Mahnwache vom 14.04.2023

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache.

Detlef:

Hallo zusammen,

ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer mittlerweile 48. Mahnwache seit Beginn des Ukraine-Krieges.

Über die Osterfeiertage fanden wieder die traditionellen Ostermärsche statt. Zunächst einmal gibt es hierzu positives zu vermelden, wie auf der Web-Seite der Friedenskooperative nachzulesen ist, Zitat:

In ganz Deutschland sind in über 120 Städten in den vergangenen Tagen mehrere Zehntausend Menschen für Frieden und Abrüstung auf die Straßen gegangen. Ein wichtiges Zeichen in diesen so unfriedlichen Zeiten!

Sicherlich ist positiv zu bemerken, dass in diesem Jahr Ostermärsche in mehr Städten in Deutschland stattfanden als im Jahr zuvor. Dennoch: Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass am Osterwochenende nicht nur mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße gingen, sondern mehrere Hunderttausend, insbesondere, weil die Lage in der Welt seit Beginn des Ukraine-Krieges immer bedrohlicher geworden ist.

Nein, die Friedensbewegung in Deutschland hat es aktuell nicht leicht. Es reicht in den Medien nicht mehr aus, den Krieg von Russland in der Ukraine zu verurteilen. Man muss auch alle Maßnahmen des Westens in diesem Krieg für gut befinden inklusive der Waffenlieferungen und der Sanktionen. Die Ukraine muss diesen Krieg unbedingt gewinnen, so heißt es. Wer einen Waffenstilltand fordert und Verhandlungen wird verunglimpf, als Putin Versteher oder was auch immer. Wer darauf verweist, dass dieser Krieg eine lange Vorgeschichte hatte und auch der Westen am Ausbruch dieses Krieges eine Mitschuld trägt, der ist letztlich ganz unten durch.

So war auch die Berichterstattung in den Medien zu den diesjährigen Ostermärschen im Wesentlichen negativ oder es wurde gar nicht berichtet. So nahmen am Ostermarsch in Stuttgart wohl ca. 3.000 Menschen teil, was der Stuttgarter Zeitung aber scheinbar gar keinen Bericht wert war. Der größte Ostermarsch fand in diesem Jahr mit ca. 4.000 TeilnehmerInnen in Frankfurt statt.

Auf den NachDenkSeiten wurden zu den Ostermärschen zwei Leserbriefe veröffentlicht. Auf einem dieser Briefe äußerte ein Teilnehmer an der Kundgebung in Frankfurt folgendes:

In Frankfurt – wir waren vor Ort – ergab sich auf dem Römerberg ein Bild, wie wir es seit Jahren kennen: Pace-Fahnen, Picassos Friedenstaube, Transparente der VVN, Gewerkschaften usw. Die Ostermarschbewegung, wie wir sie kennen. Unter die rund 4.000 Teilnehmer hatte sich lediglich ein Mann mit blau-gelber Fahne gemischt und ein Vater mit Kind (!) zog mit einem blau-gelben Schild mit der ultranationalistischen Parole „Slawa Ukrajini“ in den hinteren Reihen seine Runden. Zu diesem Zeitpunkt haben wir mit uns selbst gewettet, dass dieser Mann ins Fernsehen kommt. Bereits in einem ersten Kurzbericht (knapp 1 Minute) zeigte das ZDF tatsächlich den Mann, um die Behauptung zu untermauern, dass die Friedensbewegung gespalten sei.

Interessant ist übrigens der Hintergrund der Parole „Slawa Ukraijini“, auf Deutsch: „Ruhm der Ukraine – den Helden Ruhm“. Das war der Schlachtruf der vom Nazi Bandera gegründeten Partei „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) im zweiten Weltkrieg, die sich an Juden-Pogromen beteiligte und für die Ermordung von 120.000 polnischen Zivilisten verantwortlich war. Man könnte hier fragen? Warum werden UnterstützerInnen des Manifests für Frieden von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht in den Medien als „rechts offen“ diffamiert, die nun beide mit Nazis überhaupt nichts zu tun haben, wenn das ZDF vollkommen kritiklos Naziparolen aus der Ukraine veröffentlicht? Gibt es im ZDF mittlerweile die Unterscheidung zwischen guten Nazis (aus der Ukraine) und bösen Nazis vom Manifest für Frieden, die gar keine Nazis sind. Das ist wirklich unglaublich und bösartig.

