Mahnwache vom 24.01.2025

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Es folgend die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch zu unserer Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die heute gekommen sind.

Wieder einmal sind in der vergangenen Woche viele Nachrichten auf uns eingestürzt, die uns ratlos, traurig, wütend machen, z.B.

  • Der neue amerikanische Präsident lässt seit seinem Amtsantritt keine Zweifel daran, dass sich Vieles in nächster Zeit ändern wird, davon vermutlich das meiste zum Schlechten. Niemand kann wirklich einschätzen, was uns und die Welt erwartet.
  • Noch wissen wir nicht, ob die Waffenruhe im Gazastreifen halten wird. Und: kurz nach ihrem Beginn hat Israel einen groß angelegten Militäreinsatz im Westjordanland gestartet.
  • Die deutschen Rüstungsexporte, vor allem in Kriegsgebiete, waren im vergangenen Jahr so hoch wie niemals zuvor, Tendenz steigend.
  • Die furchtbare Tat eines wahrscheinlich psychisch kranken Mannes aus Afghanistan wird von Politikern verschiedenster Parteien dazu benutzt, drastische Konsequenzen für Migranten anzukündigen und dadurch schnell noch ein paar Stimmen für die bevorstehende Bundestagswahl zu ergattern. Usw.

Es ist gut, dass es engagierte Friedensorganisationen und aufrechte Menschen gibt, die sich nicht der Mehrheitsmeinung anschließen, sondern sich selbst und ihren Idealen treu bleiben. Einer davon ist Paul Russmann von Ohne Rüstung Leben. Am 17. Dezember hat er eine Rede geschrieben für eine Protestaktion, die anlässlich eines Militärkonzerts in der Fellbacher Lutherkirche stattgefunden hat. Ich möchte diese Rede heute vorlesen.

 „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ heißt es in einem Sprichwort. Dieses Sprichwort zielt auf den Sachverhalt ab, dass man normalerweise singend nie einen bösen Gedanken oder eine böse Absicht hegt oder formuliert. Singen ist von seinem Ursprung her auf das soziale Miteinander angelegt. Von daher singe ich selber sehr gerne und begrüße es, wenn Menschen zusammenkommen, um in der Kirche, in der Liederhalle oder auf dem Schlossplatz zu singen oder zu musizieren.  Warum protestieren wir gegen ein auf dem ersten Blick harmloses Musikvergnügen? Es ist doch besser, hier in der Lutherkirche zu musizieren statt irgendwo in der Welt zu marschieren? Dass hier heute Abend Militärs in Uniformen musizieren, hat aber mehr als einen bitteren Beigeschmack. Und dies aus mehreren Gründen:

Die Schönheit der Musik und die Atmosphäre der Kirche sollen sich auf die Bundeswehr übertragen. Es geht darum, im Auftrag des Bundesministers der Verteidigung nicht nur gute Laune zu verbreiten, sondern auch Werbung in eigener Sache zu machen und jungen Menschen den Arbeitgeber Bundeswehr auf eine ganz besondere Art näher zu bringen. Auch wenn hier heute Abend tendenziell mehr Menschen meiner Altersstufe die Musik genießen wollen, so werden  weihnachtliche Melodien und Gefühle durch die Bundeswehr ausgenutzt, um die Besucherinnen und Besucher dieses Konzertes als Sympathieträger zu gewinnen. Damit diese ihren Kindern und Enkelkindern zuhause ein geschöntes, positives, oder verharmlosendes Bild der Bundeswehr  vermitteln.

Ausgeblendet werden die Gräuel des Krieges. Ausgeblendet werden die Folgen der deutschen Waffenexporte und die jährlich steigenden Kosten für Waffen, Soldaten und Krieg. Ausgeblendet werden die zahlreichen Opfer der Kriegs- und Auslandseinsätze. Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden schwer traumatisiert, schwer verletzt, oder kommen in Zinksärgen zurück.

