Mahnwache vom 02.06.2023

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Bild von Gisela Merkuur auf Pixabay

Es folgend die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen

Uwe:

Guten Abend. Ich begrüße Sie im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache. – Die Pfingstfeiertage liegen seit ca. einer Woche hinter uns, und ich hoffe und wünsche, dass Sie diese einigermaßen entspannt genießen konnten. – Bei aller Freude über erholsame Tage gehe ich aber davon aus, dass uns alle, die wir heute hier in diesem Kreis versammelt sind, die vielen schlimmen Ereignissen, die auch während der Pfingstfeiertage geschehen sind, betroffen gemacht haben.

Der Krieg in der Ukraine wird mit unverminderter Härte von beiden Seiten weitergeführt. Es werden weiterhin viele Menschen ermordet, verletzt oder ihrer Heimstadt beraubt.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen in Äthiopien zwischen Truppen der Regierung und Kämpfern der abtrünnigen Provinz Tigray sind zwar offiziell beendet, aber die Bevölkerung Tigrays leidet, als Folge des Krieges, an Hunger.- Die Deutsche Welthungerhilfe warnt davor, dass eine Million Menschen, vor allem Kinder dort vom Hungertod bedroht sind. Ähnlich ist, nach Informationen verschiedener NGOs, die Situation für die Zivilbevölkerung in dem vom Krieg verwüsteten Sudan.

Dass der Autokrat und Möchtegern-Sultan Erdogan bei der Stichwahl um das Präsidentenamt wieder als Sieger hervorging, ist für alle demokratisch eingestellten Menschen in Europa und natürlich auch in der Türkei, verheerend. – Heute war in der Lokalzeitung zu lesen, dass Erdogan erwägt, wieder die Todesstrafe einzuführen, und dass er angekündigt hat, auch seinen Widersacher Kilidaroglu und andere demokratische Oppositionspolitiker wegen „Präsidentenbeleidigung und -verleumdung“ juristisch zu belangen.

In Goethes dramatischem Schauspiel „Faust“ spricht ein Akteur folgenden Reim:

„Weiß mir nichts besseres an Sonn- und Feiertagen,
als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
wenn hinten, weit in der Türkei,
die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus,
sieht auf dem Fluss die bunten Kähne gleiten,
dann kehrt man still vergnügt  nach Haus
und segnet ‚Fried` und Friedenszeiten.“

Also; nach Hause kommen, die Tür hinter sich schließen und den Frieden genießen.

– Heutzutage ist das nach meiner Ansicht schwer. Immerhin haben wir, anders als die Zeitgenossen Goethes, Zugang zu verschiedenen Medien, und können uns über Ereignisse, die weltweit geschehen, informieren.

Wahrscheinlich war die Epoche, in der Goethe 1777 seinen Faust geschrieben hat, auch alles andere als friedlich. Nur hatten die meisten Menschen hierzulande und auch sonst in Europa keine Ahnung davon, was z.B. die Konquistadoren der damaligen Kolonialmächte Spanien, Portugal, Holland, in den eroberten Gebieten anrichteten, oder mit welchen Krankheiten sie die Bewohner der beherrschten Gebiete infizierten und ein Massensterben bei den Indigenen auslösten.

Mit dem Beginn der Neuzeit standen und stehen wie auch heute jedem, der daran interessiert ist, Nachrichtenkanäle zur Verfügung, mittels derer Informationen abgerufen werden können. Diesbezüglich ist das Gedicht „An die Nachgeborenen“, welches Bertold Brecht 1939 verfasst hat, auch heutzutage eher aktueller als das die o.a. Zeilen von Goethe:

