Mahnwache vom 17.05.2024

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Es folgen die Redebeiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen:

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die gekommen sind. Besonders danken wir Herrn Oberbürgermeister Bernd Hornikel, der heute an unserer Mahnwache teilnehmen und zu Beginn ein Grußwort sprechen wird.

OB Hornikel:

Liebe Mitglieder der Friedensinitiative Schorndorf,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der heutigen Mahnwache,

„Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg“. Schon im frühen 20. Jahrhundert äußerte der große Menschenrechtler Mahatma Gandhi diesen Satz, und wie recht er damit hatte, wird uns in der aktuellen Zeit immer bewusster. Seit mehr als zwei Jahren versammeln Sie sich jede Woche auf dem Marktplatz, um ein Zeichen für den Frieden zu setzen und sich damit für eine bessere Welt einzusetzen.

In einer Zeit, die von Unruhe und Konflikten geprägt ist, ist es wichtiger denn je, dass wir zusammenhalten und für unsere Überzeugungen einstehen. Ihre kontinuierliche Präsenz hier auf dem Marktplatz zeigt, dass Ihnen die Herausforderungen, denen unsere Welt gegenübersteht, nicht gleichgültig sind. Sie kommen hier zusammen und symbolisieren, dass Frieden möglich ist, wenn wir zusammenstehen und uns dafür einsetzen.

Ich bewundere Ihre Beharrlichkeit und Ihren Einsatz! Die Mahnwache mag für manche vielleicht wie ein kleiner Beitrag erscheinen, aber sie symbolisiert eine große Hoffnung. Für mich steht sie für die Überzeugung, dass jeder Einzelne einen Unterschied machen kann. Sie steht für die Kraft der Solidarität und des gemeinschaftlichen Engagements.

Spätestens seit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist uns wieder so deutlich bewusster, dass ein friedliches Zusammenleben leider nicht selbstverständlich ist. Auch der fortwährende Terrorangriff aus dem Gazastreifen auf Israel, nur knapp 3 000 km Luftlinie von uns entfernt, erschüttert mich zutiefst.

Ihre Entschlossenheit und Ihr Einsatz sind inspirierend und geben Kraft sowie Hoffnung, weiterhin für eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit einzutreten. Es liegt in unserer Verantwortung, uns für eine Welt einzusetzen, in der Frieden und Menschlichkeit über allem stehen.

Doris:

Wenn wir auf die vergangene Woche zurückschauen, so beunruhigen uns vor allem die Kämpfe um Charkiw in der Ukraine und die israelische Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens. Täglich erreichen uns neue Meldungen, teils auch widersprüchliche. Einmal heißt es, die russischen Truppen seien auf dem Vormarsch, ein anderes Mal wieder, die ukrainischen. Einmal heißt es, die USA werden keine Offensivwaffen mehr an Israel liefern, zumal nicht nur die UNO, sondern auch das US-Außenministerium äußerte, Israel verletze das Völkerrecht. Dann wieder hören wir, Präsident Biden habe Israel doch weitere Waffen zugesagt.

Die Leidtragenden in beiden Kriegen und in all den anderen Kriegen in der Welt sind zu einem großen Teil Zivilisten. Aber es sterben auch täglich unzählige Soldaten auf beiden Seiten aller Kriege. Inzwischen Zig-Tausende. Die Zahlen sind nicht genau überprüfbar, so heißt es meistens. Aber wir können es sowieso nicht wirklich erfassen, was hinter diesen Zahlen steht. Wer sind sie, diese jungen Männer und auch Frauen, die auf Anordnung ihrer Regierung ihr Leben aufs Spiel setzen oder bereits verloren haben? Mit welchen Gefühlen gingen sie in den Krieg? Sind sie freiwillig der Einberufung gefolgt, überzeugt, dass sie für die gerechte Sache kämpfen? Oder wurden sie gezwungen? Was empfinden sie, wenn sie andere Soldatinnen und Soldaten oder Zivilpersonen töten müssen? Stecken sie das einfach so weg, weil es sich ja um sogenannte Feinde handelt, oder verfolgt sie diese Schuld ein Leben lang? Wie geht es ihnen, wenn sie an ihre zurückgelassenen Frauen, Kinder und Mütter denken? Haben sie Angst, den Krieg vielleicht schwer verletzt zu überleben und für immer behindert zu sein? Wie sollen sie all das Grauen jemals verarbeiten, das sie im Krieg erlebt haben? Sind sie bereit zu sterben oder wollen sie nicht vielmehr einfach nur leben, wie es ihr gutes Recht ist?

