Mahnwache vom 05.07.2024

Posted by

Es folgen die Beiträge der Mahnwache zum Nachlesen:

Doris: 

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer heutigen Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden. Vielen Dank allen, die gekommen sind, obwohl das Fußballspiel soeben begonnen hat.

Ja, der Fußball hat ganz Europa fest im Griff. Und demnächst wird die SchoWo ganz Schorndorf fest im Griff haben. „Brot und Spiele“ – dieser Begriff des römischen Dichters Juvenal bezeichnete schon damals die Tatsache, dass sich die Menschen durch Konsum und unterhaltsame Veranstaltungen ablenken lassen vom politischen Geschehen und sich somit besser lenken lassen. Das trifft auch auf unsere heutige Gesellschaft zu.

Ich will natürlich die SchoWo nicht schlechtreden. Ich will auch das Fußballspiel nicht grundsätzlich negativ sehen. Der faire sportliche Wettkampf kann durchaus positive, völkerverbindende Seiten haben. Doch die Europa- und Weltmeisterschaften sowie die Olympischen Spiele sind längst zum Politikum geworden. Die Sportler aus unliebsamen Staaten wie Russland werden ausgeschlossen, Fanclubs konkurrierender Länder liefern sich tätliche Auseinandersetzungen, Nationalismus macht sich breit, sportliche Großveranstaltungen bergen die Gefahr von terroristischen Anschlägen. Ein immenser finanzieller und logistischer Aufwand ist notwendig, um für Sicherheit zu sorgen.

In Zeiten von Corona wurden den Menschen viele Einschränkungen zugemutet. Es gab weniger Möglichkeiten zum Konsum, keine Vergnügungen, keine Großveranstaltungen. Zu Tausenden sind die Menschen auf die Straße gegangen, um sich dagegen zu wehren. Nun gibt es wieder „Brot und Spiele“ ohne Einschränkungen. Die Menschen sind zufrieden. Sie gehen nicht zu Tausenden auf die Straße gegen Aufrüstung, Krieg, Sozialabbau, die Klimakatastrophe und sonstige wirklich lebensbedrohlichen Realitäten. Sie wollen konsumieren und feiern, und das lassen sie sich nicht nehmen.

Wir alle haben das Bedürfnis, die Realität zu verdrängen. All die schlimmen Nachrichten über die weiter eskalierenden Kriege, über die weltweiten Wetterextreme und menschengemachten Naturkatastrophen: Wie soll man das aushalten ohne hin und wieder die Augen einfach zu verschließen? Das ist legitim. Doch danach müssen wir die Augen wieder öffnen und ganz genau hinschauen, was uns da erzählt wird. Zum Beispiel, dass wir immer mehr und modernere Atomwaffen zur Abschreckung brauchen, weil Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen droht. Wenn wir genau hinschauen, merken wir, dass der Westen  eine ungleich größere Zahl an Atomwaffen bereithält als Russland, dass auch die Nato-Doktrin  ausdrücklich den Ersteinsatz von Atomwaffen vorsieht und dass ihr Einsatz bei Manövern  erst kürzlich wieder geprobt wurde.

Es ist gut, dass es die großen Friedensorganisationen gibt, die darüber informieren und permanent Aktionen und Kampagnen gegen Atomwaffen organisieren. Am kommenden Montag, dem 8. Juli, wird z.B. wieder der „Flaggentag der Mayors for Peace“ begangen. In mehreren Hundert Städten in Deutschland wird die grün-weiße Flagge mit der Friedenstaube und der Aufschrift „Mayors for Peace“ in englisch und japanisch gehisst werden, und es finden meist auch Veranstaltungen dazu statt.

Wir haben mit der Stadt Schorndorf vereinbart, dass die Flagge dieses Jahr schon heute hier hängt und bis zum Montag, den 8. Juli bleibt. Da wegen der SchoWo die Fahnenmasten abgebaut werden müssen, wird die Flagge dann zum Künkelin-Rathaus umziehen.

Die meisten von Ihnen hier wissen über die Bedeutung der Flagge Bescheid. Viele andere Menschen können wahrscheinlich nichts damit anfangen. Vielen weiteren wird sie vermutlich gar nicht auffallen. Ich will nochmals kurz erklären, was es damit auf sich hat.

