Mahnwache vom 27.10.2023

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Bild von Jarkko Mänty auf Pixabay

Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache im Wortlaut:

Uwe:

Guten Abend. Ich begrüße Sie, ich begrüße euch, zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden.

Die weltweiten Ereignisse, die während der letzten Wochen und Tagen stattfanden, haben unsere Überlegungen, was wir gegen den Krieg und für den Frieden tun können, in hohem Maße tangiert.

Dem Krieg im Nahen Osten zwischen Israel und der Hamas galt sowohl in den Medien als auch in der internationalen Politik, die größte Aufmerksamkeit.

Mehr oder weniger randständig oder überhaupt nicht beachtet, waren und sind der Krieg in der Ukraine, der nach wie vor viele Todesopfer fordert, und die ständigen Bombardements und Angriffe des türkischen Militärs auf die autonomen Gebiete der Kurden in Syrien.

Ebenfalls keine Beachtung fand und findet, und darauf werde ich in meinem heutigen Redebeitrag hauptsächlich eingehen, das gegenwärtig stattfindende Nato – Manöver „Steadfast Noon“ (standhafter Mittag), bei dem die Alliierten über dem Mittelmeer, der Adria und dem Tyrennischen Meer den Einsatz taktischer Atomwaffen üben.

Nato Generalsekretär Stoltenberg legt Wert darauf, dass dieses Manöver, welches jedes Jahr um die gleiche Zeit durchgeführt wird, in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Weltgeschehen, also dem Krieg in der Ukraine, stehen und sich auch gegen kein Land richten würde. Die „Neue Züricher Zeitung“ schreibt dazu, dass dies „diplomatische Ausflüchte“ wären, denn bei einer sog. nuklearen Abschreckung „könne es natürlich nur um Russland gehen“. Geübt wird bei diesem Manöver, wie die in Europa gelagerten Atombomben sicher aus den unterirdischen Magazinen zu den Flugzeugen transportiert und unter deren Tragflächen angebracht werden können.

Bei der Übung werden dafür aber nur Attrappen verwendet. Im Ernstfall würden dann die modernisierten, im Rahmen der sog. Nuklearen Teilhabe in fünf Ländern Europas stationierten US-amerikanischen Atombomben vom Typ B61-12 an den Flugzeugen installiert. Gegen diese Nato-Manöver fanden in einigen deutschen Städten Demonstrationen statt.

Die in Büchel stationierten Atomwaffen sollten eigentlich nach dem Koalitionsvertrag der Regierungskoalition CDU/CSU/FDP im Jahr 2008 aus Deutschland abgezogen werden. Der Außenminister dieser Koalition, Guido Westerwelle, setzte sich diesbezüglich auch dafür ein, dass der Koalitionsvertrag in diesem Sinne umgesetzt wird. Die friedenspolitisch aktiven Menschen in Deutschland hofften damals, dass mithilfe des derzeit regierenden US-Präsidenten Obama, die Atombomben endlich aus Deutschland verschwinden würden. Leider vergeblich.

Zwar transferierten die USA Bomben nach den USA, aber nicht um sie zu verschrotten, sondern um diese zu modernisieren.

Im Oktober 2022 hatte das Nachrichtenmagazin Politico, unter Berufung auf US Geheimdienstinformationen und zwei anonyme Regierungsquellen berichtet, dass die USA die Lieferung nach Deutschland und andere europäische Nato – Staaten schon auf Dez. 2022 vorverlegen würden. Ob diese neuartigen Waffen schon in den Stationierungsländern angekommen sind, ist nicht bekannt.

Unabhängig vom genauen Auslieferungsdatum stellen diese Bomben eine neue Stufe der nuklearen Bewaffnung in Europa dar. Der Atomwaffenverbotsvertrag, der 2021 in Kraft getreten ist und den inzwischen 92 Staaten unterzeichnet haben, verbietet ausdrücklich die Stationierung von Atomwaffen! Deutschland ist diesem Vertrag noch nicht beigetreten und fühlt sich deshalb offensichtlich auch nicht daran gebunden. Die modernisierten Atombomben tragen die Bezeichnung B61-12. Ihr hochpräzises Heckleitwerk und ihre variable Sprengkraft (von 0,3 bis 50 Kilotonnen) ermöglichen eine höhere Zielgenauigkeit und die Fähigkeit, auch unterirdische Ziele zu treffen. Zynischerweise werden diese Bomben daher als „Mini Nukes“ bezeichnet.

