Es folgend die Redebeiträge der Mahnwache vom 20.01.2023
Detlef:
Im Namen der Friedensinitiative Schorndorf begrüße ich Sie zur 37. Mahnwache gegen den Krieg. Es ist die zweite Mahnwache in diesem Jahr. Diese Mahnwachen hatten wir im letzten Jahr aus Anlass des Ukraine-Krieges begonnen. Was ist im letzten Jahr nicht alles geschehen?
Im März letzten Jahres keimte Hoffnung auf: Die von der Türkei moderierten Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland verliefen positiv. Es zeichnete sich eine Lösung des Konfliktes auf der Grundlage einer Neutralität der Ukraine mit zusätzlichen Sicherheitsgarantien für dieses Land ab. Dann allerdings reiste der damalige Premier von Großbritannien, Boris Johnson, in die Ukraine. Nach diesem Besuch wurden die Friedensverhandlungen schnell ad Acta verlegt, seitdem hieß das Ziel der Ukraine nur noch: Wir müssen den Krieg gegen Russland gewinnen. Und dazu brauchen wir: Waffen, Waffen und nochmals Waffen.Bei dieser Haltung der Ukraine ist es im Wesentlichen bis heute geblieben.
Wir von der Friedensinitiative Schorndorf haben den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine von Beginn an als völkerrechtswidrig verurteilt. Allerdings haben wir auch von Beginn an darauf hingewiesen, dass dieser Krieg eine lange Vorgeschichte hatte, worin sich auch andere Staaten letztlich mitschuldig am Ausbruch dieses Krieges gemacht haben.
Im letzten Jahr hatte zunächst der damalige Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, zugegeben, dass die Ukraine niemals vor hatte, die Minsker Verträge einzuhalten, die 2015 abgeschlossen wurden. Ziel sei es vielmehr von vorneherein gewesen, Zeit zu gewinnen. Für mich besonders schockierend: Auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte gegen Ende des letzten Jahres, dass sie die Minsk-Abkommen letztlich nur unterstützt habe, um der Ukraine Zeit zu verschaffen. Zeit zu verschaffen, wofür? Aus heutiger Sicht ging es letztlich nur darum, die Ukraine schrittweise immer weiter hochzurüsten. Im Jahr 2021 erhöhten sich die Angriffe der ukrainischen Truppen auf die Regionen im Donbass erheblich. In dem Bürgerkrieg im Donbass seit 2014 starben übrigens insgesamt 14.000 Menschen. Darunter waren nahezu 3.200 Zivilisten. Über 80 % dieser Zivilisten starben in dem von Russland unterstützten Bereich des Donbass, wovon heute in den Medien niemand mehr berichtet.
Bis zum Ukraine-Krieg gab es innerhalb von Deutschland, jedenfalls bei den scheinbar kritischen Menschen und Medien, so etwas wie einen Konsens: Man darf keine Waffen in Kriegsgebiete liefern. Bei Kriegen muss man dafür eintreten, dass es möglichst schnell zu einem Waffenstillstand kommt und anschließend Friedensverhandlungen geführt werden müssen. Seit Anfang letzten Jahres gibt es diesen Konsens nicht mehr. Wer jetzt im Ukraine-Krieg einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen fordert, wird von unseren Mainstream-Medien (von FAZ bis zur taz) diffamiert: Als Putin Versteher, als naiver Pazifist oder auch als Putin-Troll.
Traurig finde ich, dass sich die Friedensbewegung in Deutschland bislang nicht lautstark und wahrnehmbar gegen die Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg in Szene setzen konnte. Umso erstaunlicher, dass sich immer mehr Kräfte und auch Militärs gegen diese Politik wenden, von denen man das eigentlich so nicht erwartet hätte.