Wie Sie sehen, ich rege mich in letzter Zeit oft über die Berichterstattung in unseren Medien, insbesondere auch der öffentlich-rechtlichen Medien auf. Meine polnische Frau Elzbieta hat mich in letzter Zeit des Öfteren gefragt, warum ich mich so darüber aufrege, schließlich kennt sie das doch alles. Sie lebte noch in Polen, als es den kalten Krieg zwischen Ost und West gab. Die Berichterstattung der polnischen Medien war damals mindestens so einseitig, wie wir das leider heute immer mehr bei unseren Medien in Deutschland erleben. Die meisten Menschen in Polen nahmen allerdings die Berichterstattung ihrer Medien immer weniger ernst. Sie schenkten ihren offiziellen Medien immer weniger Glauben und bildeten sich ihre Meinung einfach selbst.

Ähnliche Tendenzen konnte man in der damaligen DDR erleben. Noch dazu verschafften sich viele Menschen dort auch Zugang zum Westfernsehen. Auch hier schenkten die Menschen den offiziellen Medien in der DDR immer weniger Glauben.

Vielleicht sind diese Erfahrungen auch ein Grund dafür, dass viele Menschen im Osten von Deutschland heute die Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg deutlich kritischer sehen als die Menschen im Westen. Hier gibt es noch ein viel verbreiteteres Misstrauen gegenüber den „Wahrheiten“, die in den offiziellen Medien verkündet werden.

Was mich besonders erschreckt, ist das Tempo, in denen die Mainstream-Medien in Deutschland verändert wurden. Kritik an den Medien konnte man aus verschiedenen Gründen auch in früheren Zeiten schon immer üben. Aber immerhin: Andere und kritische Meinungen konnten auch in den Medien geäußert werden. Heute gibt es für kritische Meinungen nur noch vereinzelte Talk-Shows, in denen Kritiker wie Ulrike Guérot oder Sahra Wagenknecht auftreten können. Diese stehen dann allerdings alleine da gegen alle anderen, auch die Kommentatoren dieser Talk-Shows stellen sich meist gegen diese. Ich muss sagen: Ich bewundere diese Frauen, wie sie es trotz der oft sehr unfähren Behandlungen schaffen, ruhig und sachlich zu bleiben. Ganz ehrlich, ich könnte das nicht.

Doch, es gab bis vor kurzem tatsächlich noch gute Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Medien. So schrieb der ehemalige Intendant des Westdeutschen Rundfunks, der 2022 verstorbene Fritz Pleitgen im Herbst 2014 einen klugen und ausführlichen Beitrag über die Ukraine-Krise, nachzulesen hier: Pleitgen 2014 zur Ukraine-Krise. Auch wenn das ein etwas längerer Artikel ist, ich empfehle Ihnen sehr, sich diesen einmal durchzulesen. Hier nur zwei Zitate aus diesem Text:

Die westlichen Regierungen – und leider auch fast alle westlichen Medien – machen es sich einfach: Die Ukraine-Krise ist allein Putins Werk. Doch ganz so simpel ist es nicht. Die EU hat mit ihrer Forderung an die Ukraine, sich in ihrer Ausrichtung zwischen der EU und Russland zu entscheiden, die ukrainischen Eigenheiten und Realitäten klar missachtet. Die damit entstandene Zerreißprobe geht aufs Konto der EU.

