Mahnwache vom 31.05.2024

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die gekommen sind.

Am vergangenen Samstag waren wir von der Friedensinitiative mit einem Informationsstand zum Thema Europawahl auf dem Schorndorfer Wochenmarkt vertreten. Wir sind der Meinung, die Menschen sollten auf jeden Fall zur Wahl gehen, das ist in einer Demokratie ihr gutes Recht und auch eine moralische Pflicht. Nur: „welche Partei kann man denn überhaupt noch wählen?“ So fragen sich manche angesichts der Tatsache, dass leider alle großen Parteien die gegenwärtige Kriegspolitik unterstützen. Eine Wahlempfehlung können wir nicht geben. Es bleibt die Aufforderung: Wählen Sie eine Partei, die sich für Frieden, Verständigung, Abrüstung und gegen neue Atomwaffen in Europa einsetzt! Für die Unterschriftenliste: „EU-Atombombe? Nicht mit uns!“ ist es gelungen, immerhin ca. 40 Unterschriften zu sammeln. Es gab auch Gespräche mit Menschen, die Zustimmung äußerten, sich bei uns bedankten und „viel Erfolg“ wünschten.

Die allermeisten Menschen gingen jedoch ohne jegliche Reaktion vorbei, selbst wenn sie von uns angesprochen wurden. Vielleicht meinen sie, wenn sie sich einfach nicht für die Kriege auf der Welt interessieren, betreffe sie das alles gar nicht. Einige machten abweisende Handbewegungen oder gaben im Vorbeigehen negative Kommentare ab. Einige blieben stehen und ließen sich auf ein Gespräch mit uns ein. Dabei fielen wie üblich häufig  Sätze wie: „Mit Putin kann man nicht reden“. Oder „Wir müssen aufrüsten, sonst geht es uns wie der Ukraine“. Oder: „Wenn ihr Israel kritisiert, wird das Opfer zum Täter gemacht“.

Zur Zeit herrscht die Tendenz, die Welt in Gut und Böse, in Opfer und Täter einzuteilen, was meiner Ansicht nach der komplexen Wirklichkeit überhaupt nicht gerecht wird. Was versteht man eigentlich unter „Opfer“? Bei jungen Leuten ist es modern, das Wort „Opfer“ als Beleidigung zu gebrauchen. „Du Opfer“ hören wir sie manchmal sagen. Wahrscheinlich denken sie sich nicht viel dabei.

Im Zusammenhang von Krieg und Frieden ist die Definition anscheinend sehr klar: Es gibt einen Angreifer, und das angegriffene Land ist das Opfer. Die Ukraine wurde zum Opfer des russischen Angriffskriegs. 1200 Menschen in Israel und viele Geiseln wurden zum Opfer des Überfalls der Hamas. Beides ist sicherlich richtig. Jedoch: damit Menschen oder ein Land zum Opfer werden, gibt es in den meisten Fällen eine Vorgeschichte. Und es gibt eine Erklärung dafür, was alles dazu beigetragen hat, damit der Täter zum Täter wird. Das bedeutet nicht, dass dadurch die Schuld des Angreifers gerechtfertigt oder relativiert wird. Aber wer aus der Geschichte lernen will, sollte sich solchen Fragen stellen. Ich bin der Meinung, die wirklichen Opfer, also die unbeteiligten Menschen, haben meist nichts dazu beigetragen, ihre Regierungen allerdings schon.

Ein Opfer, so hören wir immer wieder, hat das Recht auf Selbstverteidigung. Diesem Satz können sicher viele zustimmen. Aber: Selbstverteidigung 1. in welchem Ausmaß, 2. mit welchen Mitteln und 3. mit welchem Ziel?

  1. Zum Ausmaß der Selbstverteidigung lesen wir im Alten Testament den Satz, der für das Judentum gilt: “Auge um Auge – Zahn um Zahn“. Das klingt zunächst brutal. Aber wenn man genauer hinschaut, bedeutet dieser Satz eine Eingrenzung der Gewalt. Wenn dir jemand einen Zahn ausschlägt, darfst du ihm auch einen Zahn ausschlagen, aber du darfst ihn nicht gleich umbringen. Vergeltung ist den Juden nur in diesem Maß erlaubt. Wenn aber die Zahl der durch die israelische Regierung getöteten Palästinenser nun bereits über 30 mal so hoch ist wie die ursprüngliche Opferzahl auf israelischer Seite – wie kann man da noch von legitimer Selbstverteidigung sprechen? Das ursprüngliche Opfer ist längst selbst zum Täter geworden.
  2. Mit welchen Mitteln ist Selbstverteidigung legitim? Ganz sicher nicht mit Angriffen auf zivile Ziele oder gar auf Flüchtlingslager. Ganz sicher nicht mit der Drohung des Einsatzes von Atomwaffen. Ganz sicher nicht mit einer beispiellosen milliardenschweren Aufrüstung, als deren Folge schon heute unzählige Menschen in den Ländern des Südens ihrerseits zum Opfer werden, selbst ohne den Einsatz dieser Waffen. Ganz sicher nicht mit der Erlaubnis der Nato, der EU und seit heute auch der Bundesregierung, dass die Ukraine mit vom Westen gelieferten Waffen jetzt auch russisches Staatsgebiet angreifen darf.
  3. Und schließlich: zu welchem Ziel soll die Selbstverteidigung führen? Ist denn das erklärte Ziel, weitere Opfer zu verhindern, dadurch erreicht worden? Wir wissen, dass das Gegenteil der Fall ist und dass die sogenannte Selbstverteidigung trotz immer mehr Waffen zu immer mehr Opfern geführt hat. Wie soll der Krieg zu einem Ende kommen? Wie sollen wir aus der permanent befeuerten Eskalationsspirale jemals wieder herauskommen? Wie soll die absolute Katastrophe noch verhindert werden? Wie soll ein Leben auch für kommende Generationen noch möglich sein? Es scheint, darüber machen sich die wenigsten Politiker wirklich Gedanken. Ich höre jedenfalls keine Antworten dazu.

Antworten gibt es von den Friedensorganisationen, die nicht nachlassen, vor den Folgen der Kriegspolitik zu warnen. Die diplomatische Lösungen fordern und auch konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet haben. Die nach wie vor versuchen, Menschen aus verfeindeten Ländern miteinander in Kontakt zu bringen, wie z.B. das Komitee für Grundrechte und Demokratie. 1994 wurde das Projekt „Ferien vom Krieg“ ins Leben gerufen, welches zunächst Kindern aus Bosnien, Herzegowina, Serbien und Kroatien gemeinsame Ferientage ermöglichte. Es folgten politische Jugend- Dialogbegegnungen im ehemaligen Jugoslawien sowie zwischen jungen Menschen aus Israel und Palästina. Es geht darum, Feindbilder und Vorurteile abzubauen. Zitat: „Die Teilnehmenden erheben selbst ihre Stimme und sprechen wieder mit den Anderen. Gleichzeitig ist auch der politische Dialog mit der anderen Seite ein Akt des Widersprechens und des politischen Widerstands gegen … sich endlos fortsetzende Kreisläufe von Gewalt.“

Zurück zur Europawahl. im Jahr 2012 erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis „für über sechs Jahrzehnte Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa“. Inzwischen hat sich die EU leider immer mehr vom Friedensprojekt zur Militärmacht entwickelt. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine setzt die EU zunehmend auf Konfrontation, Militarisierung und Aufrüstung. Einzelne Stimmen fordern sogar eigene Atomwaffen für die EU. Aber: Es ist einmal gelungen, dass in Europa jahrhundertelang verfeindete Staaten aufeinander zu gegangen sind, den Weg der Aussöhnung beschritten haben und schließlich zu Partnern wurden. Dies kann auch in Zukunft gelingen. Es muss gelingen.

Uwe:

Wir laden Sie jetzt wieder dazu ein, 5 Minuten zu schweigen, und dabei all derer zu gedenken, die Opfer eines der weltweit stattfindenden Kriege geworden sind, seien sie getötet, verwundet, oder ihrer Wohnstatt beraubt. Wir gedenken der Menschen, die sich auf der Flucht befinden, vor Krieg oder wegen menschenfeindlich gewordener Lebensgrundlagen.

Wir gedenken der geschundenen Mitwelt und all derer, die sich weltweit für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und für ein friedliches Miteinander aller Menschen einsetzen.

Uwe:

Martin Stöhr – Krieg und Frieden

Es gibt immer nur wenige Agenten und Täter des Todes.
Aber es sind viele Gleichgültige,
die ihnen das Geschäft des Todes nicht verwehren.
Es sind wenige,
die am Werk des Friedens und der Versöhnung arbeiten.
Auf ihnen ruht die Hoffnung,
dass die laufenden Kriege
zugunsten von Gerechtigkeit und Frieden,
zugunsten von Millionen Kindern, Männern und Frauen
vermindert oder gar beendet werden.
Der Krieg rechnet mit uns
und spekuliert auf unsere Gleichgültigkeit.
Der Frieden rechnet aber erst recht mit uns,
dass wir die Erinnerung an die Toten
in Arbeit für die Lebenden und vom Tode bedrohten umsetzen.
Dazu sind wir fähig!

Uwe:

Bevor wir unsere heutige Mahnwache beenden, nun noch einige Hinweise auf Veranstaltungen:

  • Am 3.06. d.J. 19h spricht Jürgen Wagner von der IMI Tübingen zum Thema: „Kanonen ohne Butter – Rüstung durch Sozialabbau“ mit anschließender Diskussion in der Glockenkelter in Stetten Remstal. Diese Veranstaltung findet parallel zu unserer Veranstaltung mit Clemens Ronnefeldt in der Manufaktur statt.
  • Wie soeben angedeutet spricht am 3.06.024 um 19.30 h in der Manufaktur Clemens Ronnefeldt vom Versöhnungsbund zum Thema: „Medien im Krieg“.
  • Am Dienstag, 4.Juni d.J. referiert in Ellwangen im Palais Adelmann Obere Straße Wolfgang Benz, ehemaliger Direktor des Instituts für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, zum Thema: Antisemitismusvorwürfe als Waffe in der politischen Auseinandersetzung.
  • Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, 7. Juni d.J. um 18 Uhr wieder hier vor dem Rathaus statt. Wir bedanken uns dafür, dass Sie gekommen sind und wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.

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