Mahnwache vom 24.05.2024

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Bild von Jens Junge auf Pixabay

Es folgend die Beträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.

Uwe:

Guten Abend, ich begrüße Sie, ich begrüße euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen 95. Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden.

Doris hat in ihrem Redebeitrag zur Mahnwache heute vor einer Woche u.a. darüber gesprochen, dass ca. 325.000 ukrainische junge Männer und solche mittleren Alters aus der Ukraine geflüchtet sind, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Laut den Schorndorfer Nachrichten vom 8.Mai d.J. halten sich 200.000 davon in Deutschland auf. Mich hat diese Meldung und die Berichte über die Reaktion von deutschen Politikern dazu veranlasst, einen Leserbrief an die Schorndorfer Nachrichten zu schreiben. Diesen möchte ich nun vorlesen:

Der Kommentar von Tobias Heimbach hat mich inhaltlich sehr überrascht. – 200.000 ukrainische Männer ziehen es vor, sich durch Flucht nach Deutschland dem Kriegsdienst in ihrem Heimatland zu entziehen. Nach meiner Auffassung haben die Medien bei Berichten über den Krieg in der Ukraine mehrheitlich berichtet, dass die „überwältigende Mehrheit“ der ukrainischen Bevölkerung sich „heldenhaft“ (Tob. Heimbach) dem russischen Aggressor entgegenstellt und die Politik ihres Präsidenten Selenskyj rückhaltlos unterstützt. Zu dieser Darstellung passt nicht, dass junge und mittelalterliche Männer zum Soldatsein gezwungen werden, dass es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine gibt, und dass Frauen, deren Männer schon über zwei Jahre als Soldaten kämpfen müssen, auf die Straße gehen und von der Regierung fordern, ihre Männer, so sie noch leben, nach Hause zu schicken.

Ich kann mir vorstellen, dass vielleicht keine „überwältigende Mehrheit“, aber doch sehr viele Menschen in der Ukraine möchten, dass das sinnlose gegenseitige Abschlachten irgendwie beendet wird, sei es mit einem Waffenstillstand, oder „Einfrieren“ der Kriegshandlungen. Und wenn deutsche Politiker wie Roderich Kiesewetter von der CDU fordern, die geflüchteten Kriegsdienstverweigerer an die ukrainische Regierung auszuliefern, zeugt dies von einer Verantwortungslosigkeit aus sicherer Entfernung! Soldaten sind dazu verdammt, zu morden oder ermordet zu werden.

So wie der Reserveoffizier Kiesewetter und wahrscheinlich etliche weitere deutsche Politikerinnen und Politiker, wie auch solche aus anderen NATO – Staaten, bedenkenlos Menschen zum Soldatsein zwingen wollen, plädieren sie genauso gewissenlos für Waffenlieferungen an die Ukraine. Und dies nicht selten mit dem Argument, dass diese Leben schützen würden. Mit dieser Argumentation wurde ein großer Teil des Waffendeals begründet: die Lieferung von Marder Schützenpanzern, von Gepard Panzerhaubitzen, dem Kampfpanzer Leopard 2 und vieler anderer Mordwerkzeuge. Diese Lieferungen beinhalten die unausgesprochene Aufforderung der Menschen in der Ukraine zum Weiterkämpfen!

Nachweislich haben aber all diese Waffenlieferungen keineswegs Leben gerettet; – mittlerweile dauert der Ukrainekrieg länger als 2 Jahre. Die Zahl der getöteten Zivilisten liegt bei annähernd 12.000. Und laut der Regierung in Kiew sind zudem mehr als 32.000 der eigenen Soldatinnen und Soldaten getötet worden, wobei bereits im August 2023 US-Beobachter von 70.000 getöteten ukrainischen Militärs ausgingen.

Ich persönlich empfinde es als zunehmend empörend, wenn von verantwortlichen Politikerinnen und Politikern immer wieder betont wird, dass ukrainische Militärs mit ihrem Kampf auch unsere Lebensweise und Demokratie verteidigen würden und die Ukraine diesen Krieg unbedingt gewinnen müsse. Dabei wird unterstellt, dass Putins Soldateska, sollte sie in diesem Krieg siegen, Nachbarstaaten wie Litauen, Lettland, Polen o.a. angreifen wird. Auf dieser Annahme, für deren Realitätsgehalt es keine stichhaltigen Beweise gibt, baut die in Deutschland zunehmende Militarisierung der Öffentlichkeit auf. Bei unserer Mahnwache vor 3 Wochen hatte ich diesbezüglich folgende Textstelle eines Essays des früheren Kulturstaatsministers Julian Nida – Rümelin zitiert. Ich lese diese noch einmal vor:

„Aber die Stilisierung der Ukraine zu einer freiheitlichen Demokratie, die sich gegen die russische Autokratie verteidigt, führt in die Irre. In beiden Staaten werden ethnische Minderheiten unterdrückt, Dissidenten verfolgt, eine freie Presse bekämpft.  Hier steht nicht eine freiheitlich europäische Demokratie gegen eine asiatische Diktatur, vielmehr kämpft die Ukraine für nationale Souveränität und staatliche Unabhängigkeit.“  (Zitat Ende)