Ich bin überzeugt, dass es zu allen Zeiten in allen Kriegen größtes Unrecht bedeutet, junge Menschen für militärische Ziele zu opfern. Auf Soldatenfriedhöfen oder an Gedenktafeln lesen wir dann z.B. „sie fielen für ihr Vaterland“ oder „euch zur Erinnerung – uns zur Mahnung“. Hören wir sie denn nicht, diese Mahnung? Der verharmlosende Begriff „fallen“ täuscht außerdem darüber hinweg, um welch brutalen Tod es sich handelt.

Nach den verheerenden beiden Weltkriegen wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus gutem Grund in unser Grundgesetz aufgenommen. In Artikel 4 Absatz 3 heißt es: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“.

Viele Männer aus meiner Generation und danach haben den Wehrdienst verweigert, auch einige bekannte Politiker. Manche von ihnen haben heute leider nur noch ein müdes Lächeln dafür übrig oder sind sogar inzwischen der Meinung, dass sie sich heute anders entscheiden würden. Aber: Wären sie denn wirklich dazu bereit, selber in den Krieg zu ziehen? Oder ihre Söhne, Töchter oder Enkel für den Krieg herzugeben?

In der vergangenen Woche am 15. Mai wurde, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt,  der „Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung“ begangen. Es gibt ihn seit 1982.

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wurde 1987durch die UNO-Vollversammlung  als internationales Menschenrecht anerkannt. Trotzdem gibt es in vielen Ländern dieses Recht faktisch nicht, z.B. in Israel, in Russland, in der Ukraine. In Israel gibt es sogar eine Wehrpflicht für Frauen. Menschen, die sich dem Militärdienst entziehen und Deserteuren drohen in diesen Ländern mehrjährige Haftstrafen.

Schätzungen zufolge haben ungefähr 325.000 militärdienstpflichtige ukrainische Männer ihr Land verlassen, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Die Ukraine verlangt von der Bundesregierung, sie zur Rückkehr zu zwingen. Einige Politiker fordern nun, ihnen

das Bürgergeld zu kürzen. Es gibt zudem mindestens 250.000 Militärdienstpflichtige aus Russland und 22.000 aus Belarus, die seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine ihr Land verlassen haben und Schutz in anderen Ländern suchen.

Rund um den Tag der Kriegsdienstverweigerung gab es über 30 Aktionen in Deutschland und Proteste in verschiedenen weiteren Ländern. Der DFG-VK und viele andere Organisationen fordern echten Schutz für alle, die sich dem Krieg verweigern. Ihr Statement: Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit! Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, gerade auch im Krieg! Verfolgte Kriegsdienstverweigerer und Deserteure brauchen Asyl! Solidarität mit allen Menschen, die sich dem Krieg widersetzen!

In unserem Grundgesetz gibt es eine Wehrpflicht, die 2011 zwar nicht abgeschafft, aber doch ausgesetzt wurde. Übrigens vom damaligen Außenminister aus der CSU. Nun wollen einige Politiker aus verschiedenen Parteien, allen voran Verteidigungsminister Pistorius, SPD, sie möglichst schnell wieder einführen. Zu diesem Thema möchte ich am Schluss eine Strophe aus dem Chanson von Hannes Wader „Es ist an der Zeit“ vorlesen, das sicher die meisten von uns kennen:

Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun
Und du hast ihnen alles gegeben:
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Soldat, gingst du gläubig und gern in den Tod?
Oder hast zu verzweifelt, verbittert, verroht
deinen wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluss?
Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuss
Oder hat ein Geschoss dir die Glieder zerfetzt
Hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt
Bist du auf deinen Beinstümpfen weiter gerannt
Und dein Grab, birgt es mehr als ein Bein, eine Hand?

Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun
Und du hast ihnen alles gegeben:
deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

Möge das Leben der Jugend in Zukunft verschont bleiben.

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, in Israel und im Gazastreifen, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Helga Birkel hat uns einen Text von Erich Kästner mitgebracht, den sie jetzt vorlesen wird:

Helga:

Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen.
Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird.
Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten.
Die Lawine hält keiner mehr auf.
Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Morgen, am Samstag den 18.05. findet um 14.00 Uhr auf dem Stuttgarter Schlossplatz ein „Fest gegen Rechts – für eine bessere Demokratie“ statt. Veranstalter ist das „Netzwerk gegen Rechts“, Stuttgart.
  • Unsere nächste Mahnwache ist heute in einer Woche, dem 24.05. um 18.00 Uhr, wieder auf dem Marktplatz.
  • Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander.

 

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