„Wahrlich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.“

Russische Raketen, Drohnen oder Bomben werden gegen zivile Ziele sowohl in Kiew als auch in anderen Landesteilen eingesetzt und richten massive Zerstörungen an. Eine weitere Stufe der Eskalation bedeuten sicher die Drohnenangriffe auf russisches Staatsgebiet und die Hauptstadt Moskau, von wem auch immer sie auf den Weg gebracht wurden. Als ich davon in den Nachrichten hörte, und auch davon, dass der Präsident der russischen Föderation diese als „Terrorakte“ bezeichnete, war mein erster spontaner Gedanke: „und was sind die Drohnen- und Raketenangriffe russischer Militärs auf zivile Ziele in der Ukraine, oder auch das, was russische Bomber in Syrien angerichtet haben, anderes?“ – Und ich muss gestehen, ich empfand zunächst eine gewisse Genugtuung darüber, dass der Krieg nun auch auf russischem Gebiet erlebbar wird. – Aber als überzeugtem Pazifisten und Befürworter der zivilen Verteidigung ist mir kurz darauf bewusst geworden, dass das „Wie du mir, so ich dir“, oder „Rache ist süß“, im Bemühen um eine Beendigung der Kampfhandlungen und der Arbeit für eine Friedensgewinnung kontraproduktiv ist.

Ebenso kontraproduktiv sind die Beschlüsse der Nato-Staaten bei dem kürzlich stattgefundenen G7 Gipfel, die Ukraine weiterhin aktiv mit schweren Waffen, darunter auch mit der Lieferung von Angriffsjets F-16 zu unterstützen. Wie unser Mitstreiter Detlef Beune bei seinem Redebeitrag bei der Mahnwache vor einer Woche diesbezüglich ausführte, wird damit immer weiter an der Aggressionsspirale geschraubt, anstelle sich darüber auszutauschen, wie dieser Krieg am ehesten beendet werden könnte.

Aber nicht nur das, was Menschen den Menschen Böses antun, soll bei unserer Mahnwache gegen den Krieg Gegenstand des Nachdenkens sein: auch das, was Menschen der Natur antun ist des Nachdenkens und Verurteilens würdig.

Am Mittwoch dieser Woche wurde von der ARD unmittelbar nach den Tagesthemen die Dokumentation: „LNG um jeden Preis – Wie schmutzig ist das US-Gas ausgestrahlt. Bekanntlich hat unser grüner Wirtschafts- und Umweltminister Habeck u.a. mit US-Konzernen 10-jährige Lieferverträge bezüglich dieses Erdgases abgeschlossen, weil dieses nach seiner Auffassung „umweltverträglich wäre“. In dieser Dokumentation wurde mit schockierenden Filmaufnahmen gezeigt, dass dem keineswegs so ist. Beim Fracking, mit dem dieses Gas dem Erdboden entrissen wird, werden ganze Landstriche nachhaltig verwüstet und unbewohnbar gemacht. Bei der Produktion entstehen große Mengen Methan, was für das Klima weitaus schädlicher ist als C02. In Siedlungsgebieten von indianischen Ureinwohnern werden durch das Fracking Flüsse oder Trinkwasserquellen leergepumpt oder vergiftet. Und dabei ist dieses Gas sündhaft teuer! – Und ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, ob 10-jährige Lieferverträge vereinbar sind mit der vielbeschworenen Energiewende, deren Herzstück die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist.

Doris:

Wir werden jetzt wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft kommen und eine weitere Eskalation verhindern.

Doris:

Ich lese ein Zitat von Friedrich Schorlemmer, enthalten in seiner Rede vom 6. November 1983 in Halle:

Besser schlecht miteinander gesprochen
als gut aufeinander geschossen.
Besser unbeholfen aufeinander zugehen
als gekonnt übereinander herfallen.
Besser langsam mit Geduld
als schnell mit Wut.
Besser nachverhandeln
als nachrüsten.
Besser gemeinsame Punkte suchen
als Unterschiede herausstellen.
Besser heute den ersten Schritt wagen
als morgen den letzten Schritt riskieren.

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • In der Mitte liegt nochmals der Appell des „Forums Ziviler Friedensdienst“ an Bundeskanzler Olaf Scholz, den man unterschreiben kann.
  • Am Samstag, den 17. Juni um 9.30 Uhr ist im Familienzentrum ein faires Frühstück mit Informationen über den Fairen Handel. Der Anlass: Schorndorf ist seit 10 Jahren Fairtrade-Stadt.
  • Heute wollen wir uns im Anschluss an die Mahnwache in der Manufaktur treffen, um uns über die  Zukunft der Mahnwache abzusprechen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
  • Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, den 09.06. um 18.00 Uhr wieder hier auf dem Mittleren Marktplatz.
  • Jetzt ist noch Zeit zum Austausch untereinander. Wir wünschen Ihnen dann einen guten Nachhauseweg.

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