Mahnwache vom 03.11.2023

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.

Detlef:

Guten Abend zusammen. Schön, dass Sie trotz langsam herbstlichem Wetter den Weg zu unserer mittlerweile 69. Mahnwache gefunden haben.

Laut Spiegel vom 29.10.2023 sagte der SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius vor einigen Tagen folgende Sätze, Zitat:

»Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen«.

Als ich diese Sätze im ZDF gehört habe, lief es mir tatsächlich eiskalt den Rücken herunter. Noch dazu ist dieser Satz auch inhaltlich falsch. So sammelt die „Aktion Deutschland Hilft“ Spenden unter der Überschrift „Es herrscht Krieg mitten in Europa“. Gemeint ist der seit über eineinhalb Jahren herrschende Krieg in der Ukraine. Ja, lieber Herr Pistorius, wo leben Sie eigentlich? Es herrscht schon Krieg in Europa. Was allerdings noch immer droht, ist eine weitere Eskalation dieses Krieges.

Meine Meinung: Die SPD hat sich noch nie weiter von den Grundgedanken eines Willy Brandt entfernt als mit diesen Sätzen von Pistorius. In der online biografie über Willy Brandt werden die Kernbotschaften seiner Regierungserklärung von 1969 wie folgt zusammengefasst, Zitat:

„Wir wollen mehr Demokratie wagen“ und „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden – im Inneren und nach außen.“

Bei solchen Sätzen von Pistorius wundert es mich übrigens überhaupt nicht, dass die SPD in Umfragen mittlerweile bei teilweise nur noch 15 Prozent liegt (unter Willy Brandt waren das bei den Bundestagswahlen 1972 einmal 45,8 Prozent). Nein, wir sollten auf gar keinen Fall kriegstüchtig werden. Deutschland muss endlich wieder einen glaubhaften Beitrag für die friedliche Lösung von Konflikten in der Welt leisten.

Die folgenden Sätze richten sich an alle SPD-Mitglieder aus Schorndorf und Umgebung:

Viele von Ihnen, nun ja, die älteren Semester, waren doch bei den großen Friedensdemonstrationen in Deutschland Anfang der 80er Jahre dabei. Nein, Sie gingen nicht deshalb dort hin, um die vorangehende Stationierung von atomaren SS20-Mittelstreckenraketen der Sowjetunion zu bejubeln, mit denen Atombomben nach Mitteleuropa transportiert werden konnten. Sie gingen dorthin, weil Sie die Gefahr der Antwort der NATO erkannten. Die USA wollten in Europa atomare Erstschlagswaffen stationieren (Pershing II und Cruise-Missiles), was in den Augen vieler Menschen in Deutschland die Gefahr eines Atomkrieges in Europa deutlich erhöhte.

Waren Sie nicht begeistert von der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands? Dass das überhaupt möglich wurde, dafür waren doch wohl zwei Faktoren mit ausschlaggebend: Zum einen die Politik von Glasnost und Perestroika in der damaligen Sowjetunion unter Gorbatschow; zum anderen aber auch die von Willy Brandt und Egon Bahr lange Jahre geduldig betriebene Entspannungspolitik, die eine gewaltsame Unterdrückung der Proteste in der damaligen DDR für deren Parteiführung zumindest sehr erschwerte.

Und jetzt fordert der SPD-Verteidigungsminister allen Ernstes, dass wir kriegstüchtig werden müssen. Ich gehe davon aus oder hoffe es zumindest, dass viele „einfache“ SPD-Mitglieder diesen Kurs nicht teilen. Wenn dem so ist, dann machen Sie auf Ihren Parteiversammlungen gerade auch auf den unteren Ebenen den Mund auf. Machen Sie deutlich, dass Sie einer Parteiführung nicht mehr vertrauen können,

  • die lieber Waffen in Kriegsgebiete liefert, anstatt Friedensverhandlungen voranzutreiben;
  • die die Bundeswehr mit Milliarden und Abermilliarden aufrüsten will, wobei dann das Geld für die Bildung oder das Gesundheitswesen fehlen.

Wie man an den Wahlergebnissen der SPD gut erkennen kann, ist ein solches Umdenken innerhalb der SPD auch bitter nötig, möchte diese Partei noch eine sogenannte „Volkspartei“ bleiben.

Interne Sprachregelung der ARD zum Nahostkonflikt

Es gibt noch immer eine größere Anzahl von Menschen in Deutschland, die etwa die Nachrichten oder Kommentare der ARD-Sender für seriös halten. Denen sei der Artikel 44 Seiten Sprachregelung der ARD zum Nahostkonflikt – ein unglaublicher Skandal empfohlen, den Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten verfasst hat. Müller war früher Planungschef unter Bundeskanzler Willy Brandt, heute ist er Autor und Herausgeber der NachDenkSeiten.

In seinem Beitrag bringt er zunächst Zitate aus den Seiten 3 und 4 des insgesamt 44-seitigen Glossars.  Hier wird deutlich, dass die dort arbeitenden JournalistInnen ihre Beiträge nicht „frei“ formulieren sollen, sondern sich an bestimmte Vorgaben zu halten haben. Dazu zunächst ein Zitat aus diesem Text:

Wir sprechen weiterhin von „Angriff/en aus Gaza auf Israel“ oder „Terrorangriff/e auf Israel“. Es kann aber auch „Krieg gegen Israel“ verwendet werden.

Was unbedingt vermieden werden muss, sind Worte wie „Gewaltspirale“ – und auch „Eskalation in Nahost“ beschreibt die aktuelle Lage seit Samstag nicht ausreichend. Die Situation ist komplexer.

Bitte passt auch auf wie wir das Wort „Angriff“ genau verwenden: In dieser Situation sind es „Gegenangriffe von Israel auf Gaza“. Es ist verkürzt zu sagen oder schreiben „Angriffe auf Israel und Gaza“.

Wenn man Worte wie „Gewaltspirale“ oder „Eskalation in Nahost“ nicht verwenden soll, ist das in meinen Augen der Aufruf an die JournalistInnen, die Gefahren dieses Krieges zu verharmlosen. Schließlich droht eine Ausweitung dieses Krieges vom Norden her durch die Hisbolla, noch dazu unterstützt der Iran sowohl die Hisbolla als auch die Hamas. Die mit dem Iran verbandelten Huthi-Rebellen im Jemen schicken auch schon Drohnen nach Israel. Gleichzeitig schicken die USA Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in den Nahen Osten. Auch Deutschland liefert große Mengen an Waffen in das Pulverfass Naher Osten.

Es folgen noch eine ganze Reihe von Anweisungen an die JournalistInnen, wie über diesen Krieg zu berichten ist. Die mögen auch nicht unbedingt alle falsch sein. Der eigentliche Skandal daran ist aber, dass den JournalistInnen quasi durch die Hintertür das eigene Denken verboten wird. Denn, das ist zumindest meine Meinung: Diejenigen, die sich wiederholt nicht an solche Sprachregelungen halten, riskieren letztlich ihren Job. In früheren Zeiten gab es einmal JournalistInnen, die gut recherchierte Berichte auch aus Spannungsgebieten dieser Welt lieferten. Sie kritisierten dabei auch oft genug die Positionen der jeweiligen Bundesregierung oder auch der US-Regierung (z.B. ein Journalist wie Peter Scholl-Latour). Ja, so etwas war früher in den Sendeanstalten der ARD noch möglich. Und heute? Zumindest immer seltener.

Informationsfreiheit ist m.E. ein wichtiges Kennzeichen von Demokratie. Wenn öffentlich-rechtliche Sender wie die ARD ihre JournalistInnen immer weiter bevormunden, dann geht dabei auch Schritt für Schritt immer mehr an Demokratie verloren.

