An dieser Mahnwache nahmen laut eigener Zählung 116 Menschen teil. Doris und Detlef trugen dabei folgende Beitrag vor:
Doris:
Mein Name ist Doris Kommerell von der Friedensinitiative Schorndorf.
Wieder sind wir heute hier zusammengekommen
- Um gemeinsam zu trauern um alle Menschen, die in diesem schrecklichen Krieg ihr Leben gelassen haben
- Um uns gegenseitig beizustehen in unserer Angst
- um ein sichtbares Zeichen zu setzen gegen diesen Krieg
- um unserer inständigen Hoffnung Ausdruck zu verleihen auf einen Waffenstillstand, auf ein Ende des Krieges, auf Frieden. In der Ukraine, in Europa, in aller Welt.
Wir hören jetzt Detlef Beune von der Friedensinitiative Schorndorf.
Detlef:
Hallo zusammen,
schön, dass Sie alle zu unserer dritten Mahnwache innerhalb kürzester Zeit erschienen sind. Mehr als traurig, dass der Krieg in der Ukraine noch immer andauert und wir diese Mahnwache durchführen müssen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich jedenfalls, ich habe wirklich Angst. Ich bin schon seit langer Zeit politisch aktiv, habe mich auch stark in der großen Friedensbewegung Anfang der 80er Jahre engagiert. Noch niemals allerdings hatte ich solche eine Angst wie jetzt, dass der aktuelle Krieg in der Ukraine tatsächlich der Anfang von einem dritten Weltkrieg werden könnte, geführt mit Atomwaffen.
In den Medien wurde schon seit langem gewarnt: Russland ziehe Truppen und Panzer rund um die Ukraine zusammen und bereite einen Krieg vor. Ganz ehrlich: Ich habe das nicht geglaubt. Putin hatte immer wieder gesagt, dass seien nur normale Manöver, er habe nicht vor, die Ukraine anzugreifen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er in der ohnehin schon angespannten Weltlage so wahnsinnig sein könnte, einen solch großen Krieg gegen die gesamte Ukraine zu beginnen. Da habe ich mit meiner Meinung wohl gründlich danebengelegen!
Schon seit langem wird das Klima zwischen den USA und der NATO gegenüber Russland und China immer rauer. Wir befinden uns in einer Art Eskalationsspirale, die immer weiter läuft. Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass dies nicht mehr nur ein kalter Krieg ist.
Wenn so ein Krieg wie aktuell begonnen wird, dann müssen doch alle politischen Bemühungen dahin gehen, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Hierzu gibt es aber nur einen vernünftigen Weg: Es muss zu Friedensverhandlungen kommen. Hierbei muss schnellstmöglich ein Waffenstillstand vereinbart werden und es müssen Verhandlungen über die Zukunft geführt werden, damit es zum dauerhaften Frieden zwischen der Ukraine und Russland kommt.
Das wird mit Sicherheit nicht einfach sein. Es gibt zwar Gespräche zwischen Delegationen Russlands und der Ukraine. Diese haben bislang aber kaum Fortschritte gebracht, auch die kleinsten humanitären Vereinbarungen, die dabei getroffen werden, werden noch nicht einmal eingehalten. Wir begrüßen alle Vermittlungsbemühungen, sei es von deutscher Seite, sei es von Frankreich, Israel, der Türkei, China und anderen. Wir wünschen uns auch Vermittlung durch die Kirchenleitungen. Wir begrüßen es, dass gestern ein erstes Gespräch auf Ministerebene stattgefunden hat, auch wenn es leider noch zu keinen Ergebnissen geführt hat. Auch wenn Ex-Kanzler Schröder jetzt versucht mit Putin zu sprechen: Jeder Versuch, diesen Krieg möglichst bald zu beenden ist gut.
Ganz falsch aber finde ich es in der jetzigen Situation, neue Flammen in das ohnehin schon lodernde Feuer zu gießen. Was meine ich damit?
- Wenn Kanzler Scholz beschließt, mal eben 100 Milliarden zusätzlich in die Rüstung zu stecken, dann wird das den Krieg in der Ukraine nicht beenden, wohl aber das Klima weiter vergiften.
- Vollkommen unverantwortlich finde ich Äußerungen des neuen Vorsitzenden der CDU Merz, der meint, für bestimmte Fälle sollte man doch einmal überlegen, ob die NATO nicht eventuell auch militärisch in diesen Krieg eingreifen sollte
Um es ganz klar zu sagen: Wer mit dem Gedanken spielt, die NATO könne militärisch in diesen Krieg eingreifen, der spricht sich damit für einen direkten Krieg zwischen der NATO und Russland aus. Das wäre der Beginn des 3. Weltkrieges. Und das in einer Situation, in der Putin schon einmal seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat.
