Mahnwache vom 11.11.2022

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An dieser Mahnwache nahmen ca. 30 Menschen teil, die Texte der Beiträge können im folgenden nachgelesen werden.

Detlef:

Begrüßung

Von uns als Friedensbewegung wird immer wieder gefordert, dass endlich Verhandlungen aufgenommen werden müssen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Dagegen hört man in letzter Zeit immer wieder, dass ein Frieden mit Russland nur nach einem Sieg der Ukraine über Russland möglich sein könne. Ansonsten würde sich Putin bestätigt fühlen und versuchen, seine Macht in imperialistischer Manie immer weiter auszudehnen.

Diese Argumentation führt letztlich nicht nur dazu, dass die Anzahl der Toten in der Ukraine immer weiter ansteigt. Es steigt auch die Gefahr einer immer weiteren Eskalation des Krieges bis hin zu einem atomar geführten Dritten Weltkrieg.

Selbst die ehemalige Kanzlerin Merkel hat vor kurzem davor gewarnt, dass Putin nicht bluffe. Das soll wohl heißen: Würde die Ukraine diesen Krieg gegen Russland tatsächlich gewinnen, droht ein atomarer Holocaust, zumindest in Europa.

Die These, dass eine Großmacht von ihrem imperialistischen Weg durch Niederlagen in ihren Kriegen abgebracht werden kann, ist doch schon mehrfach widerlegt worden. Die meisten Kriege seit dem zweiten Weltkrieg wurden von der imperialistischen Großmacht USA geführt, insgesamt starben dabei weit über 20 Millionen Menschen. Dabei haben die USA wie in Vietnam oder Afghanistan auch große Niederlagen eingefahren, was sie aber in ihrem grundsätzlich imperialistischen Weg nicht beeinflusst hat. Im Gegenteil: Die USA zündeln aktuell wieder kräftig in Richtung China.

Letztlich ist die Frage, worum es bei dem Ukraine-Krieg eigentlich geht, gar nicht so kompliziert: Die USA streben seit vielen Jahren an, dass die Ukraine Mitglied der NATO wird. Russland befürchtet aber, dass dadurch die Ukraine an der russischen Grenze stark mit Waffen aufgerüstet würde, was als Bedrohung empfunden wird. Für Putin ist das eine rote Linie, die nicht überschritten werden dürfe. So jedenfalls hat er das noch vor dem Krieg den USA mitgeteilt. Die USA aber halten an diesem Ziel fest.

Im März diesen Jahres schien es einmal so, als könnten von der Türkei initiierte Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum Erfolg führen. Die Ukraine schien bereit, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten und einen neutralen Status einzunehmen, forderte allerdings zusätzliche Sicherheitsgarantien. Dann besuchte der Ex-Premier von Großbritannien, Boris Johnson die Ukraine. Anschließend war von Friedensverhandlungen keine Rede mehr. Als alleiniges Ziel wurde ausgegeben: Die Ukraine muss den Krieg gegen Russland gewinnen. Die Anzahl der Menschen, die auf diesem Weg sterben würden, die Gefahr einer weiteren Eskalation des Krieges spielten keinerlei Rolle mehr. So ist das leider bis heute geblieben. Mittlerweile sind durch diesen Krieg nach Schätzungen auf beiden Seiten je 100.000 Menschen gestorben.

Wir haben auf unseren Mahnwachen den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine immer wieder als völkerrechtswidrig verurteilt. Und auch sonst gibt es sicherlich Vieles, was man an der Politik Russlands kritisieren und verurteilen kann (etwa in Menschenrechts- oder Demokratiefragen). Das geschieht in unseren Mainstream-Medien, insbesondere auch in den öffentlich-rechtlichen Medien auch immer wieder und in großer Ausführlichkeit.

Was allerdings fast vollständig fehlt, ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der ukrainischen Regierung. Nur zur Erinnerung: Seit 2015 existierte ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen (Minsk II), das die Ukraine zwar unterzeichnet aber niemals eingehalten hat. Die Welt wird auf primitive Art und Weise in die Guten (also die USA, die NATO und die Ukraine) und die Bösen (also Russland und insbesondere Putin, immer mehr auch China) aufgeteilt. Der ukrainische Präsident Selenskyi darf fast täglich in den Nachrichten seine Einschätzung der Lage zum Besten geben.

Bei einer neutralen Berichterstattung in unseren Medien, müsste man sich da nicht auch mit folgenden Fragen befassen?

  • Wieso wird in der Ukraine geradezu ein Kult um den früheren Nazi Bandera betrieben, während gleichzeitig immer mehr Denkmäler von russischen Künstlern abgerissen werden – Künstler, deren Schaffensperiode weit vor der jetzigen Zeit lag.
  • Wieso hat man Ukrainisch zur einzigen Amtssprache im gesamten Land erklärt, obwohl ein großer Teil der Menschen in der Ukraine seit ihrer Kindheit russisch spricht?

Alles zusammen genommen zeigt das auch, dass ein Frieden auf dem Verhandlungswege sicherlich nicht einfach zu erreichen ist. Aber: Es gibt keine andere Lösung, es sei denn, man möchte einen Dritten Weltkrieg riskieren. Also:

  • Ein Waffenstillstand muss möglichst sofort beschlossen und streng kontrolliert werden.
  • Es muss danach über Vereinbarungen verhandelt werden, die kriegerische Auseinandersetzungen zunächst auf dem europäischen Kontinent für die Zukunft unmöglich machen.

Zum Schluss noch ein Hinweis: Deutschland alleine könnte sehr viel dazu tun, damit Friedensverhandlungen in Gang kommen können. Die Regierung müsste nur glaubhaft versichern, dass Deutschland einer Aufnahme der Ukraine in die NATO nicht zustimmen wird. Die Friedensverhandlungen, die im März diesen Jahres so plötzlich abgebrochen wurden, könnten dann wohl schnell wieder aufgenommen werden.

Das wäre allerdings für die aktuelle Ampel-Regierung ein großer Schritt: Sie müsste letztlich sagen, dass ihr das Schicksal der Menschen in der Ukraine mehr wert ist als die aktuelle Regierung in Kiew. Und sie müsste sich davon verabschieden, brav die Politik zu machen, die die USA von Deutschland verlangen. Das erscheint momentan unwahrscheinlich, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Doris:

Wir werden jetzt  wieder 5 Minuten schweigen. Wir denken an die Opfer des Krieges in der Ukraine und an die Opfer der Kriege in anderen Ländern. An die Menschen, die im Krieg  verletzt wurden an Leib und Seele. An alle, die ihr Leben verloren haben, seien es Soldaten oder Zivilisten. An alle, die ihre Heimat verlassen mussten. An die geschundene Natur, an die zerstörte Kultur. An alle, die sich gegen den Krieg einsetzen. Mögen die Politiker auf beiden Seiten endlich zur politischen Vernunft zurückkehren und eine weitere Eskalation verhindern.

Uwe:

Günter Eich:

Wacht auf

Wacht auf,- denn eure Träume sind schlecht!
Bleibt wach,- weil das Entsetzlich näher kommt.
Auch zu dir kommt es, der weit entfernt wohnt
von den Stätten, wo Blut vergossen wird,
auch zu dir und deinem Nachmittagsschlaf,
worin du ungern gestört wirst.
Wenn es heute nicht kommt, kommt es morgen
aber sei gewiss.
(….)

Nein, schlaft nicht,
während die Ordner der Welt geschäftig sind!
Seid misstrauisch gegen ihre Macht,
die sie vorgeben für euch erwerben zu müssen.
Wacht darüber,
dass eure Herzen nicht leer sind,
wenn mit der Leere eurer Herzen gerechnet wird.
Tut das Unnütze,
singt die Lieder, die man aus eurem Mund nicht erwartet!
Seid unbequem,
seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt.

1953

Doris:

Ich möchte noch folgendes ansagen, bevor wir unsere Mahnwache beenden:

  • Am Dienstag, den 15.11.22 findet im Treffpunkt Rotebühlplatz in Stuttgart  um 19.00 Uhr eine Veranstaltung mit dem Titel „Sicherheit neu denken: peace for future“ statt. Es geht um generationenübergreifende Impulse für eine kooperative Sicherheitsarchitektur in Europa angesichts des Ukraine-Kriegs. Die Veranstaltung findet statt im Rahmen der Reihe „30 Tage im November. Vom Wert der Menschenrechte“, die ich bei der letzten Mahnwache erwähnt hatte.
  • Für Samstag, den 19. November 2022, ruft ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen unter dem Motto „Stoppt das Töten in der Ukraine – Aufrüstung ist nicht die Lösung“ zu bundesweiten Protesten auf. Die für Stuttgart vorgesehene Veranstaltung ist leider nicht zustande gekommen. Die am nächsten gelegene Veranstaltung ist in Tübingen, und zwar um 11.00 Uhr auf dem Marktplatz.
  • Am Montag, 21. November um 19.30 Uhr spricht Andreas Zumach in der Manufaktur Schorndorf. Das Thema lautet: „Trotz Ukrainekrieg – für eine ökologische, militärarme, sozial und global gerechte Zeitenwende“. Die Friedensinitiative Schorndorf und die Friedenswerkstatt Mutlangen laden als Mitveranstalter ein.
  • Unsere nächste Mahnwache ist am kommenden Freitag, 18.11.22 um 18.00 Uhr auf dem Mittleren Marktplatz.
  • Jetzt ist noch Zeit für Gespräche untereinander.

 

 

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