Mahnwache vom 24.02.2023

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 42. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die heute gekommen sind.

Heute vor genau einem Jahr haben wir uns hier zum ersten Mal zu einer Mahnwache versammelt, da am Tag zuvor russische Truppen in die Ukraine einmarschiert waren. Über 100 Menschen sind damals zusammengekommen, um ihrer Bestürzung über dieses Geschehen Ausdruck zu verleihen. Heute müssen wir einen Jahrestag begehen, der trauriger nicht sein könnte.

Unsere Mahnwache ist ein Ort, um ein sichtbares und hörbares Zeichen zu setzen gegen den Krieg. Und sie ist auch ein Ort, an dem Trauer ihren Platz hat.

Wir trauern um alle Menschen, die in diesem Krieg getötet worden sind, seien es Soldaten oder Zivilisten, seien es ukrainische oder russische Menschen. Wir kennen ihre genaue Zahl nicht. Aber wir können auch beim Vorliegen einer Zahl nicht wirklich fassen, welches unermessliche Leid sich dahinter verbirgt. Dasselbe gilt natürlich für die Toten all der anderen Kriege, die im selben Zeitraum auch stattgefunden haben.

Wir trauern um die Soldaten, die zum Kampf gezwungen wurden und ihr Leben verloren haben. Und um die, die freiwillig in den Krieg gezogen sind, um ihre Heimat zu verteidigen. Nein, sie sind keinen Heldentod gestorben. Sie sind einen schrecklichen und sinnlosen Tod gestorben, weil ihre Präsidenten nicht in der Lage sind, miteinander zu reden.

Wir trauern um alle Menschen, die in diesem Krieg verletzt worden sind und ihr Leben lang an den Folgen zu leiden haben werden. Um alle, die traumatisiert worden sind und keine Hilfe bekommen, um jemals mit ihren Erlebnissen umgehen zu können. Um alle, die ihre Heimat verloren haben, deren Häuser zerstört sind, deren Städte in Trümmern liegen, die ihrer Zukunft beraubt worden sind.

Wir trauern aber auch um unsere Ideale, unsere Werte, unsere Hoffnungen. Auch sie sind zu Opfern dieses Krieges geworden. Seit der soganannten Zeitenwende scheint alles nicht mehr zu gelten, was vorher Konsens war. Aussöhnung, Abrüstung, Verbot von Rüstungsexporten, Abschaffung der Atomwaffen: diese Ziele wurden in kürzester Zeit über Bord geworfen. Nur vermeintlich Unbelehrbare und Naive reden noch davon. Es scheint allein die Logik der Gewalt und des Krieges zu gelten. War denn wirklich alles umsonst, wofür wir uns Jahrzehnte lang engagiert haben? Sind all die kleinen Schritte, die wir erreicht hatten, jetzt ausgelöscht? Ich weigere mich, das zu glauben. Aber ich will heute auch der Trauer Raum geben.

In der Öffentlichkeit wird der heutige Jahrestag schon seit einiger Zeit vorbereitet. Fast alle Fernsehsender bringen Dokumentationen, Aufzeichnungen von Reden verschiedenster Politiker und Talkshows, bei denen alle möglichen Leute ihre Meinung kundgeben dürfen. Selten finden dort solche Menschen oder Gruppen Gehör, die eine andere Meinung vertreten als die von Politik und Medien vorgegebene.

Staatschefs beider Seiten rechtfertigen in langen Reden ihr eigenes Handeln, geben dem jeweiligen Gegner die alleinige Schuld an allem, drohen mit immer schlimmeren Konsequenzen. Kurz: sie tun alles, um eine weitere Eskalation immer schneller voranzu-treiben. Wohin wird das alles führen? Ich habe von keinem Politiker eine Antwort darauf gehört. Das macht mich wütend. Wer sagt ihnen endlich, dass sie verantwortlich sind für die Zukunft so vieler Menschenleben, für die Zukunft künftiger Generationen, für die Zukunft der Schöpfung? Wenn sie heute der Opfer dieses Krieges gedenken und gleichzeitig entscheiden, den Krieg immer weiter zu führen bis zum vermeintlichen Sieg, dann ist ihr Gedenken unglaubwürdig und heuchlerisch. Dann ist es, als ob die Opfer noch einmal ge-tötet werden. Und die künftigen Opfer erst recht, die beide Seiten billigend in Kauf nehmen.

Wir wollen an dieser Stelle 5 Minuten schweigen.

Trauer um die Toten muss Engagement für die Lebenden zur Folge haben. Das sind wir den Toten schuldig. Daher bin ich froh, dass es auch andere Stimmen gibt. Auch wenn sie leider nicht in den Medien auftauchen. Stimmen, die zum Dialog und zur Deeskalation mahnen, Stimmen von Einzelpersonen aus Politik, Kirchen, Wissenschaft, Kultur, und immer wieder auch von hochrangigen Militärs. Gruppen, die Aufrufe initiieren, Unterschriftenlisten und Postkartenaktionen. Friedensorganisationen, die Protestaktionen organisieren, Demonstrationen, Mahnwachen, Friedensgebete, Online-Foren. Für dieses Wochenende sind bei der Friedesskooperative bundesweit über 150 Veranstaltungen angemeldet.

Ich möchte jetzt stellvertretend den Aufruf der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs) lesen: „Die IPPNW ruft für das Wochenende vom 24. bis zum 26. Februar 2023 zu gewaltfreien und vielfältigen Protesten auf:

Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für die Ukraine – jetzt!

Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg, der täglich ungeheures Leid, Tod und Zerstörung in der Ukraine verursacht. Mit jedem Tag, den der Krieg länger dauert, kommen mehr Menschen ums Leben, fliehen oder werden körperlich verletzt oder psychisch traumatisiert. Mit jedem Tag entfesselt sich die Kriegslogik weiter.
Jeder Kriegstag verschärft zudem das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen, auch als Folge von Missverständnissen oder Unfällen. Die Praxis der nuklearen Abschreckung kann in einer angespannten Lage wie dem Ukrainekrieg in eine Eskalationsspirale münden bis hin zum Atomkrieg. Mit der Fortführung des Krieges wird zudem eine atomare Katastrophe durch Artilleriebeschuss der Atomkraftwerke von Saporischschja in Kauf genommen.

Wir Ärztinnen und Ärzte stehen für das Leben und wollen Leid verhindern. Wir stehen den Opfern dieses Krieges mit allen zivilen Mitteln bei und unterstützen diejenigen, die die Logik des Krieges ablehnen und sich für Gewaltlosigkeit entscheiden – wie beispielsweise Deserteure und Kriegsdienstverweigerer.

Der völkerrechtswidrige Einmarsch Russlands in die Ukraine hat sich zu einem globalen Konflikt zwischen den Militärblöcken mit dramatischen Folgen für das Leben und die Zukunft des ukrainischen und des russischen Volkes sowie für ganz Europa entwickelt. Darüber hinaus sind Nahrungsmittelknappheit, Hunger und Armut Folgen für die mittelbar Betroffenen, vor allem im Globalen Süden.

Die Verantwortung für den Krieg trägt die russische Regierung. Die NATO-Staaten haben  durch die Osterweiterung, die Aufkündigung von Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträgen sowie eigene Verstöße gegen das Völkerrecht eine Mitverantwortung für die seit den 90er-Jahren zunehmenden Spannungen zwischen Russland und der NATO. Die massive Aufrüstung auf allen Seiten muss ein Ende finden.

Waffenlieferungen können den Krieg nicht beenden. Wir brauchen jetzt einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen für ein Ende des Krieges. Er hat auf beiden Seiten bereits inakzeptabel viele Opfer gekostet. Daher müssen alle Mittel und Wege der Diplomatie eingesetzt werden, um die Kriegsparteien für einen gerechten Frieden an den Verhandlungstisch zu bringen.

Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg.

  • Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Sinne von friedenslogischem Denken unter Einbeziehung aller relevanten Akteur*innen. Dazu sind weitere diplomatische Initiativen durch die deutsche Bundesregierung, die EU, die Vereinten Nationen, die OSZE und andere notwendig.
  • Wir fordern von der russischen Regierung, die Bombardierung ziviler Ziele und ziviler Infrastruktur in der Ukraine sofort einzustellen. Sie stellen einen Verstoß gegen die Genfer Konvention dar.
  • Wir fordern die Atommächte Russland und die USA sowie die NATO auf, in einer verbindlichen Erklärung auf einen Einsatz von Atomwaffen im Ukrainekrieg zu verzichten.
  • Wir fordern von der Bundesregierung – unabhängig von der völkerrechtlichen Verantwortung für den Krieg – Brücken zu bauen, damit ein Waffenstillstand ermöglicht wird, der die Grundlage für eine diplomatische Lösung bildet.
  • Die Bundesregierung muss alles zu tun, um einen Atomkrieg zu verhindern. Dazu gehört das Ende der nuklearen Teilhabe sowie ein deutscher Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag.“

 

So weit der Aufruf von IPPNW. Möge er gehört werden und Wirkung zeigen.

Uwe:

Kanonenfutter

die da Krieg machen
und sich die Bäuche füllen
mit Menschen
werden nicht satt

auch die
welche nur die Kanonen liefern
und sagen
was können wir dafür
wenn diese Krieg spielen

aber die andern
die da im Dreck liegen
die nur ihre nackte Haut haben
um sich darin zu verstecken
das sind die
welche angerichtet werden

© Anke Maggauer-Kirsche (*1948), deutsche Lyrikerin, Aphoristikerin und ehemalige Betagtenbetreuerin in der Schweiz

Uwe:

Bevor wir die heutige Mahnwache beenden, hier noch einige Hinweise:

  • Am morgigen Samstag veranstaltet die Friedenswerkstatt / Pressehütte Mutlangen, gemeinsam mit dem Arbeitskreis Asyl und dem friedenspolitischen Arbeitskreis der SPD in Schwäb. Gmünd, vor dem Marienbrunnen auf dem Marktplatz in Schwäb. Gmünd, um „fünf Minuten vor Zwölf“ eine Mahnwache mit Redebeiträgen der Friedenswerkstatt, des AK Asyl, sowie des friedenspolit. AK der SPD.

(„Fünf Minuten vor Zwölf“ ist eine symbolische Formel von Atomwissenschaftlern, die damit auf die Gefahrenlage der Welt aufmerksam machen wollen . – Nach deren Bekunden befindet sich die Welt augenblicklich „90 Sek. Vor Zwölf“)

  • Ebenfalls morgen findet eine Großdemonstration gegen den Krieg in Berlin statt. Das Motto dieser Veranstaltung, zu der Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer aufrufen, lautet: Manifest für den Frieden
  • Unsere nächste Mahnwache gegen den Krieg findet heute in einer Woche, am 3.März um 18.00 Uhr auf dem mittleren Marktplatz vor dem Rathaus statt;- wir wünschen Ihnen einen guten Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

 

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