Mahnwache vom 01.12.2023

Posted by

Bild von 21967857 auf Pixabay

Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die gekommen sind.

Gestern begann in Dubai die Weltklimakonferenz mit 80 000 Teilnehmern. Leider gibt es nicht allzu viel Hoffnung, dass sich danach etwas Wesentliches ändern wird. UN-Generalsekretär Guterres sagte, die Welt steure auf eine totale Katastrophe zu. Das Jahr 2023 war das Wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das einzig Positive: Das Thema Klimawandel hat es geschafft, ins öffentliche Bewusstsein zu kommen. Die Medien berichten recht ausführlich über das Problem.

Ganz anders verhält es sich mit dem zweiten Thema, welches die Zukunft der Menschheit existenziell bedroht: die gegenwärtige weltweite, auch atomare Aufrüstungsspirale, und eine drohende militärische Konfrontation zwischen den Großmächten. Es wird zwar über die aktuellen Kriege berichtet, nicht jedoch über die Meinung Andersdenkender, über Initiativen zur Abrüstung.

So fand am vergangenen Samstag in Berlin eine große Friedensdemonstration mit ca. 20 000 Teilnehmern statt. Die Polizei sprach von 10 000 Teilnehmern. Das waren sicherlich weniger Menschen als erhofft, aber die Redebeiträge waren sehr fundiert, und der Verlauf der Veranstaltung war gelungen. In den Schorndorfer Nachrichten war kein einziger Satz darüber zu lesen. Hätte es Randale gegeben, wäre das sicher anders.

Am vergangenen Montag begann in New York die Zweite Konferenz der Vertragsstaaten des Atomwaffen-Verbotsvertrags, die heute zu Ende geht. Auch darüber kein Satz in der Zeitung oder in den Nachrichten des SWR. Dabei handelt es sich nicht um eine unbedeutende Versammlung einiger Atomwaffengegner, sondern um eine UN-Konferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag, welcher im Juli 2017 von 122 Staaten verabschiedet worden war und am 22. Januar 2021 in Kraft getreten, also geltendes Völkerrecht ist. Die Öffentlichkeit scheint sich nicht dafür zu interessieren, dass die Atomwaffenstaaten immer mehr dieser schrecklichen Waffen anschaffen, obwohl nach dem Urteil des Weltgerichtshofs von 1996 nicht nur der Einsatz, sondern bereits die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen rechtswidrig ist. Dieses Desinteresse frustriert mich zutiefst. Dabei geht es beim Thema Atomwaffen um nichts weniger als um das Überleben der Menschheit.

Viele Menschen, die sich früher gegen Atomwaffen engagiert haben oder zumindest irgendwie dagegen waren, sagen inzwischen: Wir brauchen die Atomwaffen zur Abschreckung und Verteidigung gegen Putin. Ebenso wie sie es befürworten, dass Deutschland immer mehr Geld ausgibt für Aufrüstung, und immer mehr Waffen an die Ukraine liefert. „Die Ukraine verteidigt den Frieden in Europa“, sagte kürzlich Außenministerin Baerbock. Nato-Generalsekretär Stoltenberg behauptete sogar, die bedingungslosen und unbegrenzten Waffenlieferungen sichern den Frieden im Rest der Welt. Die Menschen scheinen das zu glauben. Das macht mich fassungslos.

Gleichzeitig erfahren wir, dass die Menschen in der Ukraine einen zweiten Kriegswinter aushalten müssen, mit allem, was das bedeutet. Und wir erfahren, dass der Stellungskrieg im Osten der Ukraine für beide Seiten keinen Fortschritt bringt und der verlustreichste seit dem 1. Weltkrieg ist. Gestern war in der Zeitung zu lesen, dass die Zahl der getöteten oder verwundeten russischen Soldaten die Marke von 300 000 überschritten hat. Wir lesen diese Zahl: 300 000. Wir können es nicht wirklich erfassen, welch grenzenloses Elend sich dahinter verbirgt. Man sagt uns, es sind ja russische Soldaten. Also können es nicht viele genug sein. Für unsere Freiheit?

Wir sollen uns aber, so meint unser Verteidigungsminister Pistorius, nicht an die Zuschauerrolle gewöhnen, sondern selber „kriegstüchtig“ werden. Wir sollen uns also wieder an den Krieg, möglicherweise auch in unserem Land, gewöhnen. Wenigstens gegen diese Aussage erheben sich kritische Stimmen. Ich lese einige Absätze aus einem Kommentar von Heribert Prantl aus der Süddeutschen Zeitung vom 10. November. Heribert Prantl ist bekanntermaßen kein Pazifist. Dennoch schreibt er folgendes:

„…Im Grundgesetz heißt es: Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Aber dort steht das Wort Verteidigung, nicht das Wort Krieg. Der Gehalt der deutschen Verfassung und deutsche Staatsräson sind Völkerverständigung und Friedensdenken. Das soll so bleiben, das muss so bleiben, und eine Kriegstüchtigkeits- Diskussion ausgerechnet zum Beginn des 75. Grundgesetz- Jubiläums anzuzetteln, ist eine Beleidigung für die Mütter und Väter des Grundgesetzes. Sie würden sich bei diesem Wort an die irre Kriegsbegeisterung der Deutschen am Anfang des Ersten Weltkriegs erinnern und an die brutale Ernüchterung, die dann folgte…

…Mit seiner Kriegstüchtigkeits-Forderung hat Pistorius einen schweren Fehler gemacht. Dieses Wort Krieg ist nicht einfach ehrlich, es ist einfach gefährlich. Tüchtigkeit – das ist kein Wort, das man mit Krieg verbinden darf. Vielleicht ist ihm das Wort im rhetorischen Eifer entsprungen. Er sollte es korrigieren…. Ein Verteidigungsminister muss nicht den Krieg wagen, sondern den Frieden, und er muss alles dafür tun, ihn zu erhalten…. Das Wort Kriegstüchtigkeit aktiviert und optimiert alte Denk- und Verhaltensmuster, es führt zu einem positiven Bild vom Krieg. Es bricht der ständigen Aufrüstung Bahn und behauptet, das sei tüchtig. Deutschland und Europa brauchen nicht Kriegs-, sondern Friedenstüchtigkeit. Das ist die Lehre aus der europäischen Geschichte. Die Europäische Union hat den Friedensnobelpreis 2012 nicht erhalten, weil sie kriegstüchtig werden, sondern weil sie friedensmächtig sein will und sein soll, und weil ihre Politik auf Vertrauen, Austausch und Begegnung gesetzt hat…

…Boris Pistorius war viele Jahre lang Oberbürgermeister von Osnabrück, der Stadt des westfälischen Friedens. Er war stolz darauf, alle zwei Jahre einen Friedenspreis zu verleihen, der nach Erich Maria Remarque benannt ist, einem Schriftsteller, dem es um Friedenstüchtigkeit ging. Dazu gehört heute die Betonung von Diplomatie und ihr mit militärischer Unterstützung gepaarter Wille, dem Krieg in der Ukraine und damit dem Flüchtlingselend ein rasches Ende zu setzen. Zur Kriegstüchtigkeit gehört die Verteufelung von Nachdenklichkeit und Besonnenheit. Zu ihr gehört es, diejenigen, die vor einer Eskalationsspirale warnen, als Putin-Freunde zu denunzieren. Pistorius sollte nicht für Kriegstüchtigkeit, sondern für Friedenstüchtigkeit werben.“ Zitat Ende.

Soweit Heribert Prantl. Seine Worte bestärkten uns in unserem Willen, Krieg und militärische Gewalt nicht als legitime oder sogar alternativlose Antwort auf Konflikte anzusehen. Mit Waffen kann man sich verteidigen, aber sie lösen keine Konflikte. Sie bringen auch keinen Frieden, sondern noch mehr Krieg und menschliches Leid. Europa und seine Nachbarn stehen am Scheideweg: Bestimmen Aufrüstung und ständige Angst vor militärischer Gewalt künftig unser Zusammenleben? Oder gelingt es, eine gemeinsame Friedensordnung zu etablieren, mit der das Völkerrecht gestärkt wird und künftige Kriege verhindert werden können? Wir sind überzeugt: Eine Zukunft in Frieden kann letztlich nur durch Diplomatie, Verständigung, Aufarbeitung und Versöhnung erreicht werden. Sie ist dann möglich, wenn der Glaube an das Militär endlich aus den Köpfen verschwindet. Und die Bundesregierung – statt von Kriegstüchtigkeit zu reden, ihre zivilen Friedensfähigkeiten nachhaltig stärkt!

Uwe:

Wir laden Sie, wir laden euch, nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen.

Wir trauern um die ermordeten Menschen, sowohl der beiden gegenwärtig stattfindenden Kriege im Nahen Osten und der Ukraine, wie auch derer, die in anderen weltweit stattfindenden Konflikten getötet, verletzt der heimatlos werden.

Wir denken an die Menschen, die aufgrund der weltweiten klimatischen Veränderungen ihre Heimat verlassen und sich auf eine gefährliche Flucht begeben.

Und wir gedenken all derer, die gegen Kriege und für eine bessere Welt aktiv sind.

 

Bertold Brecht (1952)

An die Nachgeborenen

Lasst uns das tausendmal Gesagte
immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind.
Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen
wie armselige Versuche sind.
Und sie werden kommen, ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände zerschlagen werden.

Bevor wir unsere heutige Mahnwache beenden, möchte ich noch auf Einiges hinweisen:

  • Am Dienstag, den 5.Dezember, spielt anlässlich der Adventszeit in der Luther Kirch in Fellbach das Heeresmusikcorps. Ein Bündnis von Friedensfreund/-Innen hat dazu aufgerufen, vor der Kirche mit Plakaten und Friedensfahnen gegen diesen Auftritt von Militärs in einem Gotteshaus zu demonstrieren.
  • Am Freitag, 8. Dezember, also heute in einer Woche, findet unsere nächste Mahnwache statt. Wir laden Sie/ euch dazu ein, nach dieser Mahnwache mit uns in das „Cafe 3 Pazzi“ zu kommen. Wir würden gerne mit euch/ Ihnen darüber sprechen, wie wir im bevorstehenden Jahr mit unserer Mahnwache weitermachen. – Das „Cafe 3 Pazzi“ befindet sich in Richtung Bahnhof links vom Rathaus.
  • Bei unserer nächsten Mahnwache werden wir Sie/euch wieder um eine Spende an die Firma Schmidt für die kostenlose Überlassung unserer Mikrofonanlage bitten. Wir werden hierzu eine Sammelbüchse aufstellen.
  • Hier bei uns kann heute nochmals die „Zeitung gegen den Krieg“ mitgenommen werden.

Unsere heutige Mahnwache ist damit beendet. Danke, dass Sie, dass ihr gekommen seid. Wir wünsche euch einen friedvollen ersten Advent und einen guten Nachhauseweg.

Leave a Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.