Die Debatte um das „Manifest für Frieden“ geht weiter

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Mittlerweile haben ca. 600.000 Menschen dieses Manifest von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht unterschrieben (Manifest für Frieden). Die Kommentare in den Mainstream-Medien hierzu sind nach wie vor hauptsächlich negativ.

Zur Entstehung dieses Aufrufs und zu verschiedenen Fragen hierzu hat Sahra Wagenknecht in einem Interview mit den NachDenkSeiten Stellung genommen.

Ein Thema dürfte in nächster Zeit immer mehr in diesen Medien bearbeitet werden: Von den im Bundestag vertretenen Parteien unterstützt ausgerechnet die AfD diesen Aufruf, jedenfalls hat AfD-Chef Tino Chrupalla die Petition unterzeichnet. Es ist also davon auszugehen, dass auch viele AfD-WählerInnen zu der geplanten Kundgebung am 25.02.2023 in Berlin vor dem Brandenburger Tor kommen werden. In dem Interview mit den NachDenkSeiten äußerte sich Sahra Wagenknecht zu diesem Thema wie folgt:

Natürlich ist auf unserer Kundgebung jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und gegen Waffenlieferungen demonstrieren möchte. Was wir nicht dulden werden, sind rechtsextreme Flaggen, Embleme und Symbole. Dass so etwas auf einer Friedenskundgebung nichts zu suchen hat, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Immerhin steht der Rechtsextremismus in der Traditionslinie eines Regimes, das den schlimmsten Weltkrieg seit Menschheitsgedenken vom Zaun gebrochen hat. Zu der schwachsinnigen Debatte, wir seien „rechtsoffen“, fällt mir ansonsten nur der Hinweis ein, dass nicht der Ruf nach Frieden, sondern die bei vielen unserer Kritiker zu beobachtende Unterstützung von Militarismus und Krieg seit ewigen Zeiten Kennzeichen rechter Politik ist. In diesem Sinne haben wir leider eine „rechtsoffene“ Regierung und die Grünen sind die Schlimmsten darin.

Noch ein paar persönliche Meinungen von mir zur AfD. Nein, die AfD ist für mich keine Partei, die ich unterstützen könnte. Alleine die Tatsache, dass in dieser Zeit immer noch ein starker eindeutig rechtsextremer Flügel geduldet wird, reicht mir dafür schon. Die AfD ist auch keine Friedenspartei im Sinne der Friedensbewegung. Bei der Debatte Anfang des letzten Jahres im Bundestag zeigte die AfD deutlich, dass auch sie eine weitere Aufrüstung der Bundeswehr begrüßt (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw12-de-verteidigung-884242), Zitat:

AfD: Es fehlt an vorausschauender Planung

Der AfD-Haushaltspolitiker Dr. Michael Espendiller bewertete das Sondervermögen kritisch. Es fehle bislang an einem überzeugenden Konzept. Das Sondervermögen sei lediglich dazu gedacht, die Schuldenbremse auch in den kommenden Jahren zu umgehen. Er verwies darauf, dass seine Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder auf eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes gemäß des Zwei-Prozent-Zieles der Nato und auf eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr gedrängt habe.

Der Bundeswehr fehle es seit drei Jahrzehnten an einer vorausschauenden Planung. Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel würden zudem nicht effizient eingesetzt. Dies drohe jetzt wieder. Espendiller forderte die Nato zudem auf, wieder zu einem reinen Verteidigungsbündnis zu werden. Die AfD-Fraktion lehnt genau wie die Linksfraktion Auslandseinsätze der Bundeswehr ab.

Dennoch sollte man nicht pauschal alle AfD-WählerInnen verurteilen, die zu dieser Kundgebung in Berlin kommen. Denn, ganz im Ernst: Wen von den im Bundestag vertretenen Parteien sollen denn Menschen wählen, die etwa die Forderungen von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht unterstützen? Die Parteien der Ampel und auch die CDU/CSU unterstützen letztlich den militaristischen Kurs der Bundesregierung. Die zerstrittene Partei der LINKEN ist in dieser Frage ziemlich gespalten. Deshalb finde ich die Aussage von Wagenknecht auch genau richtig: „Natürlich ist auf unserer Kundgebung jeder willkommen, der ehrlichen Herzens für Frieden und gegen Waffenlieferungen demonstrieren möchte.“ Ich persönlich finde es eine Riesenkatastrophe, dass die LINKE sich nicht entschließen konnte, dieses „Manifest für Frieden“ insgesamt als Partei zu unterstützen.