Auch die Forderung des ukrainischen Präsidenten Selenski, die NATO solle eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten und überwachen, geht in dieselbe Richtung. Das mag verständlich sein. Um diese einzurichten, müsste aber die NATO bereit sein, russische Militärflugzeuge abzuschießen, wenn sie in den Luftraum der Ukraine eindringen. Auch das könne der Beginn des 3. Weltkrieges sein. Andererseits hat die Ukraine jetzt neue Vorschläge für einen Frieden gemacht. Das ist sehr positiv.
Bislang haben sowohl die USA als auch die deutsche Bundesregierung jegliches militärisches Eingreifen in den Krieg in der Ukraine abgelehnt. Ich hoffe sehr, dass wenigstens dieses Versprechen eingehalten wird.
Nun, ich habe mich in den Einschätzungen dieses Konfliktes schon einmal geirrt. Ich hoffe sehr, dass ich mich dieses Mal wieder irre und die Gefahr des Ausbruchs eines dritten Weltkrieges doch nicht so groß ist. Oder zumindest, dass diese bald abgewendet werden kann.
Doch, neben der Angst gibt es zumindest kleine Anzeichen der Hoffnung;
- So gab es wohl Szenen in der Ukraine, in denen sich unbewaffnete Demonstrierende den anrückenden russischen Panzern in den Weg stellten. Die russischen Panzer rückten dann wieder ab, weil die Soldaten im Innern es offensichtlich nicht über das Herz brachten, die unbewaffneten Menschen einfach umzubringen.
- Auch in Russland demonstrieren immer wieder Menschen gegen diesen Krieg; und das, obwohl ihnen dadurch die Verhaftung und Gefängnis drohen.
Zum Schluss: Auch in diesem Jahr werden wieder die traditionellen Ostermärsche stattfinden. Ich hoffe sehr, dass die Teilnahme in diesem Jahr gegenüber 2021 deutlich anwachsen wird. Wir können uns leider nicht darauf verlassen, dass die Politikerinnen und Politiker weltweit endlich zur Vernunft kommen. Dazu bedarf es schon eines immer weiter anwachsenden Drucks von unten, einer starken Friedensbewegung, sowohl in Deutschland als auch weltweit.
Doris:
Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Unsere Gedanken gehen zu den Menschen, die in der Ukraine ausharren, zu denen, die auf der Flucht sind, zu den Soldaten, die zum Kampf gezwungen werden, zu denen, die um Vermittlung bemüht sind, zu allen, die sich gegen den Krieg engagieren.
Danach werden wir ein kurzes Gedicht vortragen. Im Anschluss ist die Möglichkeit, weiter zu schweigen oder sich auszutauschen. Bitte bleiben Sie noch bis 18.30 Uhr. Die Mahnwache wird dann gemeinsam beendet.
Schweigen
Ich lese ein kurzes Gedicht von Hilde Domin:
Lied zur Ermutigung
Unsere Kissen sind nass
von den Tränen
verstörter Träume.
Aber wieder steigt
aus unseren leeren
hilflosen Händen
die Taube auf.
Bevor wir unsere Mahnwache beenden, möchte ich noch verschiedenes ansagen:
- In der Mitte auf dem Tuch haben wir Postkarten vom Netzwerk Friedenskooperative ausgelegt. Sie sind adressiert an den russischen Botschafter in Berlin. Bitte nehmen Sie Karten mit und schicken Sie sie ab.
- Es gibt einen Aufruf von IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs).Man kann ihn online auf der homepage von IPPNW unterzeichnen. Der Text liegt ebenfalls in der Mitte aus.
- Am kommenden Sonntag, 13.März rufen viele große Friedensorganisationen gemeinsam zu fünf Großdemonstrationen auf. Und zwar in Berlin, Frankfurt, Leipzig, Hamburg und Stuttgart. Die Stuttgarter Demo beginnt um 12.00 Uhr im Oberen Schlossgarten. Sie will eintreten für ein Europa des Friedens, der Solidarität und der Abrüstung. Wer aus Schorndorf teilnehmen möchte, kann sich um 11.00 Uhr am Bahnhof treffen und mit dem Metropolexpress um 11.14 gemeinsam nach Stuttgart fahren.
- Nächsten Freitag, am 18.03.22 wird hier auf dem Mittleren Marktplatz um 18.00 Uhr die nächste Mahnwache stattfinden. Unser neuer Oberbürgermeister Bernd Hornikel wird dabei sprechen. Weitere Mahnwachen sind immer freitags um dieselbe Zeit vorgesehen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg.
Zum Schluss noch einige Bilder von dieser Mahnwache: