Mahnwache vom 10.03.2023

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Es folgen die Beiträge dieser Mahnwache zum Nachlesen.

Doris:

Guten Abend. Ich begrüße Sie und euch im Namen der Friedensinitiative Schorndorf zu unserer 44. Mahnwache gegen den Krieg. Vielen Dank allen, die heute gekommen sind.

Ja, ich meine das ernst und sage es nicht nur so dahin, das „vielen Dank“. Denn es gehört schon etwas dazu, sich immer wieder von Neuem vom Schrecken des Krieges berühren zu lassen, Anteilnahme mit den Opfern auszudrücken, die eigenen Ängste auszuhalten, um die richtige Haltung zu ringen. Eben nicht zur Tagesordnung überzugehen und sich an den Krieg zu gewöhnen.

Vielen Menschen geht es ähnlich wie uns. Darum haben auch sehr viele, nämlich inzwischen über 744 000, das „Manifest für Frieden“ unterschrieben. Und darum haben sich auch sehr viele vor 14 Tagen an den Protestaktionen aus Anlass des ersten Jahrestages des russischen Überfalls auf die Ukraine beteiligt. Allein in Berlin waren es nach Polizeiangaben 13 000, nach Angaben der Veranstalter 50 000 Teilnehmende. Die wirkliche Zahl dürfte irgendwo dazwischen liegen. Trotzdem wurde in den Medien nur wenig darüber berichtet und wenn, dann überwiegend Negatives.

Das „Manifest für Frieden“ wurde von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiiert und hat 69 Erstunterzeichner/-innen aus Politik, Kirche, Wissenschaft usw. Es verurteilt klar den russischen Angriffskrieg und fordert Solidarität mit den Opfern. Es fordert den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Ich zitiere: „Er sollte sich auf deutscher wie europäischer Ebene an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen. Jetzt! Denn jeder verlorene Tag kostet bis zu 1.000 weitere Menschenleben – und bringt uns einem 3. Weltkrieg näher.“

Wie zu erwarten war, wurde dieses Manifest von Politikern und Medien sofort heftig angegriffen, die Initiatorinnen wurden beschimpft und beleidigt. Auch in meinem Umfeld höre ich Sätze wie: „die Sahra Wagenknecht finde ich unmöglich, und die Alice Schwarzer erst recht“. Ich bin der Meinung, man muss die beiden Frauen nicht mögen und man kann vieles kritisieren, was sie schon gemacht und gesagt haben. Aber man sollte ihren Aufruf erst einmal gründlich lesen, bevor man ihn verurteilt. Oder vielleicht wider Erwarten entdeckt, dass er sehr unterstützenswert ist. Ein Link dazu befindet sich übrigens auf unserer homepage.

Auch die Demonstration in Berlin, zu der die beiden Frauen aufgerufen hatten, wurde schon im Vorfeld verurteilt mit der Begründung, es würden auch Rechtsextreme dazu einladen. Die Veranstalter distanzierten sich klar von rechten Parteien und deren Versuch, diese Demonstration für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Trotzdem entdeckte das Fernsehen in Berlin tatsächlich auch Demonstranten, die Russlandfahnen schwenkten und/oder sich zur AFD bekannten. Sie wurden natürlich in Großaufnahme auf allen Sendern gezeigt. Die übergroße Mehrheit der Teilnehmenden, nämlich mindstens 25 000 Menschen, bekam lange nicht dieselbe Aufmerksamkeit. Die Desinformationskampagne der Medien zeigt Wirkung bis nach Schorndorf: Vor unserer letzten Mahnwache erschien eine Frau und fragte „Sind Sie auch von den Rechten?“ Sie wollte dann aber nicht bleiben, um sich selbst ein Urteil zu bilden.

Ich frage: Wenn einige rechtsextreme Menschen bei einer Friedensdemonstration erscheinen, obwohl man ihr Kommen als unerwünscht erklärt hatte, sollte man dann etwa nicht mehr teilnehmen oder gar die ganze Demonstration absagen? Wollen wir uns denn wirklich von diesen Menschen oder Parteien verdrängen lassen? Das wäre doch ein völlig falsches Signal.

Gut, dass es Menschen gibt, die unerschrocken und mit aufrechter Haltung ihre Meinung vertreten, wie z.B. die Theologin Margot Käßmann. Sie war u.a. Landesbischöfin in Hannover und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Schon 2009 erntete sie viel Kritik für ihre Aussage: „Nichts ist gut in Afghanistan“. Wir sehen heute, dass sie damit leider Recht behalten hat. Margot Käßmann gehört zu den Erstunterzeichnerinnen des Aufrufs „Manifest für Frieden“. Auch sie musste sich den Vorwurf anhören, sie sei naiv, sie sei russlandfreundlich und sie kooperiere mit der AFD. Sie ließ sich davon nicht entmutigen und hielt vor 2 Wochen bei den Friedenskundgebungen in Köln und in Bonn einen sehr bemerkenswerten Redebeitrag. Aus diesem möchte ich jetzt einige Abschnitte vorlesen:

„Zuerst ist mir wichtig: Wir veranstalten diese Kundgebung hier in Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, die seit einem Jahr täglich unter dem Angriffskrieg Putins leiden. Ich stehe hier aus drei Motiven:

Zum einen bin ich Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft.                                               Im vergangenen Jahr haben wir nach dem brutalen Überfall Russlands auf die Ukraine eine beispiellose Militarisierung im Denken und in der Sprache erlebt. „Tapferkeit“, „Heldentum“, „Blutzoll“, um die Verhandlungsposition zu erhöhen, „Sieg“, der unbedingt notwendig sei. Hinter diesen Begriffen aber verbergen sich einzelne Menschen, unermessliches Leid!

Bertha von Suttner, Friedensnobelpreisträgerin 1905 und eine der Gründerinnen der Deutschen Friedensgesellschaft hat in ihrem Roman „Die Waffen nieder“ vor mehr als hundert Jahren die ganze Absurdität des Krieges beschrieben. Wer kämpft eigentlich für was? Und welches entsetzliche Sterben von Soldaten wird dann einfach mit „Er ist gefallen“ umschrieben? Gefallen? Getötet! Ermordet! Elendiglich verreckt, Soldaten ebenso wie Zivilisten. Nichts ist daran „heldenhaft“.

Es gibt im Krieg keine guten und schlechten Waffen. Außenministerin Baerbock erklärt, „unsere Waffen schützen Leben“. Das mag sein. Aber sie töten eben auch! Es gibt – geschätzt – nach einem Jahr Krieg in der Ukraine 250.000 Tote. Wie viele sollen es noch werden? Wann ist Schluss mit dem Wahnsinn? Bei einer Millionen? Bei wie vielen Toten ist eine angemessene Verhandlungsposition erreicht? Ich denke: JETZT! SOFORT!

Wir befinden uns in einer Spirale der Eskalation, die auch durch Waffenlieferungen aus dem Westen an die Ukraine angeheizt wird. Erst hieß es: Helme. Dann: ausschließlich Verteidigungswaffen. Jetzt: Angriffspanzer. Was kommt als Nächstes? Kampfbomber? Kriegsschiffe? Und wie wird Putins Reaktion darauf sein? Immerhin verfügt er über Atomwaffen. Diese Eskalationsspirale muss sofort beendet werden.

Zudem fordern wir die Bundesregierung auf, alle Kraft einzusetzen, damit massive inter-nationale diplomatische Kraftanstrengungen zu einem Waffenstillstand und anschließenden Verhandlungen führen. Nur so kann das Elend der Menschen in der Ukraine, die Angriffe auf Zivilisten, Folter Vergewaltigung und Zerstörung des Landes schnell ein Ende finden.

Zum anderen stehe ich hier als evangelische Christin. 

Jahrhundertelang wurden Waffen durch Kirchenvertreter gesegnet. Und auch heute sehen wir wieder Bilder davon. Die Kirchen der Welt sind immer in die Irre gegangen, wenn sie Gewalt legitimiert haben. Denn im Evangelium findet sich dafür keinerlei Grundlage. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, haben die Kirchen der Welt 1948 gemeinsam prokla- miert. Darum geht es. Mir ist bewusst, dass wir schuldig werden können, wenn wir gegen Waffenlieferungen plädieren, die Menschen in der Ukraine zu ihrer Verteidigung anfordern. Es gehört zur Demut eines Menschen einzugestehen, dass das der Fall ist. Aber schuldig kann auch werden, wer für Waffen plädiert. Denn Waffen töten. Dafür werden sie produziert.

Als ich mit einer Freundin den Nachlass ihres Vaters sortiert habe, fanden wir ein „Gebetbuch für den deutschen Soldaten im Felde“. Dort waren auch die Zehn Gebote aufgeführt. Unter dem fünften, “Du sollst nicht töten“, stand in Klammern: „Gilt nicht im Kriegsfall“. So einfach können wir es uns nicht machen!  Ich wünsche mir, dass die Kirchen der Welt mit ihren Oberhäuptern wie ihren Mitgliedern sich energisch für ein sofortiges Schweigen der Waffen einsetzen.

Und drittens stehe ich hier als Großmutter von sieben Enkelkindern. 

Wenn ich an diese Kinder, ja alle Kinder in Deutschland, der Ukraine, Russland, der Welt denke, dann sind Hunderte Milliarden Euro für Rüstung doch keine Investition in ihre Zukunft. Was sie brauchen, ist eine Investition zur Verhinderung der Klimakatastrophe. Ihre Zukunft wird lebenswert durch Hunderte Milliarden Euro, die in Bildung und Entwicklung investiert werden. Unsere Erde ist bedroht durch die rücksichtslose Ausbeutung aller Ressourcen. Und Krieg ist eine der schlimmsten Zerstörungskräfte auch mit Blick auf das Klima.  Wir brauchen für die Zukunft dieser Welt keine Aufrüstungsprogramme, sondern Abrüstung. Es müssen nicht ständig noch mehr und „bessere“ Waffen produziert werden. Wie großartig wäre diese Welt, wenn wir all unser Wissen und unsere Ressourcen für Frieden und nicht für die Entwicklung neuer Mordwerkzeuge einsetzen würden? Wir wollen diese Welt endlich, endlich entwaffnen. Dafür treten Pazifistinnen und Pazifisten in aller Welt ein“.

So weit die Theologin Margot Käßmann.

Wir wollen jetzt wieder 5 Minuten schweigen und die gehörten Gedanken in unser Schweigen einbeziehen.

Uwe:

Konstatin Simonow 1949

(…) Aber die Kriegsbrandstifter, die sich einbilden, wir wollen den Frieden aus Schwäche, sind von einem tiefen und gefährlichen Irrtum befangen. Wir wollen den Frieden nicht, weil wir den krieg fürchten. Wir wollen ihn, weil wir wissen, welche Leiden der Krieg allen Völkern bringt .

Im Gegensatz zu den Kriegsbrandstiftern denken wir ja stets vor allem und hauptsächlich an das Geschick der Völker, nicht nur an das Volk unseres eigenen Landes , sondern an die ureigensten Interessen der Völker der ganzen übrigen Welt.

Das ist der Grund, warum wir keinen Krieg wollen. (….)

Abschluss

Bevor wir unsere heutige Mahnwache beenden möchte ich noch auf einige Veranstaltungen, die in nächster Zeit stattfinden, hinweisen:

♦ Am morgigen Samstag findet in  Neckarwestheim anlässlich des Jahrestages der Atomkatastrophe, die sich im japanischen  Fukushima  ereignete, eine Demonstration     zu dem Atomkraftwerk statt. Das Motto lautet: „Fukushima mahnt – Energiewende jetzt – weltweit“.
Treffpunkt ist um 13 Uhr vor dem dem Bahnhof Kirchheim / Neckar.

Wer mit nach Kirchheim fahren möchte, möge sich bitte um um 11.30 Uhr am Bahnhof   Schorndorf einfinden, damit wir ggf. mit einem preisgünstigen Gruppenticket fahren können. Abfahrt ist um 11.44 Uhr mit dem MEX.

♦ Am Die, 21.03.d.J. kommt um 19.30 der Journalist Andreas Zumach  in die Volkshochschule in Schwäbisch Gmünd, mit dem Vortrag:“ Ukraine – Krieg, Zeitwende wohin?

♦ Am Samstag, 8.April 2023 finden in Ellwangen und Stuttgart die Ostermärsche statt. Zur Beteiligung an diesen Ostermärschen rufen die Friedenskooperative und das Friedensnetzwerk Baden-Württemberg auf.    Wir werden zu diesen Ostermärschen  rechtzeitig bei unseren nächsten Mahnwachen genauere Details mitteilen.

♦ Unsere nächste Mahnwache gegen den Krieg findet heute in einer Woche, am Freitag, 17.März d.J.statt. – Wir bedanken uns für Ihr kommen, wünschen Ihnen einen gute Nachhauseweg und ein schönes Wochenende.

 

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