Im Folgenden können die Beiträge der Mahnwache nachgelesen werden.
Doris:
Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 23. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank an alle, die gekommen sind.
Wir stehen heute wieder hier unter dem Eindruck der Nachrichten der vergangenen Woche:
- Die russische Teilmobilmachung nimmt ihren Lauf. Sie sprechen von 300 000 oder auch von bis zu einer Million russischer Männer und auch Frauen, die zwangsweise einberufen werden, um in der Ukraine zu kämpfen. Sicher gehen die meisten von ihnen nicht freiwillig in den Krieg. Man hört von vielen, die schon geflüchtet sein sollen. Putin, ein skrupelloser Diktator, schickt Tausende Soldaten in den Tod, um seine Ziele zu erreichen. Auf der anderen Seite sieht es nicht besser aus. Die Motivation der ukrainischen Soldaten ist sicherlich höher, denn sie wollen ihr Land verteidigen. Aberauch sie sterben zu Tausenden einen sinnlosen Tod, nur weil ihre Präsidenten nicht bereit sind, miteinander zu reden.
- Die offizielle Annexion von vier russisch besetzten Gebiete nach den Scheinreferenden findet heute statt. Wie wird sich das auf den weiteren Verlauf des Krieges auswirken? Die russische Drohung mit Atomwaffen wurde in diesem Zusammenhang wiederholt. Das macht uns große Angst.
- In den Gaspipelines wurden riesige Lecks entdeckt. Russland und die NATO bezichtigen sich gegenseitig der Sabotage. Welche Nachrichten sind richtig, welche falsch? Was wird daraus folgen?
- Die EU hat ein neues sogenanntes Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht. Was werden neue Sanktionen bewirken? Haben die bisherigen Sanktionen irgendetwas Positives bewirkt?
Wann endlich werden diejenigen, die den Krieg immer weiter eskalieren lassen, zur Vernunft kommen? Wann endlich wird es Hoffnung auf einen Weg aus dieser Sackgasse geben? Was sollen wir tun? Fragen über Fragen, die sich in unserem Kopf und in unserer Seele im Kreis drehen.
In unserem Land gibt es die Möglichkeit, dass man für seine Überzeugung auf die Straße gehen kann. Dass man seine Meinung äußert in Protestbriefen, Unterschriftsaktionen, Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen usw. Das können wir tun. Das ist nicht viel, aber auch nicht nichts. Und, wir wollen weiterhin mit all unserer Kraft den Frieden herbeisehnen.
Uwe Glund wird jetzt einen Text von Dorothee Sölle vortragen, der uns darin bestärken kann.
Uwe:
Dinge tun, weil wir sie für richtig und wahr halten
Ein Freund sagte zu mir, als ich sehr deprimiert war: “Weißt du, du musst das mit einem längeren Atem sehen. Im Mittelalter, da haben die Menschen Kathedralen gebaut, an denen haben sie manchmal 200 Jahre gearbeitet, d.h. diejenigen, die als Steinmetz oder als kleine Hilfslehrlinge, als Mischer oder sonst etwas arbeiteten, die haben das fertige Haus nie gesehen – immer nur Gerüste, Ansätze, Stückchen. Uns, die wir an der Kathedrale des Friedens bauen, geht es nicht besser. Wir sehen auch nur Stücke, wir müssen trotzdem so leben mit diesem Bau und mit diesem Traum und von denen , die vor uns so etwas versucht haben, lernen.“
Der Erfolg kann dabei nicht unsere einzige Kategorie sein. Es gibt Dinge, die musst du tun um deiner eigenen Würde willen, damit du dir noch ins Gesicht sehen kannst Es gibt Dinge, die musst du tun, damit du überhaupt ein Mensch bleibst. Und da meine ich, das relativiert die Kategorie Erfolg und bringt uns auf einen festen Grund, wo wir nämlich Dinge tun, weil wir sie für richtig und für wahr halten. Auch dann, wenn sie jetzt in unserer Stadt oder vielleicht in meiner Lebenszeit keinen Erfolg haben, werde ich sie trotzdem tun, obwohl das Leben, welches ich habe und zu geben habe, für den Frieden dabei vergeht.
(2 x vorlesen)
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft zurückkehren und eine weitere Eskalation verhindern.
Doris:
Ich lese jetzt ein Zitat von Bertolt Brecht. Gestern war ja in der Manufaktur eine Kulturveranstaltung im Rahmen des diesjährigen Antikriegstags mit Gedichten gegen den Krieg von Bertolt Brecht. Folgendes Zitat war im Manufakturprogramm abgedruckt:
Wer heute die Lüge und Unwissenheit bekämpfen und die Wahrheit schreiben will, hat zumindest fünf Schwierigkeiten zu überwinden. Er muss den Mut haben, die Wahrheit zu schreiben, obwohl sie allenthalben unterdrückt wird. Die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie allenthalben verhüllt wird. Die Kunst, sie handhabbarer zu machen als eine Waffe. Das Urteil, jene auszuwählen, in deren Händen sie wirksam wird. Die List, sie unter diesen zu verbreiten.
Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:
- Für morgen, Samstag, 01.10.22., haben die beiden bundesweiten Netzwerke „Bundesausschuss Friedensratschlag“ und „Kooperation für den Frieden“ gemeinsam die Bevölkerung aufgerufen, sich an einem bundesweiten dezentralen Aktionstag zu beteiligen und entschieden den Politikwechsel hin zu Frieden und Abrüstung zu fordern. In vielen deutschen Städten werden morgen Veranstaltungen stattfinden. In Stuttgart beginnt die Demonstration und Kundgebung um 11.55 Uhr am Arnulf Klett-Platz vor dem Hbf. Veranstalter der Stuttgarter Aktion sind verschiedene Organisationen wie das Friedensnetz Baden-Württemberg, Pax Christi, der VVN usw. Wer aus Schorndorf teilnehmen möchte, trifft sich um 11.00 Uhr am Bahnhof Schorndorf zur gemeinsamen Fahrt mit dem MEX um 11.14 Uhr.
- Unsere nächste Mahnwache findet am kommenden Freitag, 07.10.22 um 18.00 Uhr auf dem Mittleren Marktplatz statt.