Wie in meinem o.a. Leserbrief angedeutet, befinden sich die Befürworterinnen und Befürworter von Waffenlieferungen in sicherer Entfernung der Kampfhandlungen in der Ukraine. Ihnen allen spreche ich ab, dass sie sich in die Empfindungen der Soldatinnen und Soldaten hinein versetzen können, die in Kampfhandlungen involviert sind, die jede Sekunde damit rechnen müssen von einer Kugel getroffen, einer Granate zerfetzt oder einem Panzer überrollt zu werden. Wird von ihnen, und auch von uns, wirklich gesehen und gefühlt, was Krieg, was dieser Krieg bedeutet? Die Fernsehnachrichten zeigen uns nichts von diesen Gräueln. Sie zeigen stattdessen regelmäßig, wie ein ukrainischer Soldat gerade eine Bodenrakete zündet, deren Ziel, Flug und Explosionsopfer unbestimmt bleiben. Wir sehen nichts davon, wie ein ukrainischer Soldat, dessen Beine gerade weggesprengt worden sind, ausblutet, noch bei Bewusstsein verzweifelt schreiend verloren ist. Gefragt ist allein das Interview mit einem Soldaten, der erläutert, wie Befestigungsanlagen errichtet werden. Wir fühlen nichts von der Angst all der ukrainischen Frontsoldaten, die jede Nacht, jeden Tag und jede Minute mit dem Bewusstsein leben müssen, dass sie gleich sterben können.

Angesichts dieser grausamen Wirklichkeit dieses Krieges und der vielen Ermordeten Menschen, Soldaten und Zivilisten, ein „Einfrieren“ der Kampfhandlungen als „Katastrophe“ zu bezeichnen, wie etliche Abgeordnete des deutschen Bundestages auf einen Gedanken des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Mützenich reagierten, offenbart viel verantwortungsloses Reden und Schreiben, gemessen an den geschehenen und weiter absehbaren Verheerungen.

Lasst uns also weiterhin für den Frieden streiten und an die Verantwortlichen appellieren, sich für einen Waffenstillstand einzusetzen; – in der Ukraine und im Nahen Osten.

Außer der Berichte über den Krieg in der Ukraine haben die über die Kämpfe im Gaza-Streifen wahrscheinlich uns alle sehr betroffen gemacht. Gestern Abend wurde in der ARD-Sendung Monitor berichtet, dass das israelische Militär in der Negev-Wüste Gefängnisse unterhält, in denen palästinensische Gefangene systematisch psychisch und physisch gefoltert werden. Abu Graib und Guantanamo lassen grüßen!

In den Radio-Nachrichten war heute Nachmittag zu hören, dass Bundeskanzler Scholz bei seinem Treffen mit dem franz. Präsidenten Macron mehr europäische nukleare Abschreckung gefordert hat.

Innerhalb der US-Regierung wird ein Strategiewechsel diskutiert; – Inhalt: an die ukrainische Armee gelieferte US- Waffen sollen keiner Begrenzung der Reichweite unterliegen, sie sollen auch russisches Territorium erreichen dürfen.

Zum Abschluss möchte ich aber noch zwei Informationen erwähnen, die mich persönlich gefreut haben: Mitte der Woche haben die Republik Irland, Norwegen und Spanien Palästina als souveränen Staat anerkannt. Hiermit, so meine ich, wurde ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung der von den Palästinensern geforderten „Zwei-Staaten Lösung“ gegangen.

Und vor wenigen Stunden wurde via Internet darüber informiert, dass ein UN-Gericht des von Südafrika geforderten Rückzugs der israelischen Armee aus Rafa entsprochen hat.

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer der Kriege in der Ukraine, in Israel und im Gazastreifen, und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern, die oft vergessen werden. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten und auf der Flucht sind. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf allen Seiten endlich zur Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Ich lese einige Zitate von Gustav Heinemann (SPD), der vor genau 125 Jahren geboren wurde und vor genau 55 Jahren als 3. deutscher Bundespräsident angetreten ist:

Es gibt schwierige Vaterländer. Eines von ihnen ist Deutschland. Aber es ist unser Vaterland.

Es muss darauf geachtet werden, dass das Grundgesetz nicht mit Methoden geschützt wird, die seinem Ziel und seinem Geist zuwider sind.

Politik muss jedermanns Sache werden. Man darf sie nicht den Fachleuten überlassen.

Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, dass sie demokratische Rechte missachtet.

Wer Anstoß geben will, muss auch Anstoß erregen können.

Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, dass in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen.

Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Auf Initiative von „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ fordern 37 zivilgesellschaftliche Organisationen und Netzwerke Kanzler Scholz und weitere Mitglieder der Bundesregierung in einem Offenen Brief eindringlich dazu auf, Rüstungsexporte nach Israel zu stoppen, die völkerrechtswidrig eingesetzt werden könnten. Die Organisationen fordern außerdem einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und eine massive Ausweitung der humanitären Hilfe in Gaza.
  • Am Montag, den 3.06.24 wird um 19.30 Uhr Clemens Ronnefeldt in der Manufaktur sprechen. Er ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes. Das Thema lautet: „Medien im Krieg“.
  • Ebenfalls am Montag, den 3.06.24 findet um 19.00 Uhr in der Glockenkelter in Stetten ein Vortrag von Jürgen Wagner (IMI) statt: „Kanonen ohne Butter – Rüstung durch Sozialabbau!“
  • Am kommenden Freitag, den 31.05. ist der nächste Klimastreiktag der Bewegung Fridays for future . In Stuttgart beginnt um 14.00 Uhr eine Kundgebung auf dem Marktplatz.
  • Unsere nächste Mahnwache ist heute in einer Woche, dem 31.05. um 18.00 Uhr, wieder auf dem Marktplatz.
  • Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander.

 

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