Das Militär setzt auf die Anwendung von Waffen, das Töten von Menschen, die Zerstörungen der Infrastruktur eines Landes und tut damit genau das Gegenteil von dem, was die Botschaft Jesu verkündet.

Die aktuellen Kriege machen – auch durch Waffenlieferungen aus Deutschland – große Gebiete unbewohnbar und vertreiben die Menschen aus ihrer Heimat. Die kriegerischen Militäraktionen verhindern keinen Terror – sie produzieren selbst neuen Terror, bewirken noch mehr Flucht, Tod und Gewalt. Dies zeigte unter anderem der Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

Christen haben es bis zum vierten Jahrhundert abgelehnt, zu den Waffen zu greifen. Sie befolgten das Gebot der Feindesliebe und setzten sich im Sinne der Bergpredigt für aktive Gewaltfreiheit ein. Erst als das Christentum römische Staatsreligion wurde, ist das christliche Gedankengut vergiftet worden. Durch ihre 1 600-jährige Herrschaftsgeschichte in Europa hat sich die pazifistische Botschaft Jesu häufig ins Gegenteil verkehrt.

Nach den grausamen und schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege formulierte der  Ökumenische Rat der Kirchen 1948:  „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ und konkretisierte diese Aussage 1975 auf der V. Vollversammlung in Nairobi  folgendermaßen: „Die Kirche sollte ihre Bereitschaft betonen, ohne den Schutz von Waffen zu leben und bedeutsame Initiativen ergreifen, um auf eine wirksame Abrüstung zu drängen“.

Doch statt wirksame Abrüstung gibt es einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf, den z. B. Papst Franziskus immer wieder kritisiert, indem er vor einem 3. Weltkrieg warnt.  Heute lebt weltweit jeder fünfte Mensch in einem Land, das von Gewalt, Krieg und staatlichem Zerfall geprägt ist. Die Ursachen sind vielfältig. Klimawandel und schwindende Rohstoffe, ungleiche Verteilung von Land und Nahrungsmitteln, soziale Ungleichheit und Ausgrenzung und nicht zuletzt Produktion von und Handel mit Rüstungsgütern zählen zu den Herausforderungen für den Frieden im 21. Jahrhundert. Es geht in allen Kriegen immer auch um Einflusssphären, den ungehinderten Zugang zu Rohstoffen, die Ausschaltung wirtschaftlicher und politischer Konkurrenten, den Anspruch Großmacht oder Kolonialmacht zu sein.

Statt kriegstüchtig und erstschlagsfähig müssen wir friedensfähig werden. Waffen und Gewalt lösen weder strukturelle noch soziale Probleme.  Um das Leben aller Menschen und das künftiger Generationen sicher, sozial gerecht und ökologisch tragfähig zu gestalten, braucht es friedenslogische Alternativen.

Wer wirksame Abrüstung und Frieden will, darf in seiner Kirche keine Plattform für Militärwerbekonzerte bieten. Die Vorstellung, kirchliche Ressourcen bereitzustellen für eine Organisation, die das Töten oder Verstümmeln von Menschen trainiert und das Erlernte auf Befehl im Ernstfall auch praktiziert, ist für uns unerträglich!

Statt der Bundeswehr eine Plattform zu bieten, fordern wir den Kirchengemeinderat der Luthergemeinde auf sich mit uns einzusetzen:

    • gegen den Missbrauch unserer Kirchen für Bundeswehr-Werbung!
    • gegen den Missbrauch der Religion zur Kriegs-Unterstützung!
    • gegen den Missbrauch von Musik für militärische Werbezwecke!
    • für Gewaltfreiheit und für friedenslogische Alternativen!

Die Propheten Micha (4,3) und Jesaja (2,4) sagen eine Welt ohne Kriege voraus. Jesus von Nazareth hat Gewaltfreiheit gepredigt (Mt 5,9) und gelebt (Mt 26). Gewaltfreie Methoden sind effektiver und nachhaltiger als militärische Methoden. [Erica Chenoweth „Why civil resistance works“].

