Mahnwache vom 22.03.2024

Posted by

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Es folgen die Beiträge dieser Mahwache zum Nachlesen.

Uwe:

Guten Abend. Ich begrüße Sie, ich begrüße euch, im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden.

Detlef Beune hat bei unserer Mahnwache heute vor einer Woche in seinem Redebeitrag über die Friedensinitiative des derzeitigen Papstes und über den shitstorm, den dieser zur Folge hatte, gesprochen.

Ich habe zunehmend mehr den Eindruck, dass jede und jeder, die oder der sich öffentlich Gedanken darüber macht, wie Kriege beendet oder Waffenstillstände herbeigeführt werden könnten, sich verbalen Angriffen übelster Art aussetzt. Bei der Debatte im Bundestag, bei der darüber diskutiert und abgestimmt wurde, ob Deutschland den umstrittenen Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefern soll, wagte sich der Fraktionsvorsitzende der SPD – Bundestagsfraktion Mützenich mit einem Redebeitrag anzuregen, darüber nachzudenken, wie man den Krieg in der Ukraine einfrieren könne. Zitat: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann.“  Angesichts der Tatsache, dass in den zwei Jahren Krieg in der Ukraine bislang 31.000 ukrainische Soldaten und ca. 10.000 Zivilistinnen und Zivilisten ums Leben kamen und mehr als 15.000 verletzt wurden, müssten nach meiner Ansicht verantwortungsbewusste Politikerinnen und Politiker darüber sinnieren, wie das Abschlachten beendet werden könnte. Stattdessen distanzierten sich etliche Parteifreunde von Mützenich, und von einigen, wie dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der SPD, Michael Roth, wurde er aufgefordert, seine diesbezüglichen Äußerungen zu widerrufen. Und Verteidigungsminister Pistorius sah sich zu der Erklärung veranlasst, dass dies ausschließlich Putin nützen würde.

„Wirklich, wir leben in finsteren Zeiten“ steht am Anfang eines Gedichtes von Bertold Brecht! So etwa empfinde ich die gegenwärtige Situation bezüglich der Kriegsrhetorik mancher Politikerinnen und Politiker!

Die Anhänger dieser Kriegsrhetorik gehen zunehmend mehr in die Offensive. Das „Kriegsertüchtigungsgerede“ von Verteidigungsminister Pistorius hat die Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger dazu ermuntert, unverblümt zu fordern, dass an den Schulen „mehr über den Krieg gesprochen“ und für ein unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr geworben werden müsse. In´s gleiche Horn bläst der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, indem er sagt: „Viel zu lange herrschte Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung. Der Ukraine Krieg schafft ein neues Bewusstsein über militärische Bedrohung, das auch an Schulen vermittelt werden muss“. Und Ministerpräsident Kretschmann hat, laut Schorndorfer Nachrichten vom 20.März d.J. nichts dagegen, wenn Jugendoffiziere verstärkt in Schulen aktiv werden.

Bemerkenswert, und meiner Ansicht nach ermutigend, ist in diesem Zusammenhang, dass Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und Mitglied der CDU Karin Priem in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ dagegen sagte: „Es hilft nicht, der Bevölkerung und insbesondere den Kindern und Jugendlichen Angst zu machen.“ Und der bildungspolitische Sprecher der CDU,  Thomas Jarzombek sagte: „Wir müssen unsere Kinder schultüchtig und nicht kriegstüchtig machen. Jedes vierte Kind lernt in der Grundschule nicht richtig lesen und schreiben– da müssen wir ran.“

In der großen weiten Welt geschehen täglich noch viele Ereignisse, die zu beklagen sind. Alle diese zu erörtern, würde aber den Rahmen unserer heutigen Mahnwache sprengen. Es ist nämlich die letzte vor den Ostermärschen, die am morgigen Samstag in einer Woche stattfinden. Und wie auch im vorigen Jahr möchten wir zu diesen Ostermärschen, zu deren Beteiligung wir als Friedensinitiative aufrufen, einige Informationen geben.

Der erste Marsch gegen atomare Bedrohung, an dem ca. 10.000 Menschen teilnahmen, fand in England unter dem Motto „Direct Action against Nuclear War“ statt, nämlich vor 66 Jahren im Jahr 1958, von London zu dem Atomforschungszentrum Aldermaston.

In Deutschland fanden die ersten Ostermärsche 1959, initiiert von den Naturfreunden, in Bremen, Kiel, Hanau, Offenbach, Essen, München, Dortmund, Essen und Hamburg mit insgesamt mehr als 120.000 Teilnehmern, statt. Im Anschluss an diese bis dahin größte Demonstration gegen die von Bundeskanzler Adenauer geplante, und letztlich auch durchgesetzte Wiederbewaffnung, wurde in Hamburg 14 Tage und Nächste gegen die von Adenauer zusätzlich geplante Atombewaffnung protestiert. Hier wurde erstmals der Begriff „Mahnwache“, verwendet, unter dem wir uns auch hier versammeln.