Ein Beispiel:
Da hat die Frauenzeitschrift Emma von Alice Schwarzer Ende April letzten Jahres einen offenen Brief an Bundeskanzler Scholz verfasst, der mittlerweile von nahezu einer halben Million Menschen unterzeichnet wurde. Das ist in der Breite die bislang erfolgreichste Unterschriftenliste gegen die Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg. Natürlich kann man, wie bei jeder Unterschriftensammlung, an einzelnen Formulierungen auch Kritik üben. Dennoch, dieser Appell geht in die richtige Richtung. Deshalb fände ich es gut, wenn Ihr bzw. Sie diesen Appell auch unterzeichnen und auch alle Freunde und Bekannten darauf aufmerksam machen würdet. Das ist hier möglich: https://www.emma.de/thema/der-offene-brief-kanzler-scholz-339507
Ein Zitat aus diesem Appell an den Bundeskanzler, der gerade heute sehr aktuell ist:
Wir hoffen darum, dass Sie sich auf Ihre ursprüngliche Position besinnen und nicht, weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine liefern. Wir bitten Sie im Gegenteil dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.
Noch positiver: Emma bleibt dran an diesem Thema. Am 12.01.2023 veröffentlichte die Zeitung im Netz ein Interview mit Ex-Brigade-General Erich Vad, der von 2006 bis 2013 militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel war. Auch wenn ich nicht alle Aussagen, die Vad in diesem Interview von sich gibt, teilen kann. In vielen Kernfragen geht das in die richtige Richtung. Das gesamte Interview kann hier nachgelesen werden: https://www.emma.de/artikel/erich-vad-was-sind-die-kriegsziele-340045.
Hier ein paar kurze Zitate von Vad aus diesem Interview:
Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Das ist pure Meinungsmache. Und zwar nicht im staatlichen Auftrag, wie es aus totalitären Regimen bekannt ist, sondern aus reiner Selbstermächtigung.
Und:
Und die alles entscheidende Frage ist doch, wie man einen derartigen Konflikt mit einer kriegerischen Nuklearmacht – wohlbemerkt der stärksten Nuklearmacht der Welt! – durchstehen will, ohne in einen Dritten Weltkrieg zu gehen. Und genau das geht hier in Deutschland in die Köpfe der Politiker und der Journalisten nicht hinein!
Zum Schluss äußert Vad noch seine Hoffnungen für das Jahr 2023:
Es muss sich in Washington eine breitere Front für Frieden aufbauen. Und dieser sinnfreie Aktionismus in der deutschen Politik, der muss endlich ein Ende finden. Sonst wachen wir eines Morgens auf und sind mittendrin im Dritten Weltkrieg.
Leider ist nicht zu erwarten, dass sich die entscheidenden Kräfte der Politik im Deutschen Bundestag von alleine auf eine Politik der Vernunft im Ukraine-Krieg besinnen würden. Die Mainstream-Medien trommeln ohnehin nur für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Da ist jetzt dringend politischer Druck von den Menschen von unten gefragt:
- Deshalb noch einmal: Möglichst viele Menschen sollten den offenen Brief von Emma unterzeichnen.
- Wir alle sollten dazu beitragen, dass die Ostermärsche der Friedensbewegung in diesem Jahr so groß werden, dass sie von unseren Mainstream-Medien nicht einfach ignoriert werden können.
Noch ein paar Gedanken zum Schluss: Es wird zwar immer noch viel über den Kampf gegen den Klimawandel gesprochen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges wird aber zumindest in Deutschland immer weniger dagegen getan. Auch durch die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen an die Ukraine wird dem Klima ein Bärendienst erwiesen. Jedes Artilleriegefecht, alle Bombardierungen und Militärflüge schleudern große Mengen an CO2 in die Atmosphäre. Nicht nur das: Die aktuell immer weiter ansteigende Produktion von Waffen und Munition erhöht den CO2-Gehalt unserer Atmosphäre. Nicht vergessen sollten wir auch die große Menge an Methan, die durch die Sprengung der Pipelines Nord Stream 1 und 2 in die Atmosphäre gelangt sind.
Auch deshalb ist es so wichtig, für einen schnellen Waffenstillstand in der Ukraine und Verhandlungen einzutreten. Nicht zu vergessen: Alle ökologischen Probleme in der Welt können nur von allen Staaten der Welt gemeinsam gelöst werden. In einem Klima des kalten Krieges oder von immer mehr heißen Kriegen rückt die so notwendige internationale Zusammenarbeit in diesen Fragen in immer weitere Ferne.
