Mahnwache vom 13.01.2023

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Hier die Beiträge unserer Mahnwache vom 13.01.2023.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer 36. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die heute gekommen sind. Es ist unsere erste Mahnwache im neuen Jahr. Selten hat ein neues Jahr mit so vielen Sorgen und Ängsten begonnen. Und bereits in seinen ersten beiden Wochen sind viele gefährliche Schritte hin zu einer weiteren Eskalation des Krieges in der Ukraine geschehen. Auch andere Konflikte und Kriege weltweit halten uns in Atem. Wie können wir mit all den schlimmen Nachrichten umgehen? Was können wir konkret tun? Es ist gut, dass wir hier bei der Mahnwache mit Menschen zusammenkommen, die ähnlich denken und fühlen und mit denen wir uns austauschen können. Aber unsere Mahnwache ist nicht nur „Psychohygiene“. Sie ist eine politische Meinungsäußerung. Wir gehen auf die Straße,  um sichtbar und hörbar Nein zu sagen zu einer Kriegslogik, die auf immer mehr Waffen setzt, immer mehr Opfer fordert und deren Sprache auf beiden Seiten immer aggressiver wird. Wer kann diese Eskalationsspirale stoppen?

„Wie wird Friede? Wer ruft zum Frieden; dass die Welt es hört, zu hören gezwungen ist, dass alle Völker darüber froh werden müssen?“ So fragte Dietrich Bonhoeffer 1934. Seine Antwort lautet, die Kirche Christi müsse ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nehmen und ihnen den Krieg verbieten und den Frieden Christi ausrufen über die rasende Welt. Leider reagierte die Kirche weder 1934 noch heute auf diese Aufforderung Bonhoeffers. Von den Kirchenleitungen gibt es keine klare Stellungnahme zum Ukrainekrieg, keinen lauten Ruf zum Frieden. Auch keine klare Verurteilung von Atomwaffen.

Immerhin gibt es hin und wieder Friedensaufrufe von christlichen Gruppen, die mehr oder weniger bekannt geworden sind. So haben z.B. im letzten Herbst einige Pfarrer der württembergischen evangelischen Landeskirche einen Aufruf auf den Weg gebracht, den ich bei der Mahnwache schon erwähnt habe. Die Überschrift lautet: „Christ*innen sagen Nein zu Waffenlieferungen und Aufrüstung. Zum notwendigen Friedensbeitrag der Kirche für die Zukunft“. Diesen Aufruf möchte ich heute in den Mittelpunkt stellen.

In der Einleitung verurteilen die Pfarrer die russische Invasion als einen Bruch des Völkerrechts und beklagen die Opfer. Sie begründen dann, warum Christen sich einmischen sollten und sprechen sich aus für Friedensbemühungen, gegen Waffenlieferungen und gegen weitere Aufrüstung. Sie nennen auch biblische Quellen für ihre Position. Im zweiten Teil werden zehn Punkte gegen den Krieg und seine Logik aufgeführt. Diese möchte ich jetzt vorlesen:

  1. Waffenlieferungen befeuern und verlängern einen grausamen Krieg. Er fordert
    Tausende von Opfern im Kriegsgebiet und hinterlässt traumatisierte Männer, Frauen
    und Kinder. Der Ukrainekrieg trägt die Gefahr atomarer Katastrophen und eines
    Weltkrieges in sich. Weltweite Folgen, wie Hungersnöte und noch unübersehbare
    Wirtschaftskrisen, fordern ungezählte Opfer auf lange Zeit.
  2. Von Hochrüstung profitiert weltweit vor allem die Rüstungsindustrie und ihre Lobby
    in Form von Milliardengewinnen. Die 100 Milliarden „Sondervermögen“ im
    deutschen Haushalt sind Ressourcen, die in anderen Aufgabenfeldern fehlen werden,
    z. B. in der Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Klimapolitik.
  3. Soldat*innen werden im Kriegsfall zu Held*innen stilisiert, die für ihr Vaterland oder
    für andere Werte sterben. Das Recht zu desertieren und den Wehrdienst zu
    verweigern, ist in diesem Krieg auf beiden Seiten nicht gegeben, wie auch das
    uneingeschränkte Recht auf freie Meinungsäußerung.
  4. Deutsche Außenpolitik muss auf dem Hintergrund europäischer Geschichte am Ziel
    einer Friedensordnung im „gemeinsamen Haus Europa“ festhalten.
    Die deutsche Wiedervereinigung verdankt sich dieser historischen Vision.
    Verhandlungsoptionen bleiben diplomatisch unabdingbar.
  5. Das „Gut-Böse-Schema“ in Politik und Medien greift zu kurz. Putin ist nicht der
    alleinige „Böse“. Auch die Kriege im Irak und in Afghanistan waren nicht gut. Der
    Westen hatte Gorbatschow versprochen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern.
    Dieses Versprechen wurde gebrochen. Das ist zu konstatieren.
  6. Die sozialen Verwerfungen, die aus dem Krieg hervorgehen, sind ein nicht zu
    verantwortender Preis für die „Verteidigung des Westens und seiner Werte“ in der
    Ukraine. Den Preis für diesen Krieg bezahlen die Kriegsopfer und auch die Armen in
    Deutschland, in Europa und in der Welt mit Armut, Not und Tod.
  7. Die Menschheitsaufgabe einer Energiewende geht nicht zusammen mit einem heißen
    Krieg, der neben Menschen auch Ressourcen und Natur vernichtet. Auf unserem
    Kontinent ist die Energiewende auf lange Sicht nur gemeinsam mit Russland zu
    schaffen. Sie ist auch weltweit nur gemeinsam zu schaffen.
  8. Der Abbruch kultureller, universitärer und auch wirtschaftlicher Beziehungen mit
    Russland ist auf Dauer für eine zukünftige Friedens– und Klimapolitik
    kontraproduktiv. Sanktionen müssen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden, wenn
    sie den Krieg nicht stoppen und mehr schaden als nutzen.
  9. Die Diffamierung von Kriegsgegner*innen und Pazifist*innen durch Medien und
    Regierung ist undemokratisch. Kirche muss sich deutlicher an die Seite der
    Kriegsgegner*innen stellen, auch wenn sie deren Positionen nicht teilt.
  10. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ bleibt für uns unaufhebbar. Daher setzen wir uns in
    unserer Kirche für gewaltfrei-aktive Methoden der Verteidigung ein, wie es sie in der
    Geschichte, auch in Osteuropa, vielfach schon gegeben hat. Wir fühlen uns nach wie
    vor der Erklärung der evangelischen Landeskirche in Württemberg zu deutschen
    Rüstungsexporten verpflichtet.

Soweit die Stellungnahme. Es ist sicher nicht der unüberhörbare Ruf der Kirche nach Frieden, wie es Bonhoeffer gefordert hat. Aber es ist ein erster Schritt und besser als nichts. Die Stellungnahme wurde inzwischen von ca. 300 Menschen unterzeichnet. Der gesamte Text sowie die Möglichkeit zum Unterzeichnen findet sich auf der homepage des Friedenspfarramts: https://www.friedenspfarramt.elk-wue.de/.

Doris:

Wir werden jetzt  wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg  verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft zurückkehren und eine weitere Eskalation verhindern.

Uwe:

Hoffnung (Vaclav Havel)

„Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewähren,
desto tiefer ist diese Hoffnung. Hoffnung ist nicht die Überzeugung,
dass etwas gut ausgeht. Sondern Hoffnung ist die Gewissheit, dass
etwas Sinn macht, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“

Uwe:

One comment

  1. Alles super. Der mir am nächsten liegende Satz:
    „Die sozialen Verwerfungen, die aus dem Krieg hervorgehen, sind ein nicht zu
    verantwortender Preis für die „Verteidigung des Westens und seiner Werte“ in der
    Ukraine. Den Preis für diesen Krieg bezahlen die Kriegsopfer und auch die Armen in
    Deutschland, in Europa und in der Welt mit Armut, Not und Tod.“
    Das ist für mich die eigentliche, schreckliche Dimension.

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