Adenauer hatte im April 1957 nämlich erklärt, dass Nuklearwaffen „nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie“ (wären). Selbstverständlich könnten wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neueste Entwicklung mitmachen. Adenauer forderte sogar, dass die Amerikaner Deutschland diese modernen Waffen liefern sollten, und Deutschland das alleinige Verfügungsrecht darüber erhalten sollte. Diese Forderung wurde glücklicherweise von den Alliierten abgelehnt.

Aber der Elefant stand mit dieser Forderung im Raum, was zur Folge hatte, dass in Westdeutschland daraufhin von der SPD und DGB die Aktion „Kampf dem Atomtod“ in´s Leben gerufen wurde.  An den Ostermärschen 1960 beteiligten sich etwa 1,5 Millionen Menschen.

Leider zog sich die SPD aber mit der Verabschiedung des Godesberger Programms aus der Kampagne „Kampf dem Atomtod“ zurück, auch deshalb, weil sie bei verschiedenen Landtagswahlen mit ihrer pazifistischen Haltung nicht den erwarteten und erhofften Sieg erringen konnte.

Die Ostermärsche fanden aber, trotz des Rückzugs der SPD, als Protest gegen die weltweite atomare Aufrüstung weiterhin statt, und zu der Teilnahme an diesen Protesten forderten u.a. so bedeutende Persönlichkeiten wie die Schriftsteller Erich Kubi, Robert Jungk, Erich Kästner, die Theologen Martin Niemöller, Helmut Gollwitzer, der Naturwissenschaftler und Philosoph Bertrand Russel, der Kabarettist Wolfgang Neuss, die Sängerin Joan Baez und der Arzt Albert Schweizer, auf. Die Sängerin Baez nahm 1966 an einem der Ostermärsche teil.

Aber nicht nur gegen die atomare Bedrohung wurde in den sechziger- und siebziger-Jahren demonstriert, auch die Notstandsgesetze und der von der US-Armee in Vietnam geführte Krieg standen im Focus der Ostermarschierer. Die „Kampagne für Abrüstung, Ostermarsch der Atomwaffengegner“, wie die Initiatoren der Ostermärsche sie bezeichnete, war damit die erste „Außerparlamentarische Opposition, APO“, der damaligen Bundesrepublik Deutschland.

In den letzten Jahren ähneln die Ostermärsche eher Spaziergängen als Märschen oder werden nur als Kundgebungen gestaltet. Bei den Ostermärschen in den 60-ger und 70-ger Jahren wurde dagegen an 3 Tagen marschiert, auf Landstraßen von Ort zu Ort. Bei jeder Witterung! Übernachtet wurde in Turnhallen, Naturfreunde-, oder Gemeindehäusern. Ich selbst nahm 1962 zum ersten Mal an einem Ostermarsch in Hessen teil. Wie auch heute wieder, wurden Friedensaktivistinnen und -aktivisten belächelt, als naive Träumer bezeichnet und von den meisten Medien entweder ignoriert oder verunglimpft. Nicht selten wurde uns auch unterstellt, wir würden von Russland oder der DDR bezahlt.  „Geht doch nach drüben!“, mussten wir uns damals oft anhören.

Bei den diesjährigen Ostermärschen steht, wie bei denen im vergangenen Jahr auch, der Krieg in der Ukraine und die immer größere Atomkriegsgefahr, sowie die massiven Aufrüstungsprogramme Deutschlands und weltweit, im Fokus. Die „Dooms day clock“ der Atomwissenschaftler steht auf 90 Sekunden vor Mitternacht. Das heißt, es muss alles getan werden, um einen Atomkrieg zu verhindern. Russland hat taktischen Atomwaffen in Weißrussland stationiert, was wiederum ein weiterer Dreh an der Eskalationsspirale, und damit eine massive Erhöhung der Atomkriegsgefahr bedeutet. Und auch die Verlautbarung Putins, gegebenenfalls Atomwaffen einzusetzen, nicht ernst zu nehmen, wie dies Mitglieder der Ampelregierung und CDU/CSU immer wieder tun, halte ich für brandgefährlich.

Lassen wir also die diesjährigen Ostermärsche zu einem deutlichen Zeichen dafür werden, dass wir mit dem „weiter so“ nicht einverstanden sind, und fordern wir Kanzler Scholz und seine Ministerinnen und Minister dazu auf, diplomatische Schritte zu unternehmen, um dem Morden in der Ukraine und in Gaza Einhalt zu gebieten. Bezüglich des Krieges in Gaza bin ich der Ansicht, dass Appelle an die israelische Regierung, das Völkerrecht zu beachten und die Zivilbevölkerung zu schonen, bei diesen auf taube Ohren stoßen. Sehr viel wirksamer wäre es doch, wenn Deutschland und die USA Israel androhen würden, die militärische Unterstützung zu unterlassen, wenn ihre Forderungen und Appelle nicht beachtet werden, wie dies die Regierungen von Kanada und Spanien übrigens schon getan haben.