Wer sind die „Mayors for Peace“, die „Bürgermeister für den Frieden?“ 1982 hat der damalige Bürgermeister von Hiroshima dieses Bündnis gegründet.  Inzwischen gibt es über 8390 Mitgliedsstädte in 166 Ländern. Alleine in Deutschland gibt es inzwischen 898 Mitgliedsstädte, das sind 40 mehr als vor einem Jahr. Auch Schorndorf, Stuttgart, Esslingen, Schwäbisch Gmünd, Aalen, usw. gehören dazu.

Was haben Bürgermeister mit friedenspolitischen Themen zu tun? Ist das nicht außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs? Nein, denn Bürgermeister sind verantwortlich für Sicherheit und Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die größte Bedrohung für die Sicherheit sind nach wie vor Atomwaffen. Daher haben die „Mayors for Peace“ zugesagt, sich für die Abschaffung der Atomwaffen und für ein friedliches Miteinander der Völker einzusetzen. Sie fordern z.B. auch den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag.

Was hat es mit dem Datum 8. Juli auf sich? Am 8. Juli 1996, vor genau 28 Jahren, hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag ein Rechtsgutachten herausgegeben. Darin heißt es, dass sowohl der Einsatz als auch die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen rechtswidrig sind. Zudem stellte der Gerichtshof fest, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, „in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung … führen.“ Um an dieses Gutachten zu erinnern und seine Umsetzung zu fordern, wird jährlich am 8. Juli der Flaggentag begangen. Die Bürgermeister wollen damit „Flagge zeigen“ für eine atomwaffenfreie Welt.

Es ist unfassbar, dass nach wie vor sämtliche Atommächte gegen dieses Gutachten des welthöchsten Gerichts verstoßen, ihre Atomwaffen modernisieren und ihre Zahl erhöhen. Unter dem Eindruck des Ukrainekriegs betonen auch in Deutschland alle Parteien die Notwendigkeit der nuklearen Abschreckung. Auch die, die vor der Wahl versprochen hatten, sich für die Abschaffung der Atomwaffen einzusetzen. Ein neues nukleares Wettrüsten ist voll im Gang.

Es ist gut, dass seit Januar 2021 der Atomwaffenverbotsvertrag rechtsgültig ist. Daran erinnert die lila Flagge mit der Aufschrift „Nuclear weapons are banned“. Obwohl alle Nuklearmächte dem Vertrag nicht beigetreten sind, setzt er ein klares Signal an die Atommächte. Er zeigt, dass die allermeisten Staaten der Welt, nämlich 122 Staaten, nicht mehr bereit sind, die Bedrohung durch Atomwaffen hinzunehmen.

Wir wollen, dass endlich auch Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt. Im sogenannten ICAN-Städteappell fordern inzwischen 142 deutsche Städte die Bundesregierung dazu auf. Sobald in Schorndorf der neue Gemeinderat die Arbeit aufgenommen hat, wollen wir an die Gemeinderäte herantreten und sie bitten, sich dafür einzusetzen, dass die Stadt den ICAN-Städteappell unterzeichnet.

In der Kubakrise hatten US-Präsident Kennedy und der sowjetische Generalsekretär Chruschtschow miteinander gesprochen und vereinbart, dass die UdSSR ihre Raketen in Kuba abbaut und im Gegenzug die USA ihre zuvor in der Türkei stationierten Raketen ebenfalls entfernt. Es ist dringend an der Zeit, dass auch Biden und Putin endlich miteinander reden, um das Schlimmste zu verhindern. Es ist irrsinnig zu glauben, einen atomar geführten Krieg gewinnen zu können. Sicherheit gibt es nur als gemeinsame Sicherheit. Wir können uns nur sicher fühlen, wenn auch unser Gegenüber sich sicher fühlt. Sicherheit gibt es  nur durch eine konsequente Friedenspolitik, wie sie ja auch unser Grundgesetz vorsieht, und nur durch Abrüstung. Das gilt umso mehr in der gegenwärtigen Situation der weltweiten Kriegsgefahr.

Es ist gut, dass wir uns nun schon über 100 mal freitags hier zur Mahnwache versammeln. Mir persönlich ist es eine große Hilfe, dass ich weiß, ich bin nicht alleine mit all den Sorgen und Ängsten. In der Gemeinschaft fällt es leichter, genau hinzuschauen und doch nicht zu resignieren. Aber unsere Mahnwache ist nicht nur „Psychohygiene“. Sie ist ein deutlich sichtbares Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden, mitten in Schorndorf.

Uwe:
Korrektur
Bei unserer letzten Mahnwache vor einer Woche hatte ich von 360 weltweit bewaffneten Konflikten gesprochen. Nach einem Hinweis von Eva Hartmann zu dieser Zahl habe ich noch einmal recherchiert und dabei herausgefunden, dass verschiedene Plattformen wie z.B. Bundeszentrale für politische Bildung oder „Frieden Fragen“ mit unterschiedlichen Berechnungen arbeiten. Dabei differieren die Zahlen von 23 bewaffneten Konflikten, über 55, bis zu 164. Allerdings habe ich tatsächlich  keinen Hinweis mehr auf 360 bewaffnete Konflikte gefunden. Wie dem auch sei: ob 23 oder 164, selbst einer ist unnötig und zu viel!

Uwe:

Ich lade Sie nun wieder dazu ein, 5 Minuten mit uns zu schweigen.
Wir gedenken dabei all der Menschen, die durch bewaffnete Konflikte ihr Leben verloren haben oder verletzt wurden, auch der Soldatinnen und Soldaten. Und all jener, die vor Gewalt oder klimabedingt  fliehen müssen und sich auf der Flucht befinden. Wir gedenken der von den Menschen ausgebeuteten Natur und der durch uns Menschen verursachten Katastrophen.
Und wir gedenken derer, die sich weltweit aktiv für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage und gegen Krieg und Gewalt einsetzen.

Uwe:

Ich lese nun einen Text von Martin Luther-King aus dem Jahr 1981 vor.

„Wir müssen aus der Unentschlossenheit heraus zum Handeln kommen. Wir müssen neue Mittel und Wege finden, um für den Frieden und für Gerechtigkeit überall in der sich entwickelnden Welt einzutreten, in einer Welt, die vor unserer Haustür beginnt.
Wenn wir jetzt nicht handeln, so wird man uns in jene dunklen und schrecklichen Verliese der Zeit werfen, die für jene bestimmt sind, die Größe ohne Mitleid, Macht ohne moralische Verantwortung und Stärke ohne Weitsicht handhaben.
Lasst uns jetzt anfangen.“

Uwe:

Bevor wir unsere heutige Mahnwache beenden, noch einige Hinweise auf Veranstaltungen und Aktionen:

  • Am kommenden Montag, 08.07, spricht anlässlich des Flaggentags der Mayors for Peace um 19 Uhr im Prediger in Schwäbisch Gmünd die Friedensforscherin Frau Birckenbach zum Thema Friedenslogik. (Hinweis auf erforderliche Voranmeldungen!)
  • Ebenfalls am 8. Juli findet um 12 Uhr in Stuttgart vor dem Rathaus die Flaggenhissung der Mayors for Peace statt. Anschließend wird im Rathaus die Ausstellung „Friedensklima“ der IPPNW eröffnet.
  • Wie in jedem Jahr vor den Sommerferien möchten wir wieder Spenden für Herrn Schmid, der uns die Phono-Anlage kostenlos für unsere Mahnwachen zu Verfügung stellt, sammeln. Auf unserem Motivbanner hat Doris hierzu einen Glasbehälter platziert.
  • Unsere nächste Mahnwache findet heute in einer Woche, am Freitag, 12.Juli um 18.00 Uhr vor dem Mondscheinbrunnen statt. Hier vor dem Rathaus wird im Laufe der nächsten Woche die Hauptbühne für die SchoWo aufgebaut, so dass für uns hier kein Platz ist.
  • Damit ist unsere heutige Mahnwache gegen den Krieg und für den Frieden beendet. Vielen Dank dafür, dass Sie/ihr gekommen sind/seid. Wir wünschen Ihnen/euch ein schönes Wochenende.

 

Leave a Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.