Statt heute zu musizieren und morgen zu marschieren fordern wir die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und aller Armeen auf, die Teilnahme an Auslands- und Kriegseinsätzen zu verweigern. Es gibt keine gerechten Kriege.

Statt in Zukunft unsere Steuergelder für Krieg, Soldaten und neue Waffen auszugeben, fordern wir die Bundesregierung auf,  endlich wirksam massiv abzurüsten und unsere Steuergelder dafür einzusetzen, dass kein Mensch mehr hungern und die globale Erwärmung unserer Erde begrenzt wird.

Statt Soldatinnen und Soldaten in immer neue Kriegseinsätze zu schicken und Waffen weltweit zu exportieren, ist es an der Zeit, dem Beispiel Costa Ricas zu folgen. Es ist Zeit für eine Bundesrepublik ohne Armee“.

So weit Paul Russmann. Lassen wir uns solche Visionen nicht nehmen!

Uwe:

Wir laden Sie nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen und all derer zu gedenken, die durch kriegerische Auseinandersetzungen ermordet, an Körper und Seele verletzt, ihrer Heimstatt beraubt wurden, oder sich auf der Flucht vor Krieg und Elend befinden.

Wir gedenken der Natur und unserer Lebensgrundlage, gegen die weltweit ein permanenter Krieg geführt wird, und die erbarmungslos zerstört wird.

Wir gedenken all der Menschen, die sich aktiv gegen den Krieg oder gegen die Zerstörung unserer Mitwelt einsetzen.

Uwe:

Konstantin Simonow 1949:

(…) Aber die Kriegsbrandstifter, die sich einbilden, wir wollen den Frieden aus Schwäche, sind von einem tiefen und gefährlichen Irrtum befangen. Wir wollen den Frieden nicht, nur weil wir den Krieg fürchten. Wir wollen ihn, weil wir wissen, welche Leiden der Krieg allen Völkern bringt. Im Gegensatz zu den Kriegsbrandstiftern denken wir ja stets vor allem und hauptsächlich an das Geschick der Völker, nicht nur an das Volk unseres eigenen Landes, sondern an die ureigensten Interessen der Völker der ganzen übrigen Welt. Das ist der Grund, warum wir keinen Krieg wollen. (….)

Uwe:

Bevor wir unsere heutige Mahnwache beenden, möchte ich noch auf einige Veranstaltungen, die in nächster Zeit stattfinden, hinweisen:

  • Sonntag, 26.01.2025, 10.30 Uhr im Clara-Zetkin-Haus in Stuttgart Sillenbuch, Gorch-Fock-Straße 26, Vortrag und Diskussion zum Thema „Kein bisschen Frieden“.
  • Donnerstag, 30.01.2025, 17.00 Uhr Stuttgart Rotebühlplatz: Friedensmahnwache. Diese findet an jedem Donnerstag zur gleichen Uhrzeit statt.
  • Donnerstag, 30.01.2025, 17.00 Uhr, Schorndorf vor dem Rathaus: Menschenkette mit dem Motto: „Wer schweigt, gibt den Rechten eine Stimme“.
  • Donnerstag, 30.01.2025, 19.00 Uhr Lesung von Jürgen Grässlin aus seinem Buch: „Wie Lichter in der Nacht – Menschen, die die Welt verändern“.
  • Donnerstag, 30.01.2025, 19.00 Uhr in der Glockenkelter in Stetten/Remstal, Vortrag von Ulrich Bausch, VHS Reutlingen zu dem Thema: „Ukraine – Gewalt ist nicht die Lösung“.
  • Samstag, 1.02.2025, 14 Uhr Stuttgart Welthaus, Charlottenplatz 17: Vernetzungstreffen der Friedensinitiativen und -gruppen Südwest.

Damit ist unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden beendet.

Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, am Freitag, den 31. Januar, zur gleichen Zeit, an gleicher Stelle statt.

Vielen Dank, dass Sie, dass ihr gekommen sind/seid. Wir wünschen ein schönes Wochenende.

 

 

 

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