Ostermärsche in unserer Region finden in Stuttgart und in Ellwangen statt. Flyer hierzu liegen auf dem Transparent in der Kreismitte. Zur Teilnahme am Ostermarsch in Ellwangen treffen wir uns am Ostersamstag um 8.30 h am Bahnhof Schorndorf. Zugabfahrt: 8.44h.

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, in Israel und im Gazastreifen, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Ich lese ein Zitat von Kurt Hiller, geb. 1885, aus einer Rede auf dem Pazifisten-Kongress in Braunschweig, 1920:

„Pazifismus heißt nicht Friedfertigkeit. Wer meint, der Pazifist müsse, seiner Definition nach, ein friedlicher, sanftmütiger, durchaus nachgiebiger, toleranter Mensch sein, ein niemals opponierendes, sich auflehnendes, aggressives oder gar zornentbranntes, vielmehr vom Honig der Eintracht und von allen Salben bedingungsloser Menschenliebe triefendes Demutsgeschöpf, der hat den Pazifismus gründlich missverstanden. Pazifismus bezeichnet keine Lammes-Gesinnung und keine Betschwester-Tugend, sondern die kämpferische Bewegung für eine Idee. Für welche Idee? Nicht für die Idee, dass auf Erden zwischen den Menschen und Menschengruppen Kämpfe aufhören, sondern für die Idee, dass auf Erden Kriege aufhören; Krieg ist eine Form des Kampfes, ist blutiger Leiberkampf von Massen auf Leben und Tod, von Massen innerlich vielfach Unbeteiligter, also unschuldig in den Tod Gehetzter – und diese Form menschlicher Auseinandersetzung, weil sie eine unmenschliche ist, will der Pazifismus aus der Welt schaffen.“

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Die Ostermärsche finden in diesem Jahr vom 28. März bis zum 1. April statt. Mit Demonstrationen, Kundgebungen, Fahrradtouren und Wanderungen, teils auch mehrtägigen, wird die Friedensbewegung ihre Themen in die Öffentlichkeit bringen. Im Terminkalender der Friedenskooperative waren Stand heute Vormittag 103 Veranstaltungen eingetragen.
  • Der Aufruf zum Ostermarsch ist gestern in der Wochenzeitung „Die Zeit“ erschienen unter dem Slogan „Jetzt erst recht – gemeinsam für Frieden!“  Mehr als 2.000 Einzelpersonen und 71 Organisationen haben das Erscheinen der Anzeige ermöglicht.

Am morgigen Samstag erscheint der Aufruf darüber hinaus in der „taz“. Aufgrund der überwältigenden Unterstützung der Anzeigen-Aktion musste dafür 2024 erstmalig  eine Doppelseite gebucht werden.

  • Noch nie waren die Ostermärsche so wichtig wie in der derzeitigen Situation. Daher sollten sich so viele Menschen wie möglich auf den Weg machen, um der Regierung zu vermitteln, dass sie nicht mit der Kriegspolitik und der zunehmenden Militarisierung einverstanden sind.
  • In Stuttgart gibt es am Karsamstag, den 30. März eine Kundgebung am EUCOM um 10.45 Uhr, anschließend einen Fahrradkorso in die Innenstadt. Dort beginnt am Schlossplatz um 90 Sekunden vor 12 Uhr die Auftaktkundgebung. Danach folgt ein Demozug durch die Innenstadt zur Abschlusskundgebung am Schlossplatz. Wer gemeinsam nach Stuttgart fahren möchte, trifft sich um 11.00 Uhr am Bahnhof Schorndorf für die Fahrt mit dem MEX um 11.14 Uhr.
  • In Ellwangen beginnt der Ostermarsch am 30.03. um 10.00 Uhr mit einem Demozug durch die Stadt. Um 11.00 Uhr ist eine Kundgebung am Fuchseck.
  • In der Mitte liegen zweierlei neue Unterschriftenlisten des Netzwerks Friedenskooperative, die man unterzeichnen kann:
  1. Ein Appell für Frieden in Israel und Palästina „Waffenstillstand jetzt“ mit Forderungen an die Bundesregierung.
  2. Ein Appell gegen die Bewaffnung der EU mit Atombomben. Die Unterschriften sollen nach der Wahl an die neu gewählten Europa-Abgeordneten übergeben werden.

Am kommenden Freitag , dem Karfreitag, findet keine Mahnwache statt. Die nächste Mahnwache ist am Freitag nach Ostern, dem 05.04. um 18.00 Uhr wieder hier vor dem Rathaus.

Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander.

Leave a Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.