatte beim Abschied am Ende des letzten Heimaturlaubs seinem Vater offen erklärt: „Ich werde nicht mehr zurückkehren“. Die Trauer der Familie war unsagbar.
Solche grauenhaften Kriegserfahrungen waren noch lebendig, als 1949 unser Grundgesetz entstand. Im Artikel 26 wurde schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe gestellt. Der Artikel 4 sicherte das Grundrecht auf die Verweigerung des Kriegsdiensts. Es gab zwar noch keine deutsche Wehrpflicht, es sollten aber Zwangsrekrutierungen durch die Siegermächte verhindert werden“.
Soweit aus der Rede von Friedrich Gehring. Auch ich habe immer mehr den Eindruck, dass im heutigen Deutschland vergessen scheint, was Krieg wirklich bedeutet. Dabei gehört der Krieg ja nicht der Vergangenheit an, sondern wütet nach wie vor weltweit in vielen Ländern. Und da will man uns glauben machen, man müsse weiterhin Krieg vorbereiten, um ihn zu vermeiden. Wie grotesk das doch ist, und wie gefährlich!
Ich will nochmals auf die Jugendlichen zurückkommen, um deren Gunst die Bundeswehr wirbt. Sie haben meist keinerlei Vorstellung davon, was Krieg bedeutet. Ihre Großeltern gehören schon der sogenannten Nachkriegsgeneration an, und die übrigen Kriege scheinen ja nur im Fernsehen und im Internet stattzufinden. Die Bundeswehr macht für über 35 Millionen Euro jährlich Nachwuchswerbung, z.B. in Schulen, in Jugendmedien, auf Computerspielmessen, in Social-Media-Kanälen und im gesamten öffentlichen Raum. Viele Jugendliche sind ein leichtes Opfer dieser clever gemachten Werbung und ihrer Versprechungen. Vor allem solche Jugendliche, die sonst keine gute berufliche Perspektive sehen, die dort ihr Selbstwertgefühl vermeintlich stärken können, oder die von der modernen Kriegstechnik fasziniert sind. Die Schattenseiten des Soldatenberufs fallen dabei völlig unter den Tisch.
Seit einigen Jahren gibt es eine Kampagne namens „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“. (www.unter18nie.de). Sie wird von 10 verschiedenen Organisationen getragen. Ich zitiere aus ihrem Aufruf:
„Die Werbung und Ausbildung von Minderjährigen als Soldat*innen widersprechen den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Deutschland gehört zu den wenigen Vertragsstaaten, die von einer Ausnahmeregelung Gebrauch machen und minderjährige Freiwillige als Soldat*innen für die Streitkräfte anwerben – in steigendem Maße. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht im Juli 2011 wurden knapp 20 000 Minderjährige angeworben. Mehr als jede/r zehnte angestellte Sodat oder Soldatin ist nicht volljährig. Die 17-jährigen Mädchen und Jungen lernen zu schießen und zu töten, sie erhalten dasselbe militärische Training wie Erwachsene. Sie dürfen keinen Dienst mit der Waffe leisten, ansonsten gibt es keine speziellen Schutzvorkehrungen. Der „UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes“, der die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention überwacht, hat Deutschland wiederholt aufgefordert, das Mindestalter für die Rekrutierung auf 18 Jahre anzuheben und jede Form von Werbung für die Bundeswehr bei Kindern zu verbieten. Dem hat sich die Kinderkommission des Deutschen Bundestages einstimmig angeschlossen… Deutschland gibt international ein schlechtes Beispiel ab, denn nur wenige Staaten weltweit rekrutieren überhaupt noch Minderjährige, über 150 Staaten halten den 18-Jahre-Standard ein.“
Vorgestern war der sogenannte „Red Hand Day“, der internationale Aktionstag gegen die Rekrutierung Minderjähriger als Soldatinnen und Soldaten. Das Bündnis hat dabei über 32.600 Unterschriften an Bundesverteidigungsminister Pistorius übergeben. Dies ist schon mal ein erster wichtiger Schritt. Am besten sollte es natürlich auch keine volljährigen Soldaten geben. Wir sind sicher: Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten!
Uwe:
Wir möchten Sie jetzt wieder dazu einladen, fünf Minuten mit uns zu schweigen. Wir gedenken dabei der Opfer der gegenwärtig weltweit stattfindenden Kriege, seien sie ermordet, verwundet worden, oder sich auf der Flucht befindend. Wir gedenken all der Menschen, die sich aktiv gegen den Krieg oder für die Durchsetzung der Menschenrechte einsetzen und zum Teil damit ein hohes Risiko eingehen. Wir gedenken unserer Mitwelt, welche unsere Lebensgrundlage ist, und gegen die ein permanenter Krieg geführt wird. Wir gedenken auch der Menschen, die engagiert für das Fortbestehen dieser Erde aktiv sind.
Uwe:
Anke Maggauer-Kirsche (Schweiz):
die da Krieg machen
und sich die Bäuche füllen
mit Menschen
werden nicht satt
auch die
welche nur die Kanonen liefern
und sagen
was können wir dafür
wenn diese Krieg spielen
aber die andern
die da im Dreck liegen
die nur ihre nackte Haut haben
um sich darin zu verstecken
das sind die
welche angerichtet werden
Uwe:
Bevor wir die heutige Mahnwache beenden, hier noch einige Hinweise auf Veranstaltungen und Aktionen:
- Am morgigen Samstag findet ab 14 h in Stuttgart eine Friedensdemonstration „Den Frieden wählen“ statt. Treffpunkt ist der Kronprinzenplatz (Ecke Büchsenstraße/ Kronprinzstraße). Zugabfahrt ist um 13.14h ab Schorndorf.
- Am Sa, 22.02.2025 16 h, „Linken Zentrum“ Böblinger Str.105, Stuttgart: “Stoppt den Genozid in Gaza“.
- bis 16.Febr. 2025, in München parallel zur „Sicherheitskonferenz“ findet die 22. „Internationale Friedenskonferenz“ statt. (Von den deutschen Medien absolut unbeachtet!)
- Die, 25.02.2025 um 19 h DGB – Haus Stuttgart Vortrag und Diskussion mit Oberst a.D. Richter: „Mittelstrecken Raketen in Deutschland“.
- Am Karsamstag, 19. April 2025 auf dem Schlossplatz in Stuttgart: „Ostermarsch“. (Näheres hierzu bei den nächsten Mahnwachen)
Unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden, ist damit beendet.
Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, wieder um 18h hier vor dem Rathaus statt.
Vielen Dank, dass Sie, dass ihr gekommen seid. Wir wünschen einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.