Und:

Da in der jetzigen Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Russland viel zu verlieren ist, bietet es sich an, das lateinische Sprichwort zu beachten: was immer Du tust, handele klug und bedenke das Ende. Wir können natürlich zu immer härteren Strafmaßnahmen greifen, auch militärische Optionen wahrnehmen, aber wir müssen davon ausgehen, dass Putin ebenso hart dagegenhalten wird, zumal für ihn mehr auf dem Spiel steht als für den Westen. Wo das endet, weiß niemand. Sicher ist nur, dass Fragen des Völkerrechts bei einer solchen Entwicklung immer weniger eine Rolle spielen werden.

Wie gesagt, diese beinahe prophetisch wirkenden Sätze hat Pleitgen bereits 2014 formuliert. JournalistInnen, die heute etwas ähnliches sagen würden, hätten gute Chancen, als Verschwörungstheoretiker oder Putin-Freund oder rechts-offen oder was auch immer diffamiert zu werden. So weit sind wir leider heute in Deutschland gekommen.

Zum Schluss:

Der französische Präsident Macron war zu Besuch in China. Macron äußerte sich anschließend wie folgt: Europa müsse eine „strategische Autonomie“ anstreben und dem Druck widerstehen, zu „Amerikas Gefolgsleuten“ zu werden. In der Taiwan-Frage dürfe man kein „Mitläufer“ sein. Sonst riskiere man, „zu Vasallen [der USA] zu werden“.

Nein, ich bin gewiss kein Fan von Macron. Insbesondere seine Rentenpolitik in Frankreich lehne ich ab. Aber diese Sätze waren in meinen Augen einfach richtig. Und, wie war die Reaktion von Deutschland daraufhin? Vernichtend. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen meinte gar: „Macron schein von allen guten Geistern verlassen“. Die Reaktion in unseren Medien ging genau in diese Richtung. Es ist erschreckend, wie die Medien tatsächlich daran arbeiten, Deutschland endgültig zu einem Vasallen der USA zu machen. Dagegen erschien immerhin in der Süddeutschen Zeitung am 12.04.2023 ein Kommentar unter dem Titel Macron steht mit dem Wunsch nach Autonomie nicht allein. Auch in den Schorndorfer Nachrichten erschien ein Beitrag zu den Äußerungen von Macron, der nicht ganz so negativ war.

Was also tun? In meinen Augen sollten wir uns ein Beispiel an den BürgerInnen in Frankreich nehmen. Insbesondere jetzt, wo es um die Frage von Krieg oder Frieden in der Welt geht. Hören wir einfach auf, unseren Medien noch Glauben zu schenken, setzen wir uns mit aller Kraft, die wir haben, dafür ein, dass die Politik in Deutschland endlich wieder den Weg zum Frieden sucht. Um es mit Hannes Wader zu sagen: Es ist an der Zeit.

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern.

 

Nach dem Schweigen hörten wir gemeinsam das Lied „Es ist an der Zeit“, vorgetragen von Reinhard Mey, Hannes Wader und Konstantin Wecker. Hier können Sie sich dieses Lied noch einmal auf YouTube anschauen: Es ist an der Zeit.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

Es ist dringender denn je, dass wir Bundeskanzler Scholz dazu auffordern, eine diplomatische Initiative für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zu ergreifen. Aktuell gibt es dazu dreierlei Aufrufe, die man mit unterzeichnen kann:

  • Das „Manifest für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Wir haben schon öfter darüber berichtet. Der link dazu ist https://www.change.org/p/manifest-f%C3%BCr-frieden.
  • Die Friedenskooperative hat eine Mailaktion gestartet: „Herr Bundeskanzler, werden Sie aktiv für Friedensverhandlungen!“ Auf der Plattform https://www.lobbying4peace.de/ kann man sich daran beteiligen.
  • Der Offene Brief, den Willy Brandts Sohn initiiert hat und der von vielen bekannten SPD-Mitgliedern mit unterzeichnet wurde, kann jetzt auch unterschrieben werden. Der link dazu ist https://friedenschaffen.net/.

Am Montag, den 17.04. findet um 18.00 Uhr in der Stadtkirche wieder das Ökumenische Friedensgespräch statt.

Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, den 21.04. um 18.00 Uhr hier auf dem Mittleren Marktplatz.

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