Wie sagte Willy Brandt noch einmal, „wir wollen mehr Demokratie wagen“? Im Moment scheint es so, als würde auch die ARD mit ihren Vorschriften oder „Glossaren“ daran arbeiten, immer mehr Demokratie abzubauen. Noch dazu ist der Skandal dabei: Wir alle sind gezwungen, diese Sendeanstalten über unsere Rundfunkgebühren zu finanzieren. Wenn wir alle aber gleichzeitig keinen Einfluss darauf haben, was und wie in solchen Anstalten gesendet werden kann, dann liegt wohl mit unserer Demokratie eine ganze Menge im Argen!

Uwe:

Wir laden Sie, wir laden euch nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen. Wir gedenken dabei all der Menschen, die durch Kriegseinwirkungen, besonders gegenwärtig in Gaza, oder Israel, in Syrien oder in der Ukraine ermordet, verletzt wurden, deren Wohnstatt zerstört worden ist. Wir gedenken der Menschen, die seit einigen Tagen aus Pakistan, wo sie seit Jahren beheimatet waren, des Landes verwiesen werden.

Wir gedenken der Friedfertigen, die weltweit gegen Hass, Unterdrückung und Krieg aktiv sind.

Uwe:

Ich lese jetzt ein Gedicht vor, welches wir schon öfters als literarische Beitrag bei unseren Mahnwachen rezitiert haben. Ich finde dieses Gedicht noch immer aktuell und die damit zum Ausdruck gebrachte Aufforderung gerade gegenwärtig nachdenkenswert:

Günter Eich: Wacht auf

Wacht auf,- denn eure Träume sind schlecht!
Bleibt wach,- weil das Entsetzlich näher kommt.

Auch zu dir kommt es, der weit entfernt wohnt
von den Stätten, wo Blut vergossen wird,
auch zu dir und deinem Nachmittagsschlaf,
worin du ungern gestört wirst.
Wenn es heute nicht kommt, kommt es morgen
aber sei gewiss.

(….)

Nein, schlaft nicht,
während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid misstrauisch gegen ihre Macht,
die sie vorgeben für
euch erwerben zu müssen.

Wacht darüber,
dass eure Herzen nicht leer sind,
wenn mit der Leere eurer Herzen
gerechnet wird.
Tut das Unnütze,
singt die Lieder, die man aus eurem Mund
nicht erwartet!
Seid unbequem,
seid Sand,
nicht das Öl im Getriebe der Welt.

1953

Uwe:

Bevor wir den offiziellen Teil unserer heutige Mahnwache wieder beenden, hier noch einige Hinweise auf demnächst stattfindende Veranstaltungen und Aktionen:

  • Am Sonntag, 5.11. um 9.00 Uhr findet in der Schurwaldhalle Oberberken der Kreisparteitag der AFD statt. Das Bündnis gegen Rassismus und Rechtsextremismus Schorndorf lädt um 8.45 Uhr zu einer Gegendemonstration vor der Schurwaldhalle ein. OB Hornikel wird auch anwesend sein.
  • Am Montag, den 6.11. findet um 18.00 Uhr in der Stadtkirche Schorndorf das „Ökumenische Friedensgespräch“ statt.
  • Am Mittwoch, 08.Nov. d.J. um 19. lädt das „Haus der kath. Kirche“ Königstraße 7 in Stuttgart zu einem Vortrag und Diskussion mit Michael Lüders zum Thema: “Deutsche Politik in Zeiten der Krisen und Kriege“ ein.
  • Am 9. November ab 18h findet auf dem Cannstätter Marktplatz eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Progromnacht 1938, mit anschließender Demonstration zum Platz der ehemaligen Synagoge und Kranzniederlegung dort, statt.
  • Am So, 12. November, um 18h, wird mit einem Gottesdienst in der Franziskus – Kirche in Schwäbisch Gmünd, die diesjährige „Friedensdekade“ eröffnet.
  • Auf die am 25.November in Berlin stattfindende Friedensdemonstration werden wir in der nächsten oder übernächsten Mahnwache eingehen.

Unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden, ist damit beendet.

Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, wieder um 18h hier vor dem Rathaus statt.

Vielen Dank, dass Sie, dass ihr gekommen seid. Wir wünschen einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

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