Meine sehr zugespitzte Meinung hierzu: Wer für die Lieferung von schweren Waffen, etwa dem Leopard-Panzer, an die Ukraine eintritt, sagt damit auch, dass ihm der Kampf gegen den Klimawandel nicht so wichtig ist.
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft zurückkehren und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Niemand kennt die genaue Zahl der ukrainischen und der russischen Soldaten, die seit Beginn dieses Krieges getötet worden sind. Und auch nicht die Zahl der Soldaten, die im selben Zeitraum in all den anderen Kriegen auf dieser Welt getötet wurden. Wir wissen nur: jeder tote Soldat ist einer zuviel. Im Gedenken an sie und zur Mahnung an alle lese ich ein Gedicht von Archibald MacLeish, in der deutschen Übersetzung von Erich Fried:
Die jungen toten Soldaten
Die jungen toten Soldaten sprechen nicht.
Aber man hört sie in stillen Häusern:
Wer hat sie nicht gehört?
Sie haben ein Schweigen, das spricht für sie,
nachts, wenn die Uhr schlägt.
Sie sagen: Wir waren jung.
Wir sind gestorben. Denkt an uns.
Sie sagen: Wir haben getan, was wir konnten,
aber bevor es vorbei ist, ist es nicht getan.
Sie sagen: Wir haben unser Leben gegeben,
aber bevor es vorbei ist, kann keiner wissen,
was unsere Leben gaben.
Sie sagen: Unser Tod ist nicht unser:
Er ist euer:
Er wird bedeuten, was ihr daraus macht.
Sie sagen: Ob unser Leben und Tod für Frieden war,
und für neue Hoffnung,
oder für nichts,
können wir nicht sagen, denn ihr müsst es sagen.
Sie sagen: Wir lassen euch unsere Tode.
Gebt ihnen Sinn.
Wir waren jung, sagen sie.
Wir sind gestorben.
Denkt an uns.
Doris:
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden.
- Detlef Beune hat in seiner Ansprache verschiedene links zu interessanten Redebeiträgen erwähnt. Diese sind in einigen Tagen zusammen mit unseren Texten auf der homepage friedensinitiative-schorndorf.de zum Nachlesen zu finden.
- Am 22. Januar, also übermorgen, jährt sich der Jahrestag des Inkrafttretens des Atomwaffenverbotsvertrags zum zweiten Mal. In mehreren Orten wird es zu diesem Anlass Aktivitäten und Veranstaltungen geben, die sich dafür einsetzen, dass auch Deutschland dem Vertrag endlich beitritt. In BerlinB. organisiert die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ in Zusammenarbeit mit ICAN, Ohne Rüstung Leben, IPPNW Deutschland und der Pressehütte Mutlangen eine öffentliche Plakataktion mit sogenannten City Light Postern im Regierungsviertel. Das Motiv ist dasselbe wie auf den Postkarten „Raus aus dem nuklearen Wahnsinn!“ an Bundeskanzler Scholz, die wir seit einiger Zeit bei der Mahnwache haben. Es liegen noch welche zum Abschicken in der Mitte.
- Am Donnerstag, den 26.01. findet um 19.30 Uhr in der Manufaktur ein Vortrag des Historikers Ulrich Schneider statt. Der Titel lautet: 1933 – der Weg ins Dritte Reich. Anlass ist der 90. Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler.
- In der Mitte steht ein Körbchen. Wir möchten gerne heute etwas Geld sammeln und dieses Herrn Schmid für die kostenlose Überlassung dieser Mikirofonanlage übergeben.
- Unsere nächste Mahnwache findet am Freitag, 27.01.23 um 18.00 Uhr auf dem Mittleren Marktplatz statt.
- Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander. Wir wünschen Ihnen und euch einen guten Nachhauseweg.
Ich teile den Inhalt der Rede von Detlev Beune. Auch seine wie er selbst sagt „zugespitzte Meinung“ am Schluss.