Bei genauerer Betrachtung wird jedoch ihre Zerstörungskraft deutlich. Diese Bombe kann eine 20 mal größerer Sprengkraft erreichen als die über Hiroshima abgeworfene Atombombe, die 140.000 Menschen auf der Stelle tötete und in den folgenden Jahrzehnten unermessliches menschliches Leid verursachte. Die technischen Erneuerungen an dieser Waffe suggerieren begrenzte Folgen eines Einsatzes. Hierdurch wird die Schwelle eines nuklearen Einsatzes gesenkt und damit das Eskalationsrisiko erhöht.

Deutschland hat in diesem Zusammenhang mehrere kostspielige Entscheidungen getroffen, um die nukleare Teilhabe mit den neuen B61-12 Sprengköpfen fortzusetzen: die Ersetzung der Tornado Bomber durch F 35 Flugzeuge für 8,3 Milliarden Euro bis 2030 und umfangreiche Umbaumaßnahmen am Fliegerhorst Büchel in der Eifel mit geplanten 259 Millionen Euro.

Euro-Beträge, die woanders, vor allem im sozialen Bereich fehlen.

Und dies alles läuft augenblicklich weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtet.

Am 27.Nov. findet die 2. Vertragsstaatenkonferenz der Unterzeichnerstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags statt. Außenministerin Baerbock hatte vor einiger Zeit angekündigt, an dieser Konferenz als Beobachterin teilzunehmen. Ich bin mal gespannt, ob sie dieses Vorhaben umsetzen wird!

In Deutschland werden nach wie vor Unterschriften für einen Beitritt Deutschlands zum „Atomwaffenverbotsvertrag“ gesammelt, allerdings sehe ich ob der gegenwärtig angespannten Weltlage keine Chance dafür.

Hinsichtlich des Krieges im Nahen Osten hat eine Rede des Generalsekretärs der UNO, Guterres, für viel Aufregung gesorgt. Vor allem die Regierung Israels fühlte sich von dieser Rede betroffen und angegriffen und reagierte darauf u.a. mit der Forderung, dass Guterres zurücktreten müsse. Und der israelische UN-Botschafter meinte: „Es ist Zeit, dass wir ihnen der UN, eine Lektion erteilen.“ Mir ist nicht bekannt, ob sich die Vertreter anderer Regierungen dieser Forderung angeschlossen haben, was ich persönlich als gut empfinde. Nach meiner Auffassung hat der UN-Generalsekretär richtig benannt, dass die Angriffe der Hamas „nicht im luftleeren Raum“ stattfanden, nachdem er den Angriff der Hamas auf Israel auf das Schärfste verurteilt hatte. Guterres verurteilte auch die israelischen Bombardements auf Gaza, in dem er sagte, dass die Hamas – Angriffe „die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes nicht rechtfertigen könnten“.

Heute ist in den Zeitungen zu lesen, dass bei diesem Krieg  bisher auf palästinensischer Seite über 7.000 Menschen getötet und 11.800 verwundet wurden. Auf israelischer Seite sind 1.400 Getötete und 4000 Verletzte zu beklagen oder zu betrauern.

In einigen Sozialen Medien werden Unterschriften für einen sofortigen Waffenstillstand im Nahostkrieg gesammelt. Ich habe diesem Aufruf mit meiner Unterschrift zugestimmt.  Inzwischen hege ich aber große Zweifel, ob solch eine Forderung realistisch ist, solange die Hamas aus dem Gaza heraus ihre todbringenden Raketen auf Israel abfeuert und damit die dortige Zivilbevölkerung in Geiselhaft nimmt.

Auf der Web-site des „Forum ziviler Friedensdienst“ ist eine „Botschaft der jüdisch-arabischen Bewegung für Frieden, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit in Israel und Palästina, „Standing together“  vom 9.Okt. d.J., einen Tag nach dem Überfall der Hamas zu lesen, die ich zum Abschluss meiner Rede vorlesen möchte:

„Der heutige Tag war ein Beweis dafür, dass die fortgesetzte Besetzung niemanden sicherer macht. Gleich wie viele Mauern gebaut werden, solange wir uns vom Weg der Krieges leiten lassen, werden wir weiterhin mit Blut bezahlen. Wenn wir die Richtung nicht ändern, in der wir uns bewegen, sind wir dazu verdammt, die Schrecken von heute weiter zu erleben. In diesem Land leben zwei Völker, und wenn es uns nicht gelingt, beiden ein Leben in Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit zu ermöglichen, wird keiner von uns jemals in Frieden schlafen können.“

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir trauern um die getöteten Menschen in Israel und im Gazastreifen. Wir trauern um die Opfer des Ukrainekriegs, seien es Zivilisten, oder Soldaten auf beiden Seiten. Wir trauern um die Opfer all der anderen gleichzeitig stattfindenden Kriege, die oft vergessen werden. Wir trauern um die Opfer des schrecklichen Erdbebens in Afghanistan. Und wir trauern um die verloren gegangene politische Vernunft und unsere Hoffnung auf Frieden. Mögen sie nicht endgültig zerstört sein.

Doris:

Ich lese einige Sätze aus dem Buch „Miserere nobis – eine politische Messe“ des Theologen Heinrich Albertz, 1987:

Liebe Freundinnen und Freunde, wenn jeder wartet, bis ein anderer anfängt, ändert sich nichts. Widerstand ist das einfache Recht jedes Bürgers, sich einzumischen. Wir sollten uns einmischen, wir sollten uns zu Wort melden. Warum mischen sich so viele Menschen nicht ein? Weil sie es nicht gelernt haben, nicht geübt, nicht versucht, weil es ihnen verboten war. Weil sie es nicht gelernt haben, nicht zuhause, nicht in der Schule, nicht in der Kirche, nicht in der Arbeit. Wir wollen es darum lernen. Schuld ist nicht erblich, aber Widerstand und Mut sind es auch nicht. Jede Zeit, jede Generation, jeder von uns muss selber anfangen.

Doris:

Bevor wir unsere Mahnwache beenden, möchte ich noch folgendes ansagen:

  • Zunächst möchte ich eine Veranstaltung nennen, die bereits in der Vergangenheit liegt. Am 22. Oktober 1983, vor genau 40 Jahren, fand die Menschenkette gegen die Stationierung neuer Atomwaffen statt, über 108 Kilometer zwischen Stuttgart und Neu-Ulm, an der rund 400 000 Menschen teilnahmen. Die Menschenkette war erfolgreich. Ich frage mich oft, warum sich heute so wenige Menschen einmischen.
  • Immerhin gibt es zahlreiche Initiativen oder Petitionen, die von vielen Menschen digital unterstützt werden. So startete auf der Internetplattform „Change-org.“ am 20. Oktober ein Aufruf für einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und in Israel, der bereits über 380 000 Unterschriften zählt. Unterschreiben können Sie diesen Aufruf hier: CeaseFirre Now.
  • Auch auf der Homepage des „Netzwerk Friedenskooperative“ gibt es einen „Friedensappell: Für ein Ende der Gewalt in Israel und Palästina!“ zum Unterzeichnen: https://www.friedenskooperative.de/petition/israel-palaestina-gewalt-stoppen.
  • Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, durch eine Geldspende zu helfen, so z. B. an die Organisationen Ärzte ohne Grenzen oder Medico International, die im Gazastreifen unter unvorstellbaren Bedingungen lebensrettende medizinische Hilfe
  • Heute vor 2 Wochen haben wir im Anschluss an die Mahnwache im kleinen Kreis noch darüber gesprochen, dass das Banner an der Stadtkirche mit der Aufschrift „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ inzwischen abgehängt worden ist. Mona hat dazu ein Schreiben an den Kirchengemeinderat verfasst. Wer sich für die Entwicklung zu diesem Thema interessiert, möge nachher noch kurz dableiben.
  • Unsere nächste Mahnwache gegen den Krieg ist heute in einer Woche, am 03.11.23.

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