Immerhin, für mich als ehemaliges Mitglied der LINKEN gibt es dann doch ein Zeichen der Hoffnung. Gregor Gysi von den LINKEN, bekannterweise nicht unbedingt ein Fan von Sahra Wagenknecht, hat in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass er das Manifest für Frieden von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht unterzeichnet hat.

 

Manifest für Frieden – Eine Bürgerpflicht?

Unter diesem Titel hat Petra Erler, eine der Mitunterzeichnerinnen des Appels, einen mehr als lesenswerten Artikel veröffentlicht: https://petraerler.substack.com/p/manifest-fur-frieden-eine-burgerpflicht

Als Anreiz dafür, diesen etwas längeren Artikel auch zu lesen, hier ein paar Zitate daraus:

Es geht aktuell nicht „nur“ um die Verhinderung einer Kriegseskalation, die im nuklearen „Armaggedon“ enden würde. Es geht auch nicht „nur” um einen Kontinent, der möglicherweise auf Jahrzehnte von Feindschaft zerrissen sein könnte.

Es geht ebenfalls um unsere Aussichten, den Klimawandel zu begrenzen. Es ist in die Köpfe der deutschen Politik nicht vorgedrungen, dass die Sabotage an Nordstream auch Umweltterrorismus bedeutete. Es ihnen nicht klar, dass in den Weiten der russischen Tundra, die aufzutauen droht, sich ein Umweltgau versteckt, der genauso dramatisch sein dürfte wie der Verlust des tropischen Regenwaldes

Alle reden vom Klimawandel. Unsere Kinder und Jugendlichen haben Angst um ihre Zukunft. Warum? Weil die Weltgemeinschaft nicht an einem Strang zieht. Egal, was wir als Bundesrepublik tun, diesen Prozess kann kein einziges Land allein begrenzen, sondern nur alle Völker gemeinsam. Die Weltgemeinschaft, die zusammensteht, gibt es nicht. Es regieren Feindschaft, Hass und abgrundtiefes Misstrauen. Es ist an so vielen Orten Krieg.

Und weiter:

Viele üben sich in der Wiederholung der Verurteilung eines völkerrechtswidrigen Krieges Russlands in allen möglichen Superlativen („Zivilisationsbruch“) und verlieren jeden Maßstab und jeden Realitätsbezug. Seit 1990 wurden immer wieder völkerrechtswidrige Kriege geführt, in der Mehrheit von den USA/ NATO-Partnern. Nunmehr von Russland.

Das entschuldigt nichts, keinen einzigen Krieg. Allen Kriegen ist jedoch eines gleich. Sie waren vermeidbar. Auch der Krieg Russlands gegen große Teile der Ukraine.

Denn Russland führt nicht Krieg gegen „die“ Ukraine. Teile der Ukraine kämpfen auf russischer Seite. In diesem Krieg explodieren politisch unbewältigte Folgen der Umbrüche auf dem europäischen Kontinent 1989/91: Es geht um die ungelöste europäische Sicherheitsarchitektur, die in der Folge der deutschen Einheit entstehen sollte.

Und später noch:

Solange die Logik vorherrscht, dass jede Seite nach einem Vorteil gegenüber der anderen strebt, solange herrscht globale Unsicherheit. Solange ist niemand sicher.

Was sich heute als Kampf zwischen Demokratie und Autokratie ausgibt, ist der Kampf der USA um ihre globale Dominanz. In diesem Kampf ist Russland zum Feind ausgerufen, China zum strategischen Hauptgegner. Tatsächlich unterstützen die Alliierten der USA ihren Hegemonialanspruch. Tatsächlich lehnen ihn Russland, China und immer mehr Staaten auf der Welt offen ab. Ein Kennedy, der die Größe und Einsicht hatte, zu erkennen, dass Frieden und Zusammenarbeit nicht in einer pax americana erreichbar sind, sondern nur im Begraben der Feindschaft, ist weit und breit nicht in Sicht.

Auch kein Gorbatschow, der forderte, die Rüstungsproduktion weltweit zu konvertieren und den Ehrgeiz der Menschheit auf die Lösung der vordringlichen Menschheitsprobleme zu lenken.

Zum Schluss:

Kein Aggressionskrieg entlässt die Politik aus der Pflicht, ihn so schnell wie möglich zu beenden. Wenn die Politik versagt, müssen die Bürger sprechen. Daher ist der von Schwarzer und Wagenknecht initiierte Aufruf auch nichts anderes als Ausdruck einer Bürgerpflicht.

Meine Hoffnung also: Möglichst viele Menschen mögen jetzt ihrer Bürgerpflicht nachkommen